Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) fordert Detox für die Landwirtschaft – und damit Detox für uns alle. Als Zusammenschluss der Bio-Branche zieht das BEL derzeit juristisch gegen die Verlängerung der Zulassung des Pestizidwirkstoffs Fluopyram vor das EU-Gericht.
Was ist Fluopyram?
Dieses Ackergift von Bayer wird gegen Pilzbefall eingesetzt, unter anderem bei Wein, Kartoffeln und Erdbeeren. Ziel des BEL ist es, die europäische Genehmigungspraxis für Pestizide grundlegend zu reformieren. Doch warum ist das nötig? Was hat das BEL bereits erreicht? Und was steht als Nächstes an?
Wir sprachen mit Anja Voß, der Geschäftsführerin des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft.
Warum klagt das Bündnis vor dem Europäischen Gericht?
Laut EU-Vorgaben dürfen Pestizide nur zugelassen werden, wenn sie nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen als sicher gelten. Doch in der Praxis sieht das oft anders aus: Die EU-Kommission verlängert Genehmigungen häufig über Jahre ohne erneute Prüfung. Ein aktueller Fall ist das Fungizid Fluopyram: Eigentlich hätte die Genehmigung im Januar 2024 auslaufen sollen. Doch weil die Risikoprüfung nicht rechtzeitig abgeschlossen wurde, hat die EU-Kommission kurzerhand eine Verlängerung bis 2026 beschlossen – trotz bereits bekannter Risiken für Umwelt und Gesundheit.
Für das BEL ist das eine unhaltbare Praxis. Wir sehen hier eine systematische Verschleppung von wichtigen Umwelt- und Gesundheitsschutzmaßnahmen und haben deshalb Klage vor dem Europäischen Gericht eingereicht.
Dabei beziehen wir uns u.a. auch auf eine neue Studie mit Messwerten aus der besonders touristisch geprägten Oberrheinregion: Der Wirkstoff und seine Abbauprodukte sind flächendeckend in Böden und Gewässern nachweisbar – selbst mehr als vier Kilometer entfernt von den Anwendungsflächen! Das unterstreicht unsere eigenen Untersuchungen aus dem Jahr 2020.
Zudem entsteht beim Abbau des Pestizids die sogenannte „Ewigkeitschemikalie“ Trifluoracetat (TFA), die ins Trinkwasser gelangt und nicht herausgefiltert werden kann. Diese Beweise haben wir dem Gericht vorgelegt – doch die EU-Kommission will die Klage abwehren.
Mit der Klage wollen wir vor allem ein Zeichen setzen: Schluss mit den endlosen Genehmigungsverlängerungen ohne Prüfung! Wir wollen nicht nur Fluopyram stoppen, sondern einen Präzedenzfall für die grundlegende Reform des Pestizid-Zulassungssystems schaffen.
Wie ist der aktuelle Stand zur Klage?
Dass der Fall Brisanz hat, zeigt die Reaktion von Bayer: Der Konzern hat beantragt, der EU-Kommission als Streithelfer zur Seite zu stehen – dies deutet darauf hin, dass der Konzern um seine finanziellen Interessen fürchtet. Die rechtliche Auseinandersetzung dürfte für uns daher herausfordernd und auch langwierig werden. Bayer tritt mit einem großen Team von Anwälten auf, um uns Bündnis in die Knie zu zwingen.
Was kommt als Nächstes?
Neben rechtlichen Schritten intensivieren wir unsere Bemühungen, die Öffentlichkeit über die Notwendigkeit einer zukunftsfähigen Landwirtschaft ohne gesundheitsschädigende Pestizide aufzuklären. Zusammen mit unseren Mitgliedern werden wir hier medienwirksame Kampagnen- bzw. Pressearbeit nach der Regierungsbildung starten.
Denn, die Bundesregierung muss den Pestizideinsatz bis 2030 um 50 % reduzieren (gegenüber dem Durchschnitt 2011–2013) – dies entspricht der EU-"Farm to Fork"-Strategie. Um die Zusage einzufordern, setzt das BEL auch auf öffentlichen Druck.
Denn wie David gegen Goliath braucht es nicht nur Mut, sondern auch eine kluge Strategie – und dafür zählen wir auf die Unterstützung unserer Bündnismitglieder und der Gesellschaft.
Wer ist das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL)?
Gründung: 2018
Mitglieder: Bio-Unternehmen, Umweltverbände, wissenschaftliche Einrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen
Ziel: Eine zukunftsfähige, umweltfreundliche Landwirtschaft für kommende Generationen
Schwerpunkte:
- Reduzierung von Pestiziden
- Förderung der Artenvielfalt
- Schutz von Boden, Wasser und Luft
- Transparenz in der Lebensmittelproduktion
Bekannt durch:
- Studien zur Verbreitung von Pestiziden in der Umwelt
- Aufklärungskampagnen über die Auswirkungen der konventionellen Landwirtschaft
- Politische Arbeit für eine enkeltaugliche Agrarwende
www.enkeltauglich.bio
www.mitmachen.enkeltauglich.bio/spenden/
Disclaimer: Die bio verlag GmbH, in der unter anderem die Schrot&Korn erscheint, unterstützt das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft (BEL) als Förderpartner.
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