Umwelt

PET-Flaschen in der Kritik

Passen Bio-Laden und Plastikflaschen zusammen? Bei dieser Frage geht es nicht nur um guten Geschmack. Sondern auch darum, ob diese Flaschen ein Gesundheitsrisiko sind.

Sie sind leicht, praktisch, billig und unzerbrechlich. Flaschen aus dem Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) haben in den letzten Jahren einen wahren Siegeszug um die ganze Welt angetreten. Nur im Bio-Laden sind die Plastikflaschen selten. Die Bio-Hersteller setzen bei Getränkeverpackungen weitgehend auf Glas. Denn Glasflaschen geben – abgesehen von den Dichtungen im Deckel – keine Stoffe an das darin verpackte Lebensmittel ab.

Bei PET-Flaschen hingegen können Stoffe aus der Verpackung in den Inhalt übergehen. Das ist auch bei anderen Verpackungen aus Kunststoff oder Pappe der Fall. Weichmacher fanden sich schon in Babynahrung und Olivenöl, Bestandteile von Druckfarben wanderten vom Getränkekarton in den Saft.

Wie Wasser schmeckt

Bei Wasser sind die Verbraucher besonders empfindsam. Es soll rein sein und nach nichts als Wasser schmecken. Schmeckt es stattdessen etwas fruchtig-süß, kann das am Acetaldehyd liegen, einem thermischen Abbauprodukt von PET. Es geht vom Kunststoff ins Getränk über, stellt aber nach Meinung aller Experten in den vorhandenen Konzentrationen kein gesundheitliches Problem dar. Jeder Apfel enthält natürlicherweise mehr davon. In süßen Brausen bemerkt man es nicht, wohl aber in neutralem Wasser. Mit Zusatzstoffen und verbesserter Produktion haben die PET-Flaschenhersteller die Auslaugung von Acetaldehyd inzwischen verringert.

Dennoch finden Testmagazine immer wieder geschmackliche Veränderungen in PET-verpacktem Wasser. Dazu zählt auch ein leicht plastikähnliches Aroma. Es kann entstehen, wenn die Flaschen im Handel oder im Haushalt lange in der Sonne liegen. Keine Geschmacksfrage waren die Ergebnisse der Studie, die Martin Wagner von der Universität Frankfurt im März 2009 veröffentlichte. „Umwelthormone in Mineralwasser“ lautete die Schlagzeile. Zusammen mit Professor Jörg Oehlmann wies der Doktorand nach, dass Mineralwasser Umwelthormone enthalten kann. Sie stammen seiner Ansicht nach zumindest zum Teil aus den PET-Flaschen, in die die Mineralwässer abgefüllt worden waren.

Philipp Ketterer ist mit Glas und Mehrweg aufgewachsen. Seit fünf Generationen braut seine Familie im Schwarzwald Bier.
www.hornberger-lebensquell.de

2003 wollte die Hornberger Familienbrauerei M. Ketterer eine Quelle über dem Ort neu fassen, um daraus Brauwasser zu beziehen. Dabei stießen die Ketterers auf einen handgeschlagenen, rund zwei Meter hohen und einen Meter breiten Stollen, aus dem Wasser austrat. Er führt tief in den Berg hinein und stammt vermutlich aus römischen Zeiten. Analysen bestätigten die hervorragende Qualität des Wassers, das die Brauerei seit 2005 als Hornberger Lebensquell vermarktet. „Als Verpackung kam für uns nur Glas infrage“, sagt Junior-Geschäftsführer Philipp Ketterer. „Wir wollen die hohe Qualität unseres Wassers auf dem Weg von der Quelle zum Verbraucher erhalten.“ Dafür hat die Familie Ketterer eine eigene Glasmehrwegflasche entwerfen lassen, deren Form an römische Krüge erinnert. „Das größte Problem war, eine Glashütte zu finden, die die kleine Menge, die wir benötigten, überhaupt produzieren wollte.“ Inzwischen ist die Menge der Hornberger-Flaschen auf rund 800 000 angewachsen. Billigwasser vom Discounter in PET-Flaschen sieht Ketterer nicht als Konkurrenz. „Wir setzen auf Kunden, die ein tieferes Verständnis von Wasser haben.“

Als Vertriebsleiter der „Das leichteste Wasser Importgesellschaft mbH“ bringt Bernhard Vogl norditalienisches Lauretana-Wasser nach Deutschland.
www.lauretana.de

„Wir freuen uns über jede Flasche Lauretana, die gekauft wird, ob in Glas-Mehrweg oder in der PET-Flasche“, sagt Bernhard Vogl. 15 Prozent beträgt bei ihm der PET-Anteil. „PET-Flaschen haben ihre Berechtigung. Etwa wenn Menschen nicht schwer tragen wollen oder Kinder in der Schule unzerbrechliche Flaschen brauchen.“ Unterwegs oder beim Sport würden viele Menschen lieber aus Plastikflaschen trinken. „Entscheidend für uns ist, dass die Qualität des Wassers in PET-Flaschen nicht leidet.“ Deshalb hat Vogl die Flaschen auf Weichmacher untersuchen lassen. Ergebnis negativ. Mit drei verschiedenen bioenergetischen Messmethoden hat er Lauretana- Wasser aus PET- und Glasflaschen vergleichen lassen. Die Wissenschaftler konnten keine Unterschiede feststellen. Für PET spreche auch das geringe Gewicht der Flaschen. „Wir können mit einem Lkw 50 Prozent mehr Wasser transportieren.“ Auch den durch das deutsche Recyclingsystem weitgehend geschlossenen Rohstoffkreislauf zählt er zu den Pluspunkten. Forcieren will er das Thema PET dennoch nicht. „Für uns ist der Kunde König. Er soll entscheiden, welche Verpackung er will.“

Hormone im Wasser

Welche Stoffe der von ihm gemessene Hormoncocktail im Mineralwasser enthält, kann Martin Wagner nicht sagen. Denn er hat keine Einzelsubstanzen gesucht, sondern mithilfe eines speziellen Hefestammes sowie einer Wasserschneckenart die hormonelle Aktivität verschiedener Mineralwasser gemessen. Die war nach seiner Berechnung im Schnitt in PET-Flaschen weitaus höher als in Glasflaschen.

Umwelthormone heißen Chemikalien, die im menschlichen Körper wie Hormone wirken und dadurch das empfindliche Gleichgewicht des Hormonsystems durcheinanderbringen können. Die meis-ten von ihnen wirken wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen. Sie können zu Entwicklungsstörungen bei Kindern führen, werden für die zunehmende männliche Unfruchtbarkeit verantwortlich gemacht und sollen zum Anstieg von Prostata- und Brustkrebs beitragen.

Bekannte Umwelthormone sind die Phthalate, die als Weichmacher in Kunststoffen, vor allem in PVC, eingesetzt werden. Auch Bisphenol A, das zum Beispiel aus Schnullern auslaugen kann, zählt zu den Umwelthormonen. Einige synthetische UV-Filter in Sonnenschutzcremes haben hormonelle Eigenschaften, ebenso das Schwermetall Kadmium.

Phthalate & Co.

Weichmacher können – womöglich als Verunreinigung – in PET enthalten sein. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Mineralwasser Phthalate aus PET-Flaschen lösen kann. Allerdings liegen die Konzentrationen weit unterhalb der amtlichen Grenzwerte. Die Studien weisen darauf hin, dass säurehaltige Getränke wie Fruchtsäfte oder Trinkjoghurt deutlich mehr Phthalate aus dem Kunststoff lösen können. Auch bei höheren Temperaturen und längeren Lagerzeiten gehen mehr Stoffe in das Wasser über. Bisphenol A hingegen ist bei PET-Flaschen kein Thema. Es dient zur Herstellung des Kunststoffes Polycarbonat, aus dem zum Beispiel Babyfläschchen bestehen. Ein womöglich auch hormonell wirksamer Stoff ist das Schwermetall Antimon. Es wird bei der PET-Herstellung als Katalysator verwendet, ist in Spuren im Kunststoff enthalten und kann herausgelöst werden. Zwar liegen die bisher gemessenen Werte deutlich unter dem Grenzwert von fünf Mikrogramm je Liter, den die Trinkwasserverordnung für Antimon vorschreibt. Doch dieser Grenzwert berücksichtigt nicht eine mögliche hormonelle Wirksamkeit des Schwermetalls, sondern nur seine Giftigkeit.

Es könnte aber sein, dass andere, bisher unbeachtete Stoffe den Hormoncocktail bilden. PET enthält einige Zusatzstoffe. Sie machen die Flaschen gasdicht, besser formbar und abriebfester. Hinzu kommen noch Verunreinigungen, die durch den Produktionsprozess oder durch recyceltes PET in die Flaschen gelangen. „Weichmacher werden bei der Herstellung von PET-Flaschen prinzipiell nicht eingesetzt. Auch bei der Herstellung von Verschlüssen hierfür finden Phthalate keine Anwendung“, schreibt das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV).

Dessen Experte Roland Franz hält es für unmöglich, dass die von Martin Wagner festgestellte hormonelle Aktivität aus den Flaschen stamme. Denn die gemessene Aktivität von in Verdacht stehenden Chemikalien sei um den Faktor 5 000 und mehr geringer als die von reinem Östrogen. Um die von Wagner gemessenen Aktivitätswerte zu erreichen, müssten diese Chemikalien in so großen Mengen in den Flaschen enthalten sein, „dass man sie gar nicht übersehen könnte und wir sie schon längst gefunden hätten“. Er hält PET für einen sicheren Verpackungsstoff und verweist auf Studien der niedersächsischen Lebensmittelbehörde LAVES. Sie hatte bereits 2006 festgestellt, dass manche Mineralwasser vor der Abfüllung eine hormonelle Aktivität enthalten. Ursache dafür könnten aus dem Boden gelöste Huminstoffe sein, vermuteten die Wissenschaftler.

Abwarten und trinken

Niemand weiß, ob die gemessene Aktivität gefährlich für die Gesundheit ist. „Wir können nicht abschätzen, ob die hormonelle Kontamination des Mineralwassers ein gesundheitliches Risiko darstellt. Wir haben die verantwortlichen Substanzen nicht gefunden“, sagt Martin Wagner. Es gibt kaum Daten darüber, wie viele Umwelthormone ein Mensch täglich zu sich nimmt. Man atmet sie zum Beispiel ein, wenn PVC-Böden ausdampfen. Zudem haben manche Lebensmittel, etwa Soja, östrogene Eigenschaften.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht in der hormonellen Aktivität von Mineralwasser kein gesundheitliches Risiko. Die Verbraucher müssten aufgrund der Studienergebnisse der Frankfurter Wissenschaftler nicht auf Mineralwasser aus PET-Flaschen verzichten. Doch auch die Behörde sagt, es sollte „grundsätzlich keine hormonartige Wirkung von Mineralwasser ausgehen“.

Die amtlichen Grenzwerte für den Übergang von Verpackungsstoffen in Lebensmittel helfen nicht weiter. Sie gelten nur für bekannte Einzelstoffe, nicht für Cocktails aus unbekannten Substanzen. Zulässige hormonelle Aktivitäten von Lebensmitteln sind nicht geregelt. Die Verbraucher können nur abwarten, welche Erkenntnisse Wissenschaftler, Institute und Behörden noch zutage fördern. Bis dahin müssen sie abwägen: Wenig Transportgewicht und geringerer Preis auf der einen Seite, mögliche Spuren unerwünschter Stoffe auf der anderen. Hinzu kommt, dass bisher kein Abfüller geprüft hat, ob sein Wasser ohne hormonelle Aktivität aus der Quelle sprudelt. Angesichts der Unsicherheiten sollte man zwischen Glas und PET nicht mit Angst im Bauch entscheiden. Sondern das Wasser trinken, das einem schmeckt und guttut.

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