Umwelt

Viel Ruhe und rote Bäckchen

URLAUB Der Winter auf Deutschlands größter Halbinsel Fischland-Darß-Zingst ist Erholung pur // Alexander Richter

Es ist kalt, lausig kalt. Jeder Schritt knirscht auf dem gefrorenen Schnee. Kaum eine Menschenseele ist heute unterwegs am Weststrand. Mal richtig durchpusten lassen. Ruhe pur, die Wellen der stürmischen Ostsee platschen, schon leicht angefroren, an den Strand. Der Ostwind pfeift sein Winterlied, das sogar das Reet auf den Dächern, das hier Rohr heißt, zum Singen bringt. Rote Nasen, rote Bäckchen. Draußenzeit auf Deutschlands größter Halbinsel. Nach zwei Stunden geht’s zurück ins Hotel – Glühwein, Sauna, Wellness, ein leichtes Abendbrot. Keine Termine, kein Stress, eine stille Landschaft: Erholsamer kann Winterurlaub ohne Ski kaum sein.

Mit Punsch am Kamin

Mecklenburg-Vorpommern hat in den letzten Jahren viel getan und ordentlich investiert, um sich auch als Destination für die kalte Jahreszeit zu empfehlen. Was gelungen ist: Rund ein Viertel aller Gäste, die den deutschen Nordosten als Urlaubsziel wählen, kommen im Winter. Die Anreiseverbindungen mit Bahn, mit Auto (zwei enge Zufahrten) und mit dem Flieger (zum kleinen Airport Rostock-Laage) könnten besser sein, das weiß man in Rostock, wo die Landestouristiker sitzen: Man arbeitet dran.

Dafür locken die meisten Hotels ab 3 Sterne aufwärts mit wohliger Wohlfühl-Wellness, haben oft ein Schwimmbad und fast immer auch irgendwo im Haus einen offenen Kamin. Klar, bei einem knisternden Feuer mundet der Glühwein oder Küstenpunsch doppelt gut. Beispielhaft haben wir uns auf der Halbinsel zwischen Ostsee und Bodden, zwischen Rostock und Stralsund umgesehen, die offiziell den Bandwurm-Namen Fischland-Darß-Zingst trägt. „Wir sind auf’m Darß“, sagen die Einheimischen, und wir tun es ab jetzt einfach auch.

Strand, Kultur und Kunst

Fischland überzeugt unter anderem durch seinen breiten Strand und feine Hotels, etwa das Strandhotel Dünenmeer (4 Sterne) im Ostseebad Dierhagen, mit einer Wellnesslandschaft, die mehrfach als beste in Meck-Pomm ausgezeichnet wurde. Ein Katzensprung nur ist es nach Ahrenshoop, das schon zu DDR-Zeiten als Künstlerdorf einen malerischen Namen hatte. Zwar ist einiges vom diskreten Charme der alten Malerkolonie verschwunden und durch allerlei Modernes ersetzt worden. Kultur wird hier aber weiterhin großgeschrieben, und das Dorf mit den zwei Grenzen hat nach wie vor seinen Platz in der europäischen Kunstwelt. Sozusagen auch als Gegenstück zum bekannteren Worpswede unweit von Bremen.

Ahrenshoop und zwei Grenzen? Grenzgänger seit vielen Jahren ist Bürgermeister Hans Götze, der auch als Maler, Grafiker und Fremdenführer auftritt. Er erklärt: „Durch unser Ostseebad verläuft die Grenze zwischen Fischland und dem Darß und die zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Einen Ausweis brauchen Sie aber nicht“, scherzt Götze, der mit uns auch den höchsten Hügel der Halbinsel besteigt: Stolze 14,6 Meter hoch ist der Schifferberg, von dem man aber erkennt, wie schmal sich das Künstlerdorf mit seinen 700 Einwohnern und 25 Restaurants auf fünf Kilometer in der Länge zwischen Bodden und Ostsee zwängt. Tipp: Unbedingt einen Besuch lohnt das auch architektonisch sehr gelungene Kunstmuseum (www.kunstmuseum-ahrenshoop.de). Nett zum Wohnen und Essen sind unter anderem der Charlottenhof und das romantische Hotel „Namenlos“.

Natur mit bunten Türen

Am Darßer Ort, da wo die Halbinsel ganz Natur ist, sind Singschwäne, Reiher, Seeadler, andere Greifvögel, allerlei Enten und weitere gefederte Freunde zu Hause. Was für ein Schauspiel, wenn der Adler im Anflug ist und Tausende Enten Alarm rufen: „Haut ab, er kommt und hat Hunger!“

Ein anderes Naturtheater bieten Wind und Wellen: Weht es von Westen, wird der Weststrand gefegt und viel Sand abgetragen, der „um die Ecke”, am Nordstrand, wieder aufgespült wird. Bei Ostwind läuft das Spiel andersherum. Eine schöne Tagestour führt mit dem Pferdefuhrwerk von Prerow aus zum Leuchtturm und von dort per pedes über einen Bohlensteg drei Stunden oder länger durch friedliches Neuland, das vor 100 Jahren noch Wasser war.

Auffallend sind an vielen Häusern und Katen bunt verzierte Holztüren. Die „Darßer Türen“ sind Kunstwerke der Tischler wie zum Beispiel die Roloff-Brüder René und Dirk in Prerow. Sie restaurieren alte Türen genauso wie sie neue Türen geschickt nach alter Tradition von Hand herstellen – an die 150 Einlassportale schaffen sie pro Jahr (Besuch nur nach Vereinbarung – www.kunsttischlerei-roloff.de).

Der in die Länge gestreckte Zingst mit dem gleichnamigen Städtchen ist der touristische Krösus der Halbinsel – hier können sich die Urlauber in bis zu 15 000 Betten betten, und die Infrastruktur ist auf viele Gäste eingestellt. Kulturell hat sich Zingst – einst ärmliches Seefahrerdorf, heute ein luftiger Gesundheits-Mix – komplett der Fotografie verschrieben. Man kann sich sogar hochwertige Kameras ausleihen. Viele Ausstellungen, einige auch ganzjährig geöffnete Galerien und ein fotoaktiver Herbst unter anderem mit „Kranich-satt-Motiven“, sind Highlights.

Kraniche auf Durchreise

Die Lufthansa-Wappenvögel nutzen mit 50 000 Tieren und mehr auf ihrer jährlichen Südtour den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft für Wochen als Rast-Station. Und wer nach so viel Land mal wieder Stadt braucht: Das schöne Stralsund liegt vor der Darß-Tür, und auch das Bernstein-Museum in Ribnitz-Damgarten ist schnell erreicht.

Von Prerow aus erreicht man den Leuchtturm. (Foto: Alexander Richter)

Mehr zum Thema

www.m-vp.de/fischland-darss-zingst/
Regionaltypisches, Infos von A-Z, Impressionen

www.walfischhaus.de
Pension in einem Darßer Kapitänshaus

www.haus-linden.de
Veggie-Hotel im Ostseebad Prerow

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