Umwelt

Tierversuche für China

Wer in China Kosmetik verkaufen will, muss diese an Tieren testen lassen. Einige Naturkosmetikhersteller ziehen sich deshalb aus China zurück. Das Geschäft machen andere.

Bisher sind nur Israel und Indien dem europäischen Beispiel gefolgt und haben Tierversuche für Kosmetik verboten. In den meisten anderen Ländern, darunter die USA, sind sie noch erlaubt, aber nicht vorgeschrieben. Pflicht hingegen sind sie in China. Wer dort Kosmetika auf den Markt bringen will, muss die Produkte registrieren lassen. Für diese Registrierung verlangt die zuständige Behörde CDFA Tierversuche.

Das war schon immer so – nur war es anscheinend nicht jedem bewusst. Doch in den letzten Jahren haben Tierrechtsorganisationen – inspiriert vom Tierversuchsverbot der EU – weltweit neue Kampagnen für tierversuchsfreie Kosmetik gestartet. Dabei geriet zunehmend China ins Blickfeld und viele Hersteller wurden von ihren Kunden gefragt: Wie haltet ihr es mit China? Die Antworten ließen sich so zusammenfassen: Wir führen erstens keine Tierversuche durch und zweitens ist das mit den Tierversuchen in China gar nicht so sicher. „Die Gesetzestexte lassen Tierversuche zu. Aber es gibt keine Bestätigung für die Durchführung von Tierversuchen in China“, schrieb ein großer Naturkosmetikhersteller noch im November 2013.

Auf Beteuerung verlassen

Für dieses Nichtwissen gibt es einen möglichen Grund. Für die meisten Hersteller ist China ein so exotischer Markt, dass sie mit Handelspartnern zusammenarbeiten, die sich in China auskennen. Dieser Partner bekommt die exklusiven Vertriebsrechte, kümmert sich um alle Formalien vor Ort und bestellt – wenn er erfolgreich ist – Nachschub bei der Zentrale. Wollte ein Hersteller – wegen Kundenanfragen – wissen, wie es denn mit Tierversuchen in China bestellt sei, fragte er seinen Partner, der sich um die Produktregistrierung gekümmert hatte. Die Antworten waren „asiatisch“: höflich, ausweichend und ungenau.

Niemand wollte sein Gesicht verlieren und zugeben, dass er Tierversuche billigend in Kauf genommen oder sogar in Auftrag gegeben hatte. Klarheit brachten letztendlich Recherchen von Tierrechtsorganisationen: Tests an Tieren sind vorgeschrieben. Ihre Schlussfolgerung: Kosmetikhersteller, die Tierschutz ernst nehmen, gefährden mit Exporten nach China ihre Glaubwürdigkeit.

Bis Ende November 2013 war Kosmetik für China dennoch ein Insiderthema, das vor allem auf Veganer-Blogs und Tierrechts-Seiten diskutiert wurde. Dann kam Logocos (siehe Kasten). Der Naturkosmetikhersteller erklärte, dass er sich mit seinen Marken Logona und Sante vom chinesischen Markt zurückziehe, obwohl er damit auf Millionenumsätze verzichte. Ethik geht vor Geschäft, lautete die Botschaft.

Verband droht mit Entzug der Zertifizierung

Das Medienecho war groß. Zwei Wochen später verkündete der Herstellerverband BDIH, dass Exporte nach China den Standards für sein Siegel „kontrollierte Naturkosmetik“ widersprechen. Er stellte fest, dass „in der Volksrepublik China in der Regel bei der staatlichen Registrierung von kosmetischen Mitteln Tierversuche im Rahmen der Sicherheitsprüfung durchgeführt werden.“ Weil der BDIH-Standard Tierversuche verbiete, gefährde ein Export nach China die Zertifizierung des Produkts. Das gelte auch dann, wenn ein Hersteller oder sein Vertriebspartner „zwar selbst keinen unmittelbaren Auftrag zur Durchführung von Tierversuchen erteilt, jedoch die Registrierung kosmetischer Mittel bei den chinesischen Behörden veranlasst und damit die daraufhin notwendigen Tierversuche in Kauf nimmt.“ Bis Mitte Januar 2014 mussten die betroffenen Hersteller nachweisen, dass sie „alle Maßnahmen ergriffen haben, um die Vermarktung betroffener Erzeugnisse in der VR China unverzüglich einzustellen.“

Von den rund 180 Logo-Nutzern seien nur eine Hand voll betroffen

gewesen, erklärt BDIH-Geschäftsführer Harald Dittmar. Die meisten von ihnen würden sich voraussichtlich aus China zurückziehen. „Insgesamt wurde unser Schritt als konsequent angesehen und positiv kommentiert.“

Bio-Firmen reagieren

Nur zwei Tage nach der BDIH-Mitteilung erklärte Lavera: „Wir werden den Export nach China solange einstellen, bis wir sicher sind, dass die Tierversuchsfreiheit in China garantiert ist.“ Ihr bisheriges Engagement in China begründete die Marke damit, dass jeder Mensch weltweit die Möglichkeit haben solle, sich natürlich zu pflegen – auch in China. Weleda teilte mit, man verkaufe inzwischen in China nur noch Seifen und Zahnpflege, weil diese Produkte auch ohne Tierversuche registriert würden. Die Wala Heilmittel GmbH wirbt in China für ihre Marke Dr. Hauschka. Doch kaufen können sie die Chinesen nur über einen Webshop, der in Hongkong sitzt. Dort gelten andere Bestimmungen ohne verpflichtende Tierversuche (siehe Kasten Seite 90).

Schrot&Korn hat auch bei anderen bekannten Anbietern von Naturkosmetik nachgefragt. Martina Gebhardt, Primavera und Santaverde erklärten, dass sie ihre Produkte wegen der bekannten Tierversuchsproblematik bewusst nicht nach China exportiert hätten. Melvita verkauft nur in Hongkong, Tautropfen und Aquabio, die beide seit 2013 chinesischen Firmen gehören, haben nicht geantwortet.

Die Reformhausmarke Börlind teilte mit, dass fünf ihrer Produkte in China registriert seien und bezweifelt weiterhin, dass Tierversuche verpflichtend vorgeschrieben seien. Der Hersteller Kneipp schrieb, seine Naturkosmetikmarke Cattier sei nicht in China registriert. Auch neue Kneipp-Produkte werde man nicht mehr nach China exportieren. Die bereits registrierten fast 90 Produkte würden jedoch weiterhin dort vertrieben.

Auch die zweite große Naturkosmetik-organisation Natrue vergibt ihr Siegel nicht mehr an Produkte, die für China an Tieren getestet wurden. Das französische Ecocert-Siegel verlangt lediglich, dass die EU-Vorgaben eingehalten werden, sagt aber nichts über Chinaexporte aus.

Konventionelle Marken setzen weiter auf China

Auch konventionelle Kosmetikmarken müssen für ihre Chinaexporte Tierversuche durchführen lassen. Einige wenige Marken, die auch mit ihrem Engagement für den Tierschutz werben, wie Lush oder The Body Shop, halten sich vom chinesischen Festland fern und vertreiben ihre Produkte nur in Hongkong. Die meisten großen Kosmetikhersteller jedoch verkaufen insbesondere ihre Luxusmarken in China. Schließlich gaben die Chinesen 2012 rund 21 Milliarden Euro für Kosmetik aus und der Markt wächst jährlich um 20 Prozent. Internationale Tierrechtsorganisationen wie Peta, Cruelty Free International oder HSI (Humane Society International) haben in den letzten Jahren deshalb zahlreichen Marken ihre Siegel entzogen oder sie von ihren Empfehlungslisten gestrichen.

Die internationale Diskussion wirkt sich auch in China selbst aus. Die zuständige Behörde kündigte an, dass ab Juni 2014 heimische Hersteller für gewöhnliche Kosmetik wie Lotionen oder Shampoos keine Toxizitätstests am Tier mehr durchführen müssen – wenn sie denn in der Lage sind, die Sicherheit ihrer Zutaten anderweitig nachzuweisen.

Unternehmen, die ihre Kosmetik selbst herstellen und nach China einführen wollen, hilft das erst einmal nicht weiter. Sie müssten sich einen chinesischen Partner für die Herstellung ihrer Produkte suchen. Dennoch zeigt der Schritt der chinesischen Behörde: Der internationale Druck wirkt allmählich – zum Wohl der Tiere.

Wala GmbH

„Wir haben seit unserem Markteintritt 1967 nie Tierversuche für Dr. Hauschka-Produkte durchführen lassen“, sagt Pressesprecherin Inka Bihler-Schwarz. „Und das werden wir auch für den chinesischen Markt nicht tun.“

Die Chinesen wollten Dr. Hauschka. „Auf der Online-Plattform Taobao.com, dem chinesischen Ebay, boten Privatpersonen Dr. Hauschka-Produkte an“, berichtet Inka Bihler-Schwarz. Zusammen mit einer Beratungsagentur stellte sich Dr. Hauschka der Aufgabe, „das zunehmende Interesse seitens des chinesischen Marktes“ zu befriedigen und gleichzeitig den eigenen Grundsätzen treu zu bleiben. Die schließlich gefundene Lösung beruht darauf, dass Kosmetikprodukte nur dann für den chinesischen Markt registriert und damit an Tieren getestet werden müssen, wenn sie dort in Geschäften vertrieben werden. Deshalb können die Chinesen die Produkte auch nicht in Geschäften kaufen, sondern nur über einen Webshop, der in eine chinesische Dr. Hauschka-Webseite integriert ist. Betrieben wird der Shop von Hongkong aus. Dort befindet sich auch das Lager. „In Hongkong gelten andere gesetzliche Bestimmungen, die keine Tierversuche vorschreiben“, sagt Inka Bihler-Schwarz. Das liegt an dem Sonderstatus, den die Stadt genießt, seit sie 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben wurde.

Logocos AG

„Wenn Tierrechte so verletzt werden, gibt es für uns keine Alternative“, sagt Ulrich Grieshaber. Im Sommer 2013 hat er Logocos übernommen – und mit dem Ausstieg aus dem chinesischen Markt ein Zeichen gesetzt.

Seit 2008 war Logocos mit seinen Marken Logona, später auch mit Sante und Heliotrop in China präsent. In alten Stellungnahmen begründete das Unternehmen dies damit, dass man Veränderungen nur vor Ort erreichen könne. Zudem erschien die Tierversuchsproblematik in China nicht als so drängend. „Uns gegenüber ist das lange als Kann-Bestimmung kommuniziert worden“, sagt Grieshaber. Als er von den chinesischen Handelspartnern verbindliche Bestätigungen haben wollte, dass sie keine Tierversuche in Auftrag geben, seien nur unverbindliche Antworten gekommen. Gleichzeitig zeigten eigene Recherchen sowie die von Tierversuchsgegnern, dass die chinesischen Behörden tatsächlich Tierversuche fordern. Der Firmenchef beschloss, sich aus China zurückzuziehen. „Auch wenn es sich aus wirtschaftlicher Sicht um einen großen Schritt für uns als mittelständisches Unternehmen handelt. Mittelfristig wird uns am Ende wohl ein zweistelliger Millionenbetrag beim Umsatz fehlen.“ Seit dem Ausstieg arbeitet Logocos eng mit der Tierrechtsorganisation Peta zusammen, um Mitbewerber zum Rückzug aus China zu bewegen.

Tierversuche in Europa

In der EU sind Tierversuche für Kosmetik verboten – im Prinzip. Denn es gibt eine große Lücke.

Das Verbot gilt nur für Zutaten, die eigens für Kosmetika entwickelt wurden. Und das sind nur wenige. Auch Haushaltsreiniger oder Waschmittel enthalten Tenside, Duft- oder Farbstoffe. Neue Substanzen für solche Produkte durchlaufen die für Chemikalien üblichen Sicherheitstests und werden danach auch für Kosmetika verwendet. Die international anerkannten Vorgaben für diese Tests kommen von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie schreibt immer noch viele Tierversuche vor – obwohl es alternative Testmethoden gibt. Doch bevor die OECD die Alternativen anerkennt, müssen diese ein zehn bis 15 Jahre dauerndes bürokratisches Hindernisrennen absolvieren. „Da werden extreme Hürden aufgebaut und aufwendige Nachweise gefordert, die kein Tierversuch je erbringen musste“, ärgert sich Silke Bitz, Sprecherin der Organisation Ärzte gegen Tierversuche (mehr zum Thema im Interview auf veganundbio.de/interview).

Auch viele längst bekannte Chemikalien müssen noch einmal getestet werden. Die europäische Chemikalienverordnung REACH sieht vor, dass Hersteller ihre alten Chemikalien registrieren lassen und dabei Daten zur Giftigkeit und Gefährlichkeit vorlegen. Wo die fehlen, müssen neue Tests gemacht werden – auch an Tieren. Dafür müssen in den nächsten Jahren zwischen acht und 54 Millionen Tiere sterben, befürchten Tierschutzorganisationen. Einige auch für alte Rohstoffe, die in Kosmetika eingesetzt werden.

Die Sicherheit solcher alten Chemikalien in Kosmetika bewertet zusätzlich ein eigens dafür zuständiges Expertengremium der EU. Es verlangt ebenfalls immer wieder Tierversuche. So starben in den letzten Jahren zahlreiche Mäuse und Ratten in Sicherheitsstudien für synthetische Haarfarben.

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