Das Dorf war zerstört, seine Bewohner verzweifelt: „Sie haben uns alles geraubt, was wir besaßen, uns mit Gewalt und Demütigungen eingeschüchtert“. Sie, das waren der indonesische Palmölkonzern Wilmar und eine Spezialeinheit der indonesischen Polizei. In dem Dorf Sungai Buayan hatten 41 Familien des indigenen Volks der Suku Anak Dalam gelebt. Ida ist eine dieser Indigenen. Ende 2011 hat sie in Deutschland vom langen Kampf ihres Dorfes um das Land berichtet, das sich die Wilmar-Tochter Asiatic Persada vor neun Jahren angeeignet hatte. „Das Land gehörte schon unseren Ururgroßeltern“, berichtet Idas Mann Bidin, „seit 1983 besitzen wir sogar eine Karte und Urkunden. Das alles hat nichts genützt.“
RSPO: Echt nachhaltig?
Der Streit um Sungai Buayan ist einer von über 1000 Landkonflikten, in die indonesische Palmölplantagen verwickelt sind. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Palmölproduktion weltweit mehr als verdoppelt – meist auf Kosten von Urwäldern und den Menschen, die in und von ihnen lebten. Bisher kommt das meiste Palmöl aus Malaysia und Indonesien. Doch auch in anderen tropischen Ländern wird für die Plantagen vorhandener Wald gerodet und die bisherigen Nutzer vertrieben.
Der Umweltverband WWF hat 2004 den RSPO (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl) ins Leben gerufen. Dieser hat Standards für eine nachhaltige Palmölerzeugung entwickelt. Inzwischen hat der Runde Tisch über 600 Mitglieder, die meisten aus der Palmöl-Industrie. Wilmar ist eines davon, fünf seiner Plantagen sind nach RSPO-Kriterien zertifiziert. Asiatic Persada ist nicht dabei. Einer der wichtigsten Wilmar-Kunden ist der Lebensmittelkonzern Unilever. Dessen Nachhaltigkeits-Manager Jan Kees Vis ist Präsident des RSPO. Die Umweltorganisationen Rettet den Regenwald und Robin Wood haben Unilever aufgefordert, wegen der Vertreibungen die Verträge mit Wilmar zu kündigen – ohne Erfolg.
Nur Bio-Palmöl wird ökologisch angebaut
„Der RSPO dient vielen Palmölkonzernen als grünes Deckmäntelchen, während sie weiter Regenwälder zerstören oder auf geraubtem Land ihre Monokulturen betreiben“, lautet deshalb das Fazit von Robin Wood. Diese Haltung teilen 255 weitere Umweltorganisationen weltweit. Selbst der RSPO-Initiator WWF gesteht inzwischen ein, dass „die Mitgliedschaft im RSPO allein kein verantwortliches Handeln belegt.“ In Kamerun kämpfen die Umweltorganisationen gegen ein RSPO-Mitglied, das mitten im Regenwald eine 80 000 Hektar große Palmölplantage errichten will. Trotz allem gilt RSPO-Palmöl bei den großen Lebens- und Waschmittelkonzernen sowie den großen Handelsketten als nachhaltig und wird gern beworben.
RSPO-Palmöl und Bio-Palmöl werden oft in einen Topf geworfen. Doch: RSPO-Palmöl ist konventionelles Öl. Die Palmen werden mit Hilfe von Kunstdünger und Pestiziden angebaut. Bio-Palmöl wird nach den Regeln des ökologischen Landbaus erzeugt: ohne Pestizide und Kunstdünger, aber großteils ebenfalls in Plantagen. Diese stehen nicht in Südost-asien, sondern fast ausschließlich in Südamerika und gehören zwei Unternehmen: Daabon in Kolumbien und Agropalma in Brasilien, beide konventionelle Palmölproduzenten und RSPO-Mitglieder, die Anfang der 1990er-Jahre mit dem Öko-Anbau begannen. Das Land in Kolumbien war bereits landwirtschaftlich genutzt worden; die Bio-Ölpalmen von Agropalma wachsen auf Land, das in den 1980er-Jahren gerodet wurde.
Wem gehört das Land?
Im Frühjahr 2010 geriet Daabon in die Schlagzeilen. Das Unternehmen habe Bauern mit Gewalt von ihrem Land vertrieben, um darauf Bio-Palmöl zu erzeugen, unter anderem für die Produkte von Rapunzel, Allos und Alnatura, so lauteten die Vorwürfe. Die Firmen bemühten sich intensiv, die Vorwürfe aufzuklären und beteiligten auch unabhängige Experten an den Untersuchungen. Deren Berichte bestätigten, dass die Bio-Palmölproduktion von Daabon nach ökologischen und sozialen Gesichtspunkten vorbildlich sei. Allerdings hatte Daabon zusammen mit einem weiteren Partner eine Hacienda namens Las Pavas für den Anbau von konventionellen Ölpalmen gekauft. Auch eine Gruppe von Kleinbauern erhob Anspruch auf das Gebiet, ließ sich dort nieder und wurde von Daabon und seinem Partner vertrieben. Das Gebiet lag in einer Region, in der sich bis in jüngste Zeit Guerilla, Milizen und Drogenkartelle bekriegten. Entsprechend kompliziert war die Bewertung, wer das Land zu Recht beanspruchte.
Daabon räumte schließlich Fehler ein und teilte im Oktober 2010 mit, dass es sich aus dem Projekt zurückgezogen und seine Anteile an den Partner verkauft habe. Im Mai 2011 hat das Verfassungsgericht den Kleinbauern Recht gegeben und ihnen das Land zugesprochen. Doch noch immer versucht Daabons einstiger Partner, ihnen ihr Recht, über das Land zu verfügen, streitig zu machen.
Abgesehen von den Landkonflikten hat es Bio-Anbau in Südamerika auch grundsätzlich schwer. In Kolumbien wie in Brasilien setzen die Regierungen auf den Ausbau der konventionellen Palmölproduktion – mit allen Problemen. Daabon bewirtschaftet inzwischen all seine Plantagen ökologisch und verarbeitet Früchte von Kleinbauern-Kooperativen, betreibt aber gleichzeitig eine konventionelle Biodiesel-Raffinerie und ist an dem Hafen beteiligt, über den Biodiesel und Palmöl verschifft werden. Agropalma war bisher der größte konventionelle Palmölhersteller Brasiliens und bewirtschaftet nur ein Zehntel seiner Flächen ökologisch.
Anteil an Bio-Palmöl ist verschwindend gering
Die Konkurrenz ist gewachsen, nun wollen alle im konventionellen Bereich stark expandieren. Konflikte um Land und Rodungen lassen sich nicht ausschließen, denn die Expansionsgebiete liegen im Amazonasbecken, wo viele Kleinbauern leben.
Die Verquickungen mit der konventionellen Industrie ließen sich vermeiden, wenn Lebensmittelhersteller kein Bio-Palmöl bräuchten. Doch das findet sich in Hunderten von Produkten, etwa in Aufstrichen, Keksen oder Fertiggerichten. Anders als in vielen konventionellen Lebensmitteln ist es dort nicht als „pflanzl. Öl“ versteckt, sondern als „Palmöl“ deklariert.
Der Anteil von Bio-Palmöl an der Gesamtproduktion liegt bei unter 0,1 Prozent. Es wird fast nur für Lebensmittel, zu einem geringen Teil auch für Naturkosmetik verwendet. „Es gibt Bestrebungen der Produzenten, auf andere Zutaten umzuschwenken“, sagt Ulrike Rupperath. Als mögliche Gründe dafür sieht die Palmölexpertin der Vertriebsgesellschaft Daabon Deutschland die Diskussion um Brandrodungen und Palmöl als Treibstoff, aber auch die inzwischen bessere Verfügbarkeit heimischer Öle. „Aber es ist sehr schwierig, ein Öl mit ähnlichen Eigenschaften zu finden.“ Dies gilt vor allem für Aufstriche, bei denen das Palmöl die Konsistenz wesentlich bestimmt.
Projekt mit Zukunft
Wenig begeistert von solchen Ersatzbestrebungen wäre Lucy Aboagye aus Ghana. Sie betreibt eine kleine Palmölmühle. 300 in einer Kooperative zusammengeschlossene Kleinbauern liefern ihre ökologisch angebauten Palmölfrüchte dort ab und erhalten einen angemessenen Preis dafür. Initiiert hat das Projekt 2007 der US-Marktführer für Bio-Seifen, Dr. Bronner’s Magic Soap. Auf dessen Webseite heißt es: „Wir wollen zeigen, dass Kleinbauern Palmöl zu fairen Preisen nachhaltig und profitabel anbauen können.“ Inzwischen beziehen auch einige andere Hersteller fair-zertifiziertes Bio-Palmöl aus diesem Projekt.
Kommentare
Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.