Der Duft des Speik
"Hallo, Mitch“, sagt Wikhart Teuffel und krault dem Pferd die Mähne. In seiner Freizeit schwingt sich der Chef des Traditionsunternehmens Walter Rau Speickwerk gern auf Mitchs Rücken und erkundet die Natur. Tierarzt – dieser Beruf hätte auch zu dem sportlichen Unternehmer gepasst. Doch vier Generationen Familientradition verpflichten, schon Teuffels Urgroßvater war Seifenfabrikant. Also studierte der 1,92-Meter-Mann statt Tiermedizin Betriebswirtschaft und trat in den 80er Jahren die Nachfolge von Großvater Walter Rau und seinem Vater an.
Firmengründer Rau hatte das Unternehmen in den 20er Jahren mit Speik-Seife bekannt gemacht. „Großvater wollte Pflanzenwirkstoffe über die Seife auf die Haut bringen“, sagt Wikhart Teuffel. Walter Rau hatte sich mit Homöopathie beschäftigt und glaubte an die feinstoffliche Wirkung kleinster Mengen. Für ihn war die Speik-Pflanze (ihren Namen schreibt man mit „k“, den Markennamen dagegen mit „ck“) wegen ihrer Nerven stärkenden Wirkung und ihrem herb-würzigen Duft interessant. Das Kraut wächst nur in den österreichischen Alpen. Kärntner Bergbauern machten mit dem Pflänzchen jahrhundertelang Geschäfte, die Kontakte reichten bis in den vorderen Orient.
Exklusiv-Rechte -für geschützte Pflanze
Bringt die EU die Naturkosmetik in Gefahr?
„Und das alles ist jetzt in Gefahr“, sagt Teuffel kopfschüttelnd. Denn eine neue EU-Richtlinie stellt die Verwendung von ätherischen Ölen in Frage. Hintergrund: Seit Jahren beobachten Ärzte mehr Allergien auf Duftstoffe. Experten haben 26 Duftbestandteile mit Allergierisiko ausgemacht, die auch in wertvollen ätherischen Ölen vorkommen. Die Richtlinie plant zum Schutz von Allergikern, dass Produkte, in denen die verdächtigen Duftstoffe vorkommen, einen Warnhinweis tragen sollen. „Das ist doch absurd“, schimpft Teuffel, „die komplexe Zusammenstellung eines Naturprodukts kann man doch nicht mit einer einzelnen, aus dem Ganzen herausgelösten Substanz vergleichen. Bei der geringen Menge von ätherischen Ölen, die in Pflegeprodukten eingesetzt wird, handelt es sich doch um homöopathische Dosen.“ Ätherische Öle seien außerdem seit Jahrhunderten bewährt, erklärt er. Und: „In 75 Jahren hat es bei Speick-Produkten noch nie Probleme mit dem Thema Allergien oder Hautkrankheiten gegeben“.
Wenn die Richtlinie verabschiedet wird, können Naturkosmetikhersteller künftig nur noch Neutralserien ohne Düfte produzieren. Zurzeit laufen verschiedene Studien, initiiert von Naturkosmetikherstellern und dem Verband BDIH, die die Unbedenklichkeit beweisen sollen. Erste Ergebnisse liegen vor: Eine Studie der Firma Wala belegt, dass fast alle Menschen, die auf synthetische Duftstoffe allergisch reagieren, natürliche ätherische Parfümmischungen gut vertragen.
Deshalb lässt man sich auch bei Speick nicht beirren. Die Produktion von Speik-Extrakt im Möhringer Stammhaus läuft genauso wie in den vergangenen 75 Jahren. „Die Pflanzen bleiben zwei Wochen in einer Mischung aus Glycerin und Alkohol“, erklärt Produkt-entwicklerin Susanne Gans und zeigt auf einen Glasballon mit einer dunkelbraunen Flüssigkeit. Aus dem Flaschenhals tropft beständig eine whiskeyfarbene Flüssigkeit, 20 Tropfen duftender Extrakt in einer Minute.
Im vier Kilometer entfernten Zweigwerk in Leinfelden kommt der Extrakt dann nach alter Manier in die Rohseife. Verfeinert wird sie außerdem mit rückfettenden Substanzen, wertgebenden Ölen und ätherischen Düften.
Zurück zum Möhringer Stammwerk: Hier konzentrieren sich derweil zwei Mitarbeiter auf die Herstellung eines Klassikers aus der Speick-Linie: Rasiercreme. Es riecht nach großer Wäsche, die Luft ist feucht-warm. Im Edelstahlcontainer verbindet sich gerade Kalilauge mit Fett zu einer zähen Seifenmasse. Nach stundenlangem Kneten kommen Speik-Extrakt und Duftessenzen dazu, die genaue Zusammensetzung bleibt geheim. Nochmals stundenlanges Kneten, dann kommt die Creme ins Lager, acht Wochen reift sie dort. Dabei bekommt sie ihren Perlglanz. Benetzt man die fertige Paste mit Wasser und rührt sie mit einem Rasierpinsel kräftig auf, entwickelt sich dichter Schaum, es duftet nach ätherischen Ölen. „So soll es auch die nächsten 100 Jahre bleiben“, strahlt Teuffel.
Phytokosma: Kieselsäure aus dem Taunus
Neben der Traditionsmarke Speick produziert das Unternehmen ausschließlich für den Naturwarenhandel die Kosmetiklinie Phytokosma. Das Besondere daran: Die Produkte enthalten kieselsäurehaltiges Wasser aus der Therme Schlangenbad im Taunus. Kieselsäure festigt das Bindegewebe und aktiviert körpereigene Abwehrkräfte.
75 Jahre Speick
In einem alten Brauereigebäude mitten im Ortskern von Möhringen befindet sich das Stammhaus des Walter Rau Speickwerks. Hier wurde bis vor zwei Jahren auch noch die Rohseife gesiedet. Heute kommt der Rohstoff von einem Zulieferer, hergestellt nach Original Speick-Rezept. „Der Bestandschutz für die Siederei ist erloschen, wir konnten mit der alten Anlage im Wohngebiet nicht weiter machen“, erzählt Firmen-chef Wikhart Teuffel. Außerdem ging der alte Seifensieder in Ruhestand. - „Die traditionelle Seifensiederei ist heute nur noch etwas fürs Museum.“ Tatsächlich widmete die Gemeinde der alteingesessenen Firma zum 75jährigen Bestehen in diesem Jahr eine eigene Ausstellung im Stadtmuseum Echterdingen.
Stationen der -Firmengeschichte
- 1928 gegründet in Möhringen, - in einem ehemaligen Brau- ereigelände. Entwicklung der -ersten Seife mit pflanzli- chen Inhaltsstoffen.
- 1930 Etablierung am Markt
- 1940 Markenbekanntheit von mehr als 50 Prozent
- 1960 Anmeldung als „Berühmte Marke“
- 1980 Speick wird bis in die 90er Jahre zum Kult-Produkt.
- 2001 Speickwerk zählt zu den ersten Herstellern, die Pro- dukte mit dem BDIH-Siegel für -kontrollierte Naturkosmetik auf den Markt bringen.
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