Ausgedehnte Torfmoore sind schon am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Um die Jahrtausendwende begann der Mensch, die Feuchtgebiete vor allem landwirtschaftlich zu nutzen. Einige Firmen stellten um die Jahrhundertwende Teppiche, Decken und Dekorationsstoffe aus Torf her. Die Naturwarenbranche hat die Biomasse vor kurzem wiederentdeckt. Textilien sind aber nicht das einzige, was sich aus Torf produzieren läßt.
Was ist Torf?
In feuchten Regionen wandelt sich unter bestimmten klimatischen Bedingungen die Bodenvegetation bei der Verrottung in Torf um. Während in den Flachmooren, die durch das Verlanden von Gewässern entstanden sind, Sumpfgewächse wie Schilf, Binsen und Seggen vorherrschen, dominieren in Hochmooren die Torfmoose (Sphagnumarten). Die Pflanzen haben hier keinen Kontakt mehr zum mineralischen Untergrund und ernähren sich über ihre Blätter allein von Niederschlägen. Auf Torfmoosen gedeiht auch das Scheidige Wollgras, Eriophorum vaginatum. Der Wasserreichtum der Moore hat einen Sauerstoffmangel in tieferen Schichten zur Folge und behindert so den sonst üblichen Abbau abgestorbener Pflanzenteile. Das Ergebnis ist die Vertorfung, die sozusagen eine Vorstufe bei der Umwandlung von Pflanzenresten in Kohle darstellt. Es handelt sich weder um Verwesung noch um Fäulnis, sondern um eine mikrobielle Transformation der organischen Substanz, bei der sich verschiedene Huminstoffe bilden.
Im Moor liegen Leben und Sterben dicht beeinander: Die Bleichmoose ersticken andere Pflanzen und den unteren Teil ihres eigenen Organismus im Wasser, breiten sich aber gleichzeitig mit neuen Trieben nach oben und zur Seite hin aus. Weil das Moor auf diese Weise langsam in die Höhe wächst und sich bis zu 12 Meter über seine Umgebung erheben kann, heißt es Hochmoor.
In Deutschland bedecken Moore rund vier Prozent der Landesfläche, im Norden überwiegen Hochmoore, die nicht von menschlichen Eingriffen verschont blieben. Bis 1972 gab es noch zwei Torfkraftwerke, heute wandert das Gros der jährlich gewonnenen 10 Millionen Kubikmeter Torf als Kultursubstrat an Erwerbs- (60%) und Hobbygärtner (20%), rund 15 Prozent veredelt man Thermisch zu hochwertiger Aktivkohle. Andere Verwendungsarten sind an Zahlen gemessen unbedeutend. Unberührte Hochmoore findet man bei uns wie generell in Mitteleuropa kaum noch.
Anders in Skandinavien: Vor allem in Finnland nahmen vor 1920 die Feuchtgebiete ein Drittel des Staatsgebietes ein. Obwohl dieses Areal mit Beginn der Entwässerungsmaßnahmen bis heute von zwölf auf neun Millionen Hektar schmolz, ist Torf noch immer die größte Biomassenreserve der Finnen. Die Torfindustrie beansprucht etwa 1,2 Prozent der gesamten Moorfläche, 40 Prozent der finnischen Moore sind naturbelassen. Da nur die Hälfte der jährlich nachwachsenden Biomasse wirtschaftlich genutzt wird und man mit einer Zuwachsrate von 3,6 Prozent in den nächsten 100 Jahren rechnet, scheinen die Ressourcen in naher Zukunft nicht bedroht. Die größte Gefahr geht wohl vom Straßenbau aus.
Wie wird Torf gewonnen?
Fremdstoffe werden bei der Torfgewinnung nicht eingesetzt. Auch sollen sich die Felder langfristig wieder in natürliche Moore zurückverwandeln lassen. Nach Angaben von Torfverarbeitern sind lediglich fünf bis sechs Prozent des finnischen Moorbodens für eine rentable Torfgewinnung geeignet. Zahlen, die das ökologische Gewissen zunächst beruhigen.
Torf bedeutet eigentlich Rasenstück, leicht abzuleiten vom englischen Wort "turf". Die indogermanische Sprachwurzel (das "Abgestochene, Losgelöste") weist auch auf seine Verwendung hin. Die konzentriert sich heute vorwiegend auf die Energieerzeugung (Wärme und Strom) und nur in geringen Ausmaß auf die landwirtschaftliche Nutzung, wo Torf als Kultursubstrat begehrt ist. Früher wurde Torf von Hand gestochen, inzwischen nehmen Fräßmaschinen dem Menschen diese schwere Arbeit ab. Die feuchte Erde mit pflanzlichen Verwesungsprodukten - darunter finden sich zum Beispiel Salze, Säuren, Schwefel, Bitumen und östrogenähnliche Hormone, wird an der Luft getrocknet und später bei Bedarf gesiebt.
Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten
Textilien lassen sich nur aus dem groben, faserhaltigen Material herstellen. Traditionell wurde Torf auch als Brennstoff verwendet, als Koks für die Metallurgie oder als Heizgas in Glashütten, Brauereien und Salinen. Schwach zersetzte, helle Torfsorten werden zu Torfmull verarbeitet, der auch heute noch häufiger als Einstreu in der Viehwirtschaft, besonders in Pferdeställen dient. Da er antiseptisch wirkt, läßt sich so eventuellen Entzündungen vorbeugen. Weitere Anwendungsmöglichkeiten: Als Verpackung zur Frischhaltung von Lebensmitteln, Isoliermaterial im Bauwesen oder Filterstoff für technische Zwecke. Es wäre auch denkbar, aus Torf wie aus jeder anderen Biomasse Chemikalien und Futter zu gewinnen, doch spielen diese Varianten in der Praxis kaum eine Rolle.
Ein mühsamer Weg bis zum spinnbaren Material
In der Bioszene erlebt Torf als natürlicher Rohstoff zur Textilproduktion seit ein paar Jahren eine bescheidene Renaissance. Der Gedanke, gesunde Kleidung aus Torf zu fertigen, ist nicht neu. Bereits vor der Jahrhundertwende waren drei Verfahren bekannt, aus den vertorften Fasern des Wollgrases ein spinn- und webbares Material herzustellen. Die auf rein mechanischem Wege gewonnene "Beraudine" war hart, brüchig und nicht färbbar, weshalb der Absatz bald stagnierte.
Wenig Erfolg hatte auch die Wiener Firma Zschörner, die aus den ebenfalls chemisch unveränderten Fasern Teppiche, Decken und Dekorationsstoffe fabrizierte. Die "Torfwolle" des Düsseldorfer Tuchmachers Carl Geige war zwar dank Laugen- und Säurenbehandlung erheblich weicher und mit anderen Gespinsten gut zu verarbeiten, konnte sich aber dennoch nicht durchsetzen. Während des ersten Weltkrieges, als Deutschland von der Baumwoll- und Wollzufuhr abgeschnitten war, hielt das Kriegsministerium die Moorbevölkerung an, Wollgrasfasern zu sammeln und versuchte die Produktion von Pferdedecken und Mänteln anzukurbeln. Auch diese Initiative schlief bald wieder ein und die Torffaser geriet für lange Zeit in Vergessenheit.
Ähnlich erging es dem Anthroposophen Rudolf Steiner, der 1920 begann, sich mit der Torffaser zu beschäftigen, und Ideen zu ihrer Veredelung vortrug. Doch das zum gleichen Zwecke gegründete Forschungsinstitut stellte mit Steiners Tod 1925 seine Experimente ein. Exakt 45 Jahre später griff Johannes Kloss das Thema wieder auf, angeregt durch Rudolf Hauschkas Ausführungen über die heilende Wirkung von Torf.
Kloss versuchte, die brüchige Faser auf vielerlei Weisen geschmeidig zu machen, mit Lösungen aus Malvenschleim, Antimon und Lärchenharz ebenso wie mit Ozon. Erst die Mischung mit Wolle ergab schließlich ein brauchbares Gewebe. Auch mußten spezielle Maschinen entwickelt werden, um aus dem Rohtorf die langen Fasern herauszufiltern, die man zum Spinnen benötigt. Von der Umrüstung der Spinn- und Webanlagen für die Weiterverarbeitung ganz zu schweigen. Trotz enormer Anstrengungen, aus sechs Kubikmetern Ausgangsmaterial 60 Kilo Fasern zu lösen, schien sich der Aufwand zu lohnen. Warum?
Torfkleidung: Therapeutische Hülle für die menschliche Haut
Die Torffaser besteht im wesentlichen aus den Blattscheiden des Wollgrases, das im Torf in strähnigen Büscheln ("Locken") vorkommt. Da die Faser aus einer Tiefe von 50 bis 300 Zentimetern entnommen wird, ist sie Jahrhunderte bis Jahrtausende alt und von Verunreinigungen durch Umweltgifte weitgehend unberührt. Aufgrund ihres hohen Huminsäuregehalts kann sie Ausscheidungsprodukte des Körpers wie Schweiß, Salze, Giftstoffe und Gerüche neutralisieren und kurzwellige, energiereiche Strahlung in langwellige Wärmestrahlung umwandeln. Der Reichtum an Kieselsäure erinnert an grundlegende Eigenschaften der menschlichen Haut und soll die Torffaser für den Gebrauch als schützende Kleidungshülle geradezu prädestinieren. Ob sie Radioaktivität abschirmt, wie manchmal behauptet, ist indes fraglich. Unzweifelhaft sind jedoch Atmungsaktivität, Feuchtetransportfähigkeit und geringe elektrostatische Aufladung. Da Torf als aktiv wärmend empfunden wird, bringt er die periphere Durchblutung sowie den gesamten Kreislauf in Schwung.
"Pflanzliche Fasern eignen sich (…) nicht besonders für hautnahe Bekleidung, weil sie dem Körper Wärme entziehen", schreibt Ruth Erne, die in der Schweiz ein Atelier für das Spinnen, Weben und Färben von Torffasern betreibt. Einzig das Wollgras nimmt sie von der skeptischen Bewertung aus. Es wird mit pflanzengefärbter Seide oder Wolle kombiniert und kunsthandwerklich verarbeitet. Erne bezeichnet diese Methode selbst als "in einem gewissen Sinne luxuriös", denn ihre Erzeugnisse sind nicht gerade billig. "Torffasertextilien sind therapeutische Produkte und keine Modeware", sagt Erne. Eine Einschätzung, der sich auch Beate Schliehe vom deutschen Verein Tuvstarr anschließt. Er verdankt seinen Namen einer kleinen Prinzessin aus einem nordischen Märchen und war 1993 gegründet worden, um diejenigen, die die Torffaser nach geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten verarbeiten, zu unterstützen und den Austausch mit den Konsumenten zu fördern. In der Tatsache, daß die Torffaser "als textiler Rohstoff in Mode kommt", sieht Schliehe aber auch eine Gefahr. Der Schutz der Landschaftsform Moor dürfe nicht darunter leiden. Auch hält sie es - mit Blick auf die Torfindustrie - für "fraglich, einer Faser, die mit immensem maschinellem Aufwand gewonnen und verarbeitet wird und ein kaputtes Landschaftsbild hinterläßt, therapeutische Wirkungen zuzuschreiben". Ihre Alternative: die Fasern mit geringen Hilfsmitteln wie Spaten aus den Gräben ernten, die die Moore eingrenzen. Nach dem Reinigen mit qualitativ gutem Wasser sollte auch die folgende Behandlung so schonend wie möglich sein. "Dadurch, daß die Faser immer wieder von der menschlichen Hand geformt wird, verändern sich ihre Kräfte." Eine zweite Möglichkeit sei die Veredelung der maschinell geernteten Faser, wie sie Ruth Erne praktiziere. Schliehe beantwortet die Frage nach dem Schutz vor radioaktiver Strahlung durch Torfkleidung mit einem "ganz klaren Nein, das schafft auch der Torf nicht". Ob die Faser gegen Erdstrahlen hilft, müsse man individuell ausprobieren, Rutengänger jedenfalls bestätigen dies. Auch eine Verringerung der Belastung durch technisch erzeugte Strahlungsfelder scheint physikalisch nachweisbar.
Textilangebote kommen aus Finnland und Schweden
In Deutschland ist es gegenwärtig schwierig, als Verbraucher an Torftextilien zu kommen. Nur wenige Naturwarenabieter wie Rintelen oder Kirschke haben Torfprodukte ausländischer Hersteller im Sortiment. Der Vyana Naturheilversand in Sinsheim hat mangels Nachfrage seine Tätigkeit eingestellt, so daß Interessenten auf ausländische Hersteller angewiesen sind. Das Unter- Ü
Ü nehmen Älma Torvtextil von Johannes Kloss in Schweden liefert Torfwollgarne, -stoffe, -decken und diverse Bettsachen wie Kissen, Steppdecken, Unterbetten und Schlafsäcke. Als Füllung nimmt man ein kardiertes Vlies mit 60 Prozent Torffaser- und 40 Prozent Schurwollanteil, beides naturbelassen. Neu im Programm sind Trikotstoffe. Kloss tüftelt derzeit an einer Weste, die Strahlungsfelder abschirmt und möchte diese gern zur Serienreife bringen. Für die vielen Menschen, die täglich vor dem Computer sitzen, womöglich eine wertvolle Hilfe.
In Finnland beheimatet ist die noch junge Firma Kultaturve Oy, für die Jaana Goman von Nordlicht den Vertrieb in Mitteleuropa übernommen hat. Kultaturve heißt übersetzt Goldtorf, der Rohstoff fällt als Nebenprodukt der finnischen Torfindustrie an und wird nur mechanisch gereinigt und nicht weiter vorbehandelt. Der dabei entstehende "Abfall" wird durch Kompostieren entsorgt. Das Angebot von Kultaturve Oy umfaßt "Textilien in schönem Design" für Damen und Herren, außerdem Bettwaren, Garne, Einlegsohlen, Hüte Hausschuhe, Buchmappen, Teddybären und eine wachsende Auswahl an Meterware. Eine befreundete Firma hat erstmals Torffasern für ihre Kinderkollektion verwendet. Bleibt festzustellen, daß alle auf dem Markt befindlichen Torftextilien aus einem Mischgewebe (Wolle Baumwolle, Leinen, Seide oder Hanf) gefertigt sind, weil ein Kleidungsstück aus 100 Prozent Torf weder reißfest genug wäre noch befriedigende Trageigenschaften besäße.
Manchmal findet man Torfeinlagen auch in Matratzen, zum Beispiel bei der Sembella Liegekomfort GmbH, die die Faser zu Platten versteppt und in ihre Naturkautschuk-Erzeugnisse einarbeitet. Wer es lieber etwas wärmer mag, greift gerne auf Torf-Matratzen zurück.
Auch bei Hess, dem größten Versandhaus für Naturtextilien, wurde über die Qualitäten der Torffaser intern diskutiert. Anfängliche Bedenken ließen sich zwar zerstreuen, doch konnte man sich - abgesehen von einer vorübergehend gelisteten Torfmütze - nicht zu weiteren Engagement in Sachen Torfkleidung entschließen. Im Moment, so die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Ute auf der Brücken, passe die "durchaus interessante Faser" nicht in die Produktpolitik des Unternehmens. Die Zielgruppe für Torftextilien sei sehr klein und vom Erscheinungsbild her eigne sich Torf kaum für elegante Kleidungsstücke wie Blusen oder Pullover. Daß sich an dieser Haltung künftig etwas ändern wird, sei aber nicht grundsätzlich auszuschließen.
Wertvolle Medizin vor allem bei Frauenleiden und Rheuma
Die Einsatzmöglichkeiten von Torf sind so vielfältig, daß sich kaum alle aufzählen lassen. Papierherstellung, Ölbekämpfung und Hausbau (in Kombination mit Lehm) wären noch einige weitere. Von herausragender Bedeutung ist Torf jedoch seit jeher in der Medizin. Torfwatte und Torfpuder sind zwar nicht mehr so populär wie früher, Moorbreibäder und Moorpackungen aber umso mehr. Drei Millionen Anwendungen in deutschen Kureinrichtungen sprechen für sich. Der Badetorf enthält im Gegensatz zur Textilfaser kaum noch gröbere Wollgrasanteile, sondern wird als feines Pulver mit viel Feuchtigkeit aufgeschlämmt. Hauptindikationsgebiet sind rheumatische Erkrankungen, Muskel- und Gelenkentzündungen. Aber auch in der Frauenheilkunde haben sich Moorkuren bewährt. Magen- und Darmkranke fühlen sich nach Moortrinkkuren meist besser. Offene Wunden heilen schneller, was am sauren pH-Wert des Moorwassers liegen dürfte. Da Moorbäder stark kreislaufwirksam sind, sollte man sie nur unter ärztlicher Kontrolle nehmen. Die Moorlaugen und -salze für den Einsatz im Privathaushalt sind längst nicht so effektiv wie der natürliche Torfbrei.
In einigen deutschen Bädern wie Bad Pyrmont hat man beste Erfahrungen mit Moorbehandlungen bei ungewollter Sterilität gemacht. Die Erfolgsquote beträgt fast 50 Prozent. Ganz auf die heilenden Kräfte aus dem Moor konzentriert sich auch das österreichische Heilbad Neydharting am Eingang zum Salzkammergut. Das Moor liegt direkt vor der eigenen Türe, so daß für frischen Nachschub ständig gesorgt ist. Im Zentrum der Therapie stehen Bäder und Teilpackungen, Naturkosmetika wie Haarwasser, Salben und Shampoos ergänzen das vielfältige Sortiment.
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