Umwelt

Vegane Landwirtschaft: Ohne Mist?

Bio-vegane Landwirtschaft kommt ohne Nutztiere wie Kühe und Schweine aus. Doch wie wachsen Pflanzen ohne Gülle und Kuhdung? Und hat diese Art zu wirtschaften Zukunft?

Wie vegan sind eigentlich Kohlrabi, Apfel und Haferdrink? Die Antwort scheint klar. Doch auch Obst- und Gemüseanbau ist meist mit Tiernutzung verbunden.

Ist Gemüse, das mit Mist gedüngt wurde, vegan?

Über 1,6 Millionen Menschen ernähren sich in Deutschland vegan. Sie verzichten also nicht nur auf Fleisch und Fisch, sondern auch auf Milch, Käse, Eier und Honig. Für die meisten ist Tierschutz die wichtigste Motivation. Doch was bedeutet Tierschutz in letzter Konsequenz? Beutet man Kühe nicht schon aus, wenn man sie als Nutztiere hält und mit ihrem Mist Getreide und Gemüse düngt? Was für manche nach Erbsenzählerei klingt, ist für andere einfach „konsequent zu Ende gedacht“. Und seit einigen Jahren gibt es auch eine Lösung dafür: die bio-vegane Landwirtschaft, also eine Landwirtschaft, die ohne Nutztiere auskommt.

Darauf verzichtet die bio-vegane Landwirtschaft

So wie der Bio-Hof Hausmann im sächsischen Rochlitz, zwischen Leipzig und Chemnitz. 2012 hat Daniel Hausmann den ehemals konventionellen Betrieb von seinem Vater übernommen. Hausmann stellte den Hof auf Bio um und schloss sich dem Öko-Anbauverband Gäa an. Doch damit nicht genug. Als Veganer kam für ihn auch die Nutztierhaltung nicht mehr in Frage. Inzwischen baut er auf seinen 60 Hektar Getreide, Kartoffeln und Gemüse an – ohne künstliche und ohne tierische Düngemittel. Die Skepsis in seinem Umfeld war anfangs groß. Doch mittlerweile konnte er viele Erfahrungen sammeln und wirtschaftet erfolgreich.

„Grob gesagt sind die Gemeinsamkeiten zwischen ökologischem und bio-veganem Anbau größer als die Unterschiede“, erklärt Daniel Hausmann. Der Hauptunterschied liege in der Düngung. Die wichtigste Frage dabei sei immer dieselbe: Wie werden die Pflanzen mit Nährstoffen versorgt, insbesondere mit Stickstoff, Phosphor und Kalium?

Ist Landwirtschaft ohne Tiere möglich?

Im konventionellen Anbau dürfen Bauern synthetisch hergestellte, stickstoffhaltige Düngemittel einsetzen. Im ökologischen Anbau sind diese verboten. Bio-Landwirte setzen auf Kompost und Gründüngung mit Leguminosen wie Kleegras. Sie binden mithilfe von Bakterien Stickstoff aus der Luft im Boden. Betriebe mit Tierhaltung – konventionell und bio – nutzen zudem Gülle, Mist und Hornspäne als Dünger. Mist und Gülle sind sozusagen eine Art aufbereitete Gründüngung: Rinder, die etwa mit Kleegras oder anderen Leguminosen gefüttert werden, verdauen diese so, dass die Nährstoffe für die Pflanzen anschließend besser verfügbar sind.

Bei der bio-veganen Landwirtschaft gibt es keine Kühe. Gülle und Mist müssen also ersetzt werden: Das funktioniert, indem auch hier die Gründüngung genutzt wird, jedoch ohne den Umweg über die Tiere. Leguminosen wie Kleegras werden geschnitten und direkt auf Äckern aufgebracht oder kompostiert und dann in den Boden eingearbeitet.

Dem Kompostieren geben die bio-veganen Bauern dabei besonders viel Zeit. So entsteht vollreifer Kompost, der hochwertige Nährstoffe enthält, die die Pflanzen gut aufnehmen können.

Eine dritte Möglichkeit ist das Vergären der Leguminosen in Biogasanlagen – sie übernehmen sozusagen die Verdauungsarbeit der Kühe. Das vergorene, stickstoffhaltige Restprodukt kann als nährstoffreicher Dünger genutzt werden. Aus dem Methan, das dabei entsteht, lassen sich Strom und Wärme erzeugen. Anders als das Methan, das Kühe in die Luft rülpsen und pupsen.

Im Hinblick auf die Klimakrise sollten allerdings die Kompostierung oder das Vergären in Biogasanlagen bevorzugt werden, meint Professor Knut Schmidtke, Leiter des Forschungsinstituts für biologischen Landbau in der Schweiz. Denn wenn das Kleegras nach dem Schneiden offen liegen bleibt, entstehen klimaschädliche Lachgasemissionen.

Mithilfe von Leguminosen wird vor allem der Stickstoffbedarf von Getreide, Gemüse und Obst gestillt. Doch Pflanzen benötigen auch Phosphor und Kalium. An diese kommen bio-vegan arbeitende Landwirtinnen und Landwirte, indem sie Ernteabfälle, zum Beispiel aus dem Gemüseanbau, mitkompostieren oder Gesteinsmehle ausbringen.

Label: bio-vegane Landwirtschaft

Lebensmittel aus bio-veganer Landwirtschaft erkennt man zum Beispiel an dem Label „Biozyklisch-veganer Anbau“ vom Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau. Die Haltung von Nutztieren sowie tierische Düngemittel sind dabei verboten. Biozyklisch bedeutet so viel wie „Lebenskreislauf“. Alle Nährstoffe sollen möglichst im eigenen Betrieb gewonnen und auch wieder rückgeführt werden.

Warum sind Fruchtfolgen für die bio-vegane Landwirtschaft so wichtig?

Auch der bio-vegane Anbau setzt wie die herkömmliche Bio-Landwirtschaft auf Fruchtfolgen. In der nutztierfreien Landwirtschaft sind sie sogar noch wichtiger: Ungefähr alle fünf Jahre bauen die Landwirte Kleegras oder andere Leguminosen auf ihren Feldern an, durch die Stickstoff im Boden angereichert wird. Dazwischen folgen vier bis fünf Jahre verschiedene Getreide- oder Gemüsesorten. Die Nährstoffe aus dem Boden werden dadurch optimal genutzt, denn Getreide benötigt weniger und andere Nährstoffe als Gemüse.

Label: Vegane Lebensmittel

Vegan-Label wie das der Europäischen Vegetarier-Union berücksichtigen den Anbau nicht. Es wird also nicht geprüft, ob die Produkte mit tierischem Dünger gedüngt oder biologisch angebaut wurden. Die so gekennzeichneten Lebensmittel enthalten jedoch keine tierischen Bestandteile und wurden auch nicht mit Hilfe von Enzymen oder Aromen tierischen Ursprungs hergestellt.

Was bringen Mischkulturen für die Böden?

Wer nach den Standards des biozyklisch-veganen Anbaus wirtschaften möchte, ist außerdem verpflichtet, Mischkulturen anzubauen. Damit sollen Schädlinge abgehalten und dem Boden nicht einseitig Nährstoffe entzogen werden. Im Ackerbau seien Erbse und Hafer, Ackerbohne und Hafer sowie Wicke und Roggen gute Kombinationen, erklärt Daniel Hausmann. Monokulturen, also beispielsweise ein Gewächshaus nur mit Tomaten, sind nicht erlaubt.

Grob gesagt sind die Gemeinsamkeiten zwischen ökologischem und bio-veganem Anbau größer als die Unterschiede.

Daniel Hausmann, bio-veganer Landwirt

„Rund 20 Prozent der Flächen sollten immer mit Kleegras bewachsen sein“, erklärt Hausmann. Die Erfahrung habe gezeigt, dass nur so genügend Stickstoff zur Verfügung steht. Die bio-vegane Landwirtschaft ist für ihn noch immer ein Lernfeld: „Jeder Tag ist anders und jeden Tag lernt man noch etwas dazu.“ Vieles bringt Daniel Hausmann sich selbst bei – durch das Anlesen von Wissen und vor allem durch Ausprobieren. Mittlerweile gibt es sogar Seminare über bio-veganen Anbau in Studiengängen zu ökologischer Landwirtschaft.

Diese Vorteile hat der bio-vegane Landbau

Mit seinem Hof hat Daniel Hausmann auch schon andere inspiriert. Judith Ruland und Frederik Henn zum Beispiel. Auf der Suche nach Obst und Gemüse, das nicht mit Gülle, Mist oder Hornspänen gedüngt wurde, stießen die beiden Veganer auf den Betrieb von Hausmann und waren begeistert. Sie beschlossen, einen eigenen bio-veganen Anbau auf die Beine zu stellen. Auch, weil sie darin eine einfache Maßnahme für mehr Klimaschutz sahen. Denn tierische Produkte hätten nicht nur einen CO2-Fußabdruck, der den von pflanzlichen um ein Vielfaches übersteigt. Der bio-vegane Anbau setze auch stark auf Bodenaufbau durch Humus und könne so viel Kohlenstoff speichern, erklären die beiden.

PlantAge: bio-vegan in Frankfurt an der Oder

Seit 2019 gibt es nun PlantAge in Frankfurt an der Oder: eine solidarische Landwirtschaft, die genossenschaftlich organisiert ist und auf derzeit 20 Hektar Gemüse für 750 Haushalte anbaut. Viele Abnehmer und Abnehmerinnen leben vegan und kommen aus Berlin. Wie bei Daniel Hausmann verkauft sich das Gemüse nicht nur über die Marke „bio-vegan“. Für viele Kunden ist der regionale Anbau ein weiteres entscheidendes Kriterium.

Bei PlantAge arbeiten derzeit 30 Leute, darunter Gärtner, Personal für den Vertrieb und Praktikanten. In regelmäßigen Abständen organisiert der Betrieb Mitmachtage, zu dem auch die Mitglieder der Genossenschaft eingeladen sind. Für die 25-jährige Judith Ruland ist es eine besondere Freude, wenn auch Bauern vorbeikommen, die anfänglich skeptisch waren, und sehen, dass der bio-vegane Anbau funktioniert. Vegan sei aber nach wie vor für viele ein Reizthema und die Kommunikation bedürfe viel Fingerspitzengefühl, so Ruland. Viele fühlten sich allein durch das Stichwort „vegan“ in ihrer eigenen Ernährungsweise kritisiert.

Kritik an der bio-veganen Landwirtschaft

Doch die Zusammenarbeit klappt auch an Stellen, wo man es nicht gleich vermutet: So bildet PlantAge zwei Azubis im Rahmen der freien Ausbildung des Demeter-Verbands aus, in dessen Philosophie und Wirtschaftsweise Nutztierhaltung ein fester Bestandteil ist. An der Nutztierhaltung hält Demeter fest: „Ich bin der Überzeugung, dass Demeter das umfassendste Verständnis einer Landwirtschaft der Zukunft hat“, erläutert Dr. Alexander Gerber, Bundesvorstand von Demeter. Die bio-dynamische Landwirtschaft betrachte Systeme als Ganzes – und Tiere mit ihren ganz besonderen Qualitäten gehören hier dazu, so Gerber.

Weltweit seien die fruchtbarsten Böden nachweislich entstanden, weil sie Wiederkäuern wie Rinder als Weideflächen dienten. An bestimmten Standorten könne ein bio-veganer Anbau funktionieren, räumt Gerber ein. Er bezweifelt aber, ob so langfristig produktive Systeme geschaffen werden können. Für den Demeter-Vorstand ist entscheidend, entsprechend hohe Standards für die Nutztierhaltung zu setzen, statt sie aus dem System auszuschließen.

Was ist besser: Bio-dynamisch oder bio-vegan?

Langzeitstudien und einen direkten wissenschaftlichen Vergleich zwischen bio-dynamischer Landwirtschaft und bio-veganem Anbau hinsichtlich Produktivität, Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit gibt es derzeit noch nicht. Die bio-vegane Landwirtschaft steckt bisher in den Kinderschuhen: Die Seite Vegpool listet derzeit acht Höfe in Deutschland, die bio-vegan wirtschaften. Dazu kommen einige solidarische Landwirtschaften. Der Verkauf funktioniert überwiegend über regionale Hofläden, Gemüse-Abokisten oder Online-Shops. Aber die Nachfrage steigt, sagt Daniel Hausmann. Das merken auch die Leute von PlantAge. Sie planen deshalb, ihren Betrieb im kommenden Jahr auf 30 Hektar zu erweitern.

Interview: „Der bio-vegane Landbau ist ein sehr wertvoller Impuls“

Knut Schmidtke war lange Zeit Professor für ökologischen Landbau an der Hochschule in Dresden. Seit April 2020 leitet er das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in der Schweiz, die größte Einrichtung dieser Art weltweit.

Welche Zukunft hat der bio-vegane Landbau?
Wir brauchen im Bio-Landbau immer wieder neue Impulse, das ist kein statisches System. Den bio-veganen Landbau sehe ich als einen sehr wertvollen Impuls. Wir haben aber in vielen Ländern sehr viel Grünland. Dieses lässt sich nicht für Ackerbau nutzen, weil es zu feucht, zu steil oder zu flachgründig ist. Mit Blick auf die Klimakrise wäre eine Umwandlung auch nicht ratsam. Denn dadurch würden wir innerhalb von ein, zwei Jahren große Mengen an gebundenen Kohlenstoff freisetzen.

Von wie viel Fläche sprechen wir?
In Deutschland sind etwa 20 bis 30 Prozent, global etwa zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen Grünland. Diese werden meist für Rinder, Schafe und Ziegen genutzt. Deshalb sind sie aus der Lebensmittel-produktion nicht wegzudenken.

Lässt sich Grünland auch anders nutzen?
Historisch betrachtet haben wir keine „vegane“ Nutzung dafür entwickelt. Die Frage ist also, finden wir eine Möglichkeit das Grünland so zu nutzen, dass wir auch vegan lebenden Menschen etwas anbieten können. In Frage kämen vielleicht Kräuter oder mehrjährige Pflanzen, von denen wir dann Blätter oder Beeren ernten können.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die ideale Zukunft der Landwirtschaft aus?
Idealerweise können wir den Bio-Landbau so fortentwickeln, dass er auch der steigenden Anzahl vegan lebender Menschen mehr Ernteprodukte zur Verfügung stellen kann. Einen vollständigen Verzicht auf Nutztiere halte ich aber für unrealistisch, da Nutztiere auch einen wichtigen Beitrag zur Pflege des Grünlands leisten. Ohne die Nutzung von Grünland würde zudem der Druck auf Äcker noch größere Erträge abwerfen zu müssen massiv erhöht. Mehr Pflanzenschutzmittel und Dünger kämen zum Einsatz. Darunter wiederum würde die Biodiversität massiv leiden.

Mehr über bio-vegane Landwirtschaft

  • Unter dem Stichwort „biozyklisch-vegan“ informiert das Portal oekolandbau.de über Richtlinien, Siegel und Anforderungen.
  • Hier wird unter anderem erklärt, wie bio-zyklischer Humusboden entsteht.
  • Vegpool: Hier gibt es eine Liste mit Adressen bio-vegan arbeitender Höfe.
  • Informationen zur bio-veganen SoLaWi PlantAge
  • Der Bio-Hof Hausmann stellt sich vor.
  • Buchtipp: Susanne Heine: Peaceful gardening. Bio-vegan gärtnern. Das Praxisbuch. BLV-Verlag, 2015, 144 Seiten, 14,99 Euro
Veröffentlicht am

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge