Umwelt

Grundwasser: Unstillbarer Durst

Mehr als da ist: Durch unseren Lebenswandel und intensiven Konsum gibt es in einigen Regionen der Erde immer weniger Grundwasser. Wissenschaftler schlagen Alarm.

Es ist ihr größter Schatz: Der schwarze Container in Juana Garcias Garten mit den 9.464 Litern Wasser. Ihre Stadt füllt ihn der fünffachen Mutter nun wöchentlich auf, nachdem sie und ihre Kinder zuvor drei Jahre lang ohne fließendes Wasser gelebt haben. In dieser Zeit befüllte eine hilfsbereite Nachbarin für die chronisch kranke, 50 Jahre alte Frau täglich Kanister an der Tankstelle; das Wasser musste Garcia abkochen, um es trinkbar zu machen. Dreckiges Spülwasser sammelte sie in Eimern und verwendete es anschließend für die Toilette. Garcia schleppt nun immer noch Eimer in ihr Haus, aber sie kann ihre Dusche wieder benutzen. Für Hunderte Haushalte in ihrer Gegend ein Luxus – und das nicht in ihrer Heimat Mexiko, sondern im Central Valley von Kalifornien.

Diese Region gilt als Obst- und Gemüsekammer der Vereinigten Staaten. In riesigen Monokulturen wachsen hier Zuckerrüben, Äpfel und Orangen, Bohnen oder Weintrauben. Doch eine anhaltende Dürreperiode zwingt die örtliche Landwirtschaft und ärmere Familien wie die Garcias nun schon im fünften Jahr in die Knie: Fünf von zehn Bewohnern in der Stadt East Porterville haben kein eigenes Wasser mehr – die privaten Grundwasserbrunnen sind versiegt. „Früher lag das Grundwasser noch knapp unter der Oberfläche“, erklärt die amerikanische Umweltjournalistin Julia Lurie im gemeinnützigen Nachrichtenmagazin Mother Jones. Doch während die Agrarwirtschaft trotz Dürre immer noch rund vier Fünftel des vorhandenen Wassers brauche, sinke und sinke der Grundwasserspiegel in den privaten Brunnen. Die Landarbeiter im Central Valley haben kein Geld, um noch tiefer zu graben: Viele von ihnen sind seit der Dürre ohne Arbeit und leben von regelmäßig verteilten Nahrungspaketen der Trockenheits-Nothilfe. Seit fünf Jahren herrscht Ausnahmezustand im hoch entwickelten Kalifornien – ebenso wie in vielen anderen Regionen der Welt. Die Grundwasserspeicher unserer Erde leeren sich immer schneller. Die lebenswichtige Ressource wird quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit verbraucht.

„In vielen Gebieten verbrauchen wir mehr Grundwasser, als neu hinzukommt.“

Petra Döll, Hydrologin

Das kann die Hydrologin Petra Döll aus den unzähligen Satellitenbildern und Wasserverbrauchsdaten ableiten, die sie seit Jahren an der Goethe Universität Frankfurt wissenschaftlich auswertet. Sie hat die bisher genaueste Untersuchung der globalen Grundwasserreserven veröffentlicht und schon im Sommer vor zwei Jahren Alarm geschlagen: „In vielen Gebieten verbrauchen wir mehr Grundwasser, als neu hinzukommt“, sagt Döll. In Ländern wie Bangladesch, Griechenland oder Jordanien wurde in dem Zeitraum von 2000 bis 2009 sogar drei Mal so viel Grundwasser genutzt wie in den
40 Jahren davor.

In Saudi-Arabien werden zu großen Teilen fossile Reserven angezapft, die während klimatisch feuchter Zeiten über Zehntausende Jahre gefüllt wurden und nun innerhalb kurzer Zeit verbraucht werden. „Das Land entnimmt zwei Drittel seines Grundwassers aus Quellen, die zumindest in den nächsten 1000 Jahren nicht neu entstehen werden“, sagt Döll. „Dieses Wasser ist für künftige Generationen verloren.“

Wasserstress: Die Folgen

Wenn ein Großteil des verfügbaren Wassers verbraucht wird, spreche man von Wasserstress. „Darunter leiden die Tiere und Pflanzen in Flüssen, Seen und Feuchtgebieten, da sich deren Lebensraum verändert. Zum Beispiel fehlen dann Laichplätze für Fische. Manche Flüsse trocknen sogar ganz aus.“

Für Bauern auf der ganzen Welt wird es immer schwerer, ihre Felder zu bewirtschaften. „Wir wissen, dass Landwirte in trockenen Gegenden nur etwa 70 Prozent der idealen Wassermenge einsetzen“, sagt Döll. Solche Wasserknappheit ist ein existenzielles Problem, das sich mit der wachsenden Weltbevölkerung verschlimmern wird. Schon heute haben 750 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Vereinten Nationen schätzen, dass im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen auf der Erde leben und mindestens vier Milliarden nicht genug Wasser zur Verfügung haben werden. Massenhafte Fluchtbewegungen und kriegerische Konflikte um Süßwasserquellen zeichnen sich heute schon ab.

Grundwasser landet im salzigen Meer

Und das nicht, weil das Wasser einfach verschwindet – kein Tropfen geht im globalen Wasserkreislauf verloren. Es taucht nur an anderer Stelle wieder auf. „Der Meeresspiegel steigt nachweislich wegen der großen Grundwasserzehrung“, erklärt die Hydrologin Döll. 0,37 Millimeter im Jahr. Von 1000 Litern Grundwasser, die irgendwo auf der Welt ein Feld bewässern oder aus einem Kraftwerkskamin verdunsten, kehren 150 Liter nicht ins Grundwasser zurück. Was einst trinkbar war, vermischt sich stattdessen mit salzigem Meerwasser und wird für den Menschen unbrauchbar. So wie 97 Prozent der weltweiten Wasservorkommen: Zwar wird die Erde auch „blauer Planet“ genannt, weil sie zu mehr als zwei Dritteln mit Wasser bedeckt ist, allerdings sind nur drei Prozent Süßwasser. Wovon wiederum nur ein geringer Teil für die Menschen zugänglich und trinkbar ist. Dieses Wasser, Grund- und sauberes Oberflächenwasser in Flüssen oder Seen, zapfen wir in Deutschland an, damit wir zuhause aus der Leitung trinken können. Hierzulande benutzen wir jedoch nur etwa ein Zehntel des Grundwassers und niemals mehr, als sich durch Regen neu bilden kann.

Wasserkreislauf ist ein empfindliches System

Unser Wasserkreislauf ist ein empfindliches, weltumspannendes System: Die Sonne lässt über den Ozeanen salziges Meerwasser verdunsten. Der größte Teil davon regnet über dem Meer ab, nur ein kleiner Teil kommt über den Landmassen runter. Der Regen dringt in unversiegeltem Boden – durch Ritzen oder poröse Erdschichten – bis zu wasserdichten Gesteinsmassen. Darüber sammelt sich das so gereinigte Grundwasser.

Das Problem: Diese Grundwasservorkommen sind ungleich verteilt und der Mensch lebt nicht mehr angepasst an die natürlichen Bedingungen. Wo früher Wüstenvölker von Oase zu Oase zogen, entstehen nun Golfplätze mit perfektem Grün und Monokulturen. Saudi-Arabien zum Beispiel braucht 85 Prozent seines Wassers für die Landwirtschaft und nutzt dafür nicht nur sein fossiles Grundwasser. Auch Meerwasser bereitet das öl- und gasreiche Land in großem Stil auf: Rund vier Milliarden Liter Süßwasser pro Tag gewinnt es aus Entsalzungsanlagen – und verbrennt für die Verdunstung enorme Mengen fossiler Energieträger.

Diese Methode ist nicht nur ökologischer Unfug, sondern für Schwellenländer wie Vietnam auch unbezahlbar. Wissenschaftler wie der Umwelttechnik-Professor Jan Hoinkis von der Hochschule Karlsruhe sind deswegen auf der Suche nach effizienteren Lösungen. In dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt „WaKap“ testet er zusammen mit vietnamesischen Kollegen eine kombinierte Filtermethode zur Wasserentsalzung, bei der neue Membranen zur Behandlung des Wassers weniger Energie benötigen sollen als üblich. Ressourcen spart Hoinkis auch, indem er Sonnenstrahlen nutzt, die im tropischen Vietnam reichlich zur Verfügung stehen. „Für die Landwirtschaft wäre derart aufbereitetes Wasser wegen des großen Mengenbedarfs noch viel zu teuer“, sagt der Forscher. „Gerade danach wurden wir aber ständig gefragt.“

Denn viele Brunnen in Vietnam sind für Menschen eigentlich nicht mehr verwendbar: Im Norden belastet abgeschwemmtes Mineral aus dem tibetischen Hochland das Grundwasser mit Arsen. „Teilweise fanden wir 50 Mal so viel Arsen, wie laut empfohlenem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation noch okay wäre“, erzählt Hoinkis. Und in den Küstenregionen, etwa in der wachsenden Millionenmetropole Ho Chi Minh City, dringt Salz in die Brunnen ein. „Der Klimawandel und der deswegen steigende Meeresspiegel wird diese Situation noch verschärfen“, sagt der Umwelttechnik-Experte.

Durch den Klimawandel wird es vielerorts noch weniger regnen. In anderen Regionen hingegen zu viel, sodass der Boden die Wassermassen nicht speichern kann.

Mandeln aus dem trockenen Kalifornien

Schon jetzt kommt Hoinkis viel herum mit seinen Wasserfiltern: Nicht nur in Vietnam, auch am Viktoriasee in Ostafrika oder am Mittelmeer arbeitet Hoinkis mit lokalen Kollegen an Wasserfilterung. Dort, wo extreme Klimabedingungen für bisher ungeahnte Dürreprobleme sorgen werden, und wo gleichzeitig unsere Südfrüchte oder ein Großteil der nach Deutschland importierten Schnittblumen angebaut werden. „In Deutschland ist uns das meist gar nicht bewusst, weil wir qualitativ gutes Wasser in großen Mengen haben“, sagt Hoinkis.

Dabei zehren auch wir vom Wasser in anderen Ländern – wie das Beispiel des ausgetrockneten Central Valleys zeigt. „In dieser Gegend werden 80 Prozent der weltweit angebotenen Mandeln geerntet“, erzählt die Frankfurter Hydrologin Döll. „Mandeln, die wir in Deutschland essen, wurden wahrscheinlich mit kalifornischem Wasser erzeugt.“ So schnell wird sich an diesen Zahlen nichts ändern, obwohl Mandeln für zehn Prozent des landwirtschaftlichen Wasserverbrauchs in Kalifornien verantwortlich sind. „Immerhin ist der Mandelanbau im Vergleich zum Anbau von Getreide oder Reis sehr effizient. [gt] Beim selben Wasservolumen erzielt man aufgrund der hohen Preise am Weltmarkt viel höhere Einnahmen“, sagt Wasser-Expertin Döll.

Dieses undurchsichtige Einerseits-Andererseits ist ein Problem, wenn man vor dem Regal im Supermarkt steht. „Es ist für Konsumenten nicht leicht, auf all diese Zusammenhänge zu achten“, gibt Ruth Mathews zu. Sie leitet das niederländische Water Footprint Network; die Organisation berechnet, wie viel Liter Regen- und Grundwasser in den Produkten unseres Alltags stecken. So werden zum Beispiel für eine einzige Tafel Schokolade rund 1.700 Liter Wasser benötigt – vom Anbau der Kakaopflanze bis hin zur Produktion in der Fabrik. Insgesamt verbraucht jeder Deutsche zusätzlich zu dem, was der Wasserzähler zu Hause anzeigt, noch rund 4.000 Liter pro Tag an diesem sogenannten „virtuellen Wasser“.

Was ist virtuelles Wasser genau? Wir erklären es hier:

Was ist virtuelles Wasser?

In Kalifornien hat die Regierung im vergangenen Frühjahr nun das große Wassersparen ausgerufen: Effiziente Sprinkleranlagen und zeitlich perfekt an die Pflanze angepasste Bewässerung können den Durst der endlosen Felder reduzieren, Toiletten und Rasensprenkler sollen bevorzugt mit Abwasser betrieben werden und die öffentlichen Beete zieren nach diesem Plan künftig heimische Arten, die kaum Wasser benötigen.

Ruth Mathews᾽ Organisation arbeitet genau mit solchen spät erlangten Einsichten: „Lange dachte man: Wir können so viel Grundwasser hochpumpen, wie wir wollen.“ Besonders in wasserabhängigen Zweigen – etwa im Tourismus oder in der Landwirtschaft – sei dieses kurzsichtige Verhalten aber geradezu geschäftsgefährdend. „Unternehmer wollen darum vermehrt von uns wissen, welche Risiken mit ihrem Wasserverbrauch verbunden sind und was sie ändern müssen“, sagt sie.

Bio-Baumwolle ist besser für das Grundwasser

So auch das europäische Modeunternehmen C&A: Vor fünf Jahren beauftragte der Textilriese die Organisation erstmals damit, den Wasserfußabdruck seiner Produktion zu untersuchen. Denn Kleidung herzustellen, verbraucht viel Wasser: Ein T-Shirt braucht durchschnittlich 2.500 Liter Wasser, eine Jeans mit indischer Baumwolle kommt schon auf 18.000 Liter. „Wir hatten damals nur eine ungefähre Vorstellung davon, wo wir Wasser besonders intensiv nutzten und welches Potenzial wir zur Einsparung haben“, erzählt Charline Ducas, in Belgien zuständig für die Nachhaltigkeit der Produktion.

Das Water Footprint Network untersuchte für den Konzern Baumwollfelder in Indien. „Es wurde schnell deutlich, wie viel besser Bio-Baumwolle für den Boden und somit für das Grundwasser ist“, erzählt Mathews. Denn je verdichteter ein Boden ist und je weniger organisches Material er enthält, desto schlechter kann er den Niederschlag speichern. Die biologische Landwirtschaft – mit ihren organischen Düngern oder sinnvollen Fruchtwechseln – kann hingegen dazu beitragen, den Wasserhaushalt in den Äckern zu verbessern. Heute ist C&A mit einem Anteil von 40 Prozent am Angebot der weltweit größte Einkäufer von bio-zertifizierter Baumwolle. Jedoch: „Der Markt für Bio-Baumwolle ist leider noch längst nicht so entwickelt, wie wir uns das wünschen würden“, sagt Mathews.

40 Prozent ihres Wasserfußabdrucks hinterlassen durchschnittliche Europäer in anderen Regionen der Erde, indem sie Produkte aus dem Ausland importieren.

Die Textilherstellung ist aber nicht ihre einzige Sorge. Nur zu gern würde sie die Minenbetreiber dieser Welt als Projektpartner gewinnen. Bisher hätte die Öl-, Gas- und Metall-Branche sich nämlich vor ihrer Verantwortung erfolgreich gedrückt. „In jedem Stück Plastik, jedem Handy oder Computer steckt aber Wasser, das womöglich für andere Dinge fehlt“, sagt sie. „All das, was wir so selbstverständlich benutzen, verbindet uns mit den Wasserspeichern dieser Welt.“

Interview: „Man muss nicht mit Trinkwasser spülen“

Sie halten übliche Toiletten für Verschwendung. Warum?

Hier in Deutschland finden wir es normal, sechs bis neun Liter trinkbares Wasser zu verwenden, nur um das zu transportieren, was unser Körper loswerden will. Anschließend müssen wir das Abwasser aufwendig wieder reinigen. Sinnvoll ist das nicht.

Wie könnte es denn sonst gehen?

Wir wollen beweisen, dass man nicht mit Trinkwasser spülen muss: Unsere Klos verzichten auf das Spülwasser und anders als übliche Mobiltoiletten auf Chemikalien, sondern nutzen Hobelspäne. Sie überdecken die Ausscheidungen und binden Gerüche. Nach der Kompostierung landen die enthaltenen Nährstoffe im Boden. Ein perfekt geschlossener Kreislauf.

Sollen wir also das ganze Toilettensystem unserer Städte umkrempeln?

Nein, das geht leider nicht, das wäre logistischer Wahnsinn. Aber wenn möglich, sind Komposttoiletten die bessere Alternative. Gerade in Ländern, wo immer noch viele Menschen keinen Zugang zu sanitärer Versorgung haben und Wasserknappheit herrscht.

Sie kooperieren auch mit der Initiative Viva con Aqua. Wie passt das zusammen?

Der erste Schritt zu sauberem Trinkwasser ist ja, dass man es gar nicht erst verschmutzt. Schauen Sie in die Natur: Sehen Sie da ein Reh, das im Wald extra in den Bach geht, um sich zu erleichtern? Nein, natürlich nicht.

Was passiert denn dann mit dem ganzen Festivalkot?

Weil wir immer gleich zum nächsten Festival weiterziehen, holt ein Logistiker die Biomasse ab und bringt sie zu einer Kompostieranlage. Das entstandene Humussubstrat landet dann beispielsweise auf brachliegenden Industrieflächen, die renaturiert werden.

Mehr zum Thema

  • www.waterfootprint.org
    Auf der Internetseite der Organisation findet man verlässliche Zahlen zum Wasserverbrauch für alltägliche Produkte und kann seinen Wasserfußabdruck berechnen.
  • www.bottledlifefilm.com
    Der Film „Bottled Life - Die Wahrheit über Nestlés Geschäfte mit dem Wasser“ des Schweizer Journalisten Res Gehringer setzt sich mit Wasser in Trinkflaschen auseinander.
  • www.weltwassertag.com
    Informationen zum jährlichen Tag des Wassers am 22. März.
  • www.wasserforscher.de
    Fakten zum Wasser – Nicht nur für Schüler interessant.
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