Umwelt

Streit über Schweinefutter

Bauern wollen unerlaubtes Soja dulden. BUND: Genug gentechnik-freie Ware wäre beschaffbar.


Der Engpass hängt mit der Selbstbeschränkung der EU beim Anbau von eiweißhaltigen Pflanzen zusammen, auch mit der BSE-Krise, wonach Tierabfälle nicht mehr im Trog landen dürfen, hauptsächlich aber mit Zulassungsproblemen gentechnisch veränderter Soja-Saaten.

Verschleiert: Gentech verfüttert

Sojabohnen lassen sich in Europa kaum anbauen. Doch die Ware aus Übersee, vor allem aus Brasilien, Argentinien und in kleineren Mengen aus den USA, ist oft gentechnisch verändert. Das ärgert Umwelt- und Verbraucherschützer, zumal die Bauern, auf deren Futtersäcken eine gentechnische Herkunft vermerkt ist, diese Form der Fütterung verschleiern dürfen: Schnitzel, Würstchen, Käse und Milch ist das Genfutter nicht anzusehen. Es steht nicht drauf.

Ausgeliefert

Die Konsumenten von konventionellem Schweinefleisch können Fleisch- und Wurstwaren nicht grundsätzlich ansehen, ob gentechnisch verändertes Futter gefüttert wurde. Geht es nach dem Willen deutscher Schweinebauern, sollen die Schranken für Gen-Sojafutter fallen.

Von 2009 an droht ein Mangel bei der Versorgung aus Übersee, der, befürchtet Fischer Boel, zu Preissteigerungen und sogar der Abwanderung eines Teils der Fleischproduktion führen könne. Der Grund: Gensoja der ersten Generation soll durch eine neue Laborsaat ersetzt werden, die, so der Sprecher des Saatgutmultis Monsanto, Andreas Thierfelder, einen deutlich höheren Ertrag brächte.

Weitere, in der Planung befindliche Produkte sollen nicht nur unempfindlich gegen das Unkrautvernichtungsmittel Round-up sein, sondern zugleich auch Insektengifte produzieren. All diesen Saaten ist eines gemein: Ihnen fehlt in der EU die Zulassung.

Ohnehin haben die Saatguthersteller ein Problem: Erste Unkräuter halten der Giftdusche mit dem Wirkstoff Glyphosat inzwischen Stand. Sie haben Resistenzen gegen das Herbizid gebildet. Thierfelder spricht von zwei bis drei Arten. Damit aber, sagt der Gentechnikexperte von Greenpeace, Christoph Then, „verliert die Idee ihre Basis“. Denn die Bauern müssen nicht weniger spritzen, was ihnen einst versprochen wurde, sondern mehr. So rät Monsanto heute, neben Round-up im Zweifel weitere Spritzmittel einzusetzen.

Auch wenn die neue Bohne dieses Problem zunächst nicht lösen dürfte: Die Saatgutindustrie drängt darauf, dass die neue Saat auf die US-Felder kommt, und zwar von 2008 an – und löst damit in der Europäischen Union massive Probleme aus. Denn die Hauptlieferländer der EU, Argentinien (Anteil von gentechnisch verändertem Soja: 98 Prozent) und Brasilien (nur 40 Prozent) sollen folgen, die Anträge sind laut Monsanto gestellt.

Vermischung droht

Die EU hofft, dass beide Länder wegen der fehlenden Zulassung hierzulande vorerst zurückhaltend mit der Genehmigung umgehen. Geschieht das nicht, könnten Lieferungen aus Übersee mit illegalen Bohnen vermischt werden. Dann droht die Wiederholung eines Vorfalls vom April: Damals hatten Aktivisten von Greenpeace im Hafen von Rotterdam eine Ladung mit dem in der EU damals nicht zugelassenen Mais der Sorte Herculex entdeckt. Der Transport ging zurück. Damit das beim Gensoja nicht passiert, erheben Bauernverband, der Verband der Vieh- und Fleischwirtschaft sowie die Interessengemeinschaft der Schweinehalter drastische Forderungen: Sie verlangen nicht nur die beschleunigte Zu-

lassung neuer Gensojasorten und damit den „Zugang zu den Futtermitteln auf den Weltmärkten“. Sie fordern darüber hinaus auch gleich den Wegfall der „Nulltoleranz“ für Genfuttermittel, die in der EU nicht zugelassen sind. Im Klartext: Enthält Übersee-Soja bis zu einer nicht weiter definierten „technisch erfüllbaren Toleranzgrenze“ unerlaubte gentechnisch veränderte Organismen, sollen die Bohnen dennoch verfüttert werden dürfen, egal ob das Produkt jemals eine Erlaubnis zum Füttern bekommen würde oder – etwa aus gesundheitlichen Gründen – nicht.

Futter ohne Gentechnik möglich

Die Forderungen der Bauern nach einem Wegfall der Hürden für Gensoja erzürnt Futtermittelhersteller wie Josef Feilmeier: Solche Stoffe „haben im Futter nichts zu suchen“, es bestehe ein Gesundheitsrisiko, sagt der Bayer. Marktanalysen bestätigten, dass aus Brasilien jährlich 35 Millionen Tonnen gentechnikfreies Soja nach Europa verschifft werden könnte. Das ist mehr, als heute in der EU verfüttert wird. Auch BUND-Bundesvorsitzender Hubert Weiger ist sicher, dass der Engpass nicht entstehen muss: „Wenn man es will, lässt sich genügend gentechnikfreies Soja beschaffen“.

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