Umwelt

Naturlacke mit natürlichen Rohstoffen

Wer Holz, Metall und Kunststoff von innen und außen dauerhaft schützen will, greift am besten zu Lackfarben. Doch die riesige Auswahl an verschiedenen Lacken mit unterschiedlichster Zusammensetzung macht die Entscheidung kompliziert. Wer kennt sich schon in den Feinheiten konventioneller Lackfarbe, solcher mit dem Umweltengel und Lack aus dem ökologisch orientierten Baustoffhandel aus? Auf welche Kriterien Sie achten sollten.

Die Bezeichnung Lack ist ein Sammelbegriff für verschiedene Produkte, die für unterschiedliche Anwendungen gedacht sind. Grundsätzlich sollen Lacke die Oberflächen zum Beispiel von Holz, Metall oder Kunststoff vor Witterungseinflüssen, Chemikalien oder mechanischen Belastungen schützen. Hauptbestandteile sind Bindemittel, Pigmente, Füllstoffe, Hilfs- und Wirkstoffe und Lösemittel.

Viele Namen für ein Produkt

Lack ist nicht gleich Lack. Die verschiedenen Lacke tragen, je nach Verwendungszweck oder Zusammensetzung unterschiedliche Bezeichnungen.

Im konventionellen Baustoffhandel präsentieren sich Blech an Blech volle Regale mit Kunstharz-, Alkydharz-, Polyurethan-, Nitrocelluloselacken, Papier-, Holzlacken, Grundanstrich, Deckanstrich, Benzinlacken, Fenster-, Tür- und Autolacken, Hochglanz- oder Mattglanzlacken. Für Laien eine kaum mehr zu überblickende und zu durchschauende Produktvielfalt.

Grundsätzlich basieren konventionelle Lacke auf synthetisch hergestellten Rohstoffen aus der Petroindustrie. Die chemischen Zusammensetzungen sind - wenn überhaupt vollständig deklariert - für Freizeitmaler nicht zu verstehen. Wer die Einzelkomponenten hinterfragt, stößt auf komplizierte, energieaufwendige, mehrstufige Herstellungsprozesse, bei denen viele giftige Zwischen- und Nebenprodukte anfallen. So entstehen beispielsweise bei der Herstellung von 100 kg eines Azo-Farbstoffes 768 kg Abfälle und Nebenprodukte. Die konventionellen Farbenhersteller selbst sind letztlich nur Verarbeiter. Sie mischen die verschiedenen Vorprodukte der chemischen Industrie, die sie in der Regel nicht selbst produzieren, bis die gewünschten Eigenschaften erreicht sind.

Konventionelle Lacke enthalten viele Lösungsmittel aus der Petrochemie

Lacke ohne Umweltengel im konventionellen Baustoffhandel können bis zu 50 Prozent Lösemittel enthalten. Auch sie stammen aus der Petrochemie. Oftmals sorgt ein Gemisch aus vielen verschiedenen Lösemitteln für den gewünschten Verdünnungseffekt. Die gesundheitlichen Gefahren bei Hautkontakt und Einatmen der flüchtigen Stoffe sind unterschiedlich: Die chemisch zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe gerechneten Substanzen können zu akuten, chronischen und degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Gehirns, des Knochenmarks, der Lunge und der Leber führen. Oft machen sich die Schäden erst nach vielen Jahren bemerkbar. Lösemittel-Emissionen sind auch für die Umwelt schädlich: In Verbindung mit Autoabgasen führen sie zu Smog. Gelangen sie ins Wasser, können sie ein Fischsterben auslösen. Allein in Deutschland werden jährlich etwa 1,2 Millionen Tonnen Lösemittel emittiert.

Seit neuestem müssen alle Lacke und Farben, die mehr als zehn Prozent petrochemische Kohlenwasserstoff-Lösemittel enthalten, mit Xn - gesundheitschädlich gekennzeichnet werden. Oft fehlt dieser Zusatz jedoch trotz EU-weit gültiger Verordnung noch.

Was ist drin im Lack?

Bindemittel sind Natur- und Kunstharze sowie deren Öle. Sie bilden eine wasserabweisende Schicht und binden den Lack an den zu beschichtenden Werkstoff. Naturlacke enthalten überwiegend natürliche Rohstoffe wie Dammar, Leinöl, Kasein, Bienenwachs oder Kiefernharz.

Füllstoffe (z.B. Kreide) sorgen für ein gutes Deckvermögen. Sie sind billiger als Pigmente und verbessern zum Teil die Eigenschaften der Lacke wie Streichfähigkeit und Haftung.

Pigmente stammen aus organischen oder anorganischen Verbindungen. Sie geben dem Lack den Farbton. Konventionell werden häufig Azo-Farben eingesetzt. Naturfarben und -lacke enthalten Pigmente aus Pflanzen (z.B. Walnuß, Krappwurzel, Indigo) oder Erden (z.B. Umbra, Ocker).

Hilfs- und Wirkstoffe (Additive) haben unterschiedliche Aufgaben. Sie wirken zum Beispiel als Weichmacher, Hautverhinderungsmittel, Verlaufsmittel, Konservierungsmittel. Biozide gegen Pilze und Insekten zählen ebenfalls zu dieser Stoffgruppe.

Lösemittel sollen die enthaltenen Harze lösen, beziehungsweise die Öle verdünnen. In konventionellen Farben werden Lösemittel aus der Petrochemie eingesetzt. Naturfarben und -lacke enthalten meist natürliche Lösemittel wie Citrusschalenöle oder Balsamterpentine.



Naturlacke mit natürlichen Rohstoffen

Naturlacke setzen sich aus den gleichen Komponenten zusammen wie konventionelle Farben. Sie unterscheiden sich aber in der Rohstoffauswahl. So enthalten sie leicht abbaubare Substanzen aus der Natur, meist nachwachsende Rohstoffe wie natürliche Öle und Harze aus Pflanzen.

In den Lacken der Naturfarbenhersteller sind bis zu 40 Prozent Lösemittel enthalten. Während bei den Komponenten Pigmente, Bindemittel und Additive unter den verschiedenen Herstellern Einigkeit herrscht - es werden nur natürliche Rohstoffe verwendet - gibt es bei den Lösemitteln unterschiedliche Überzeugungen. Der Naturfarbenhersteller Auro verwendet beispielsweise ausschließlich natürliche Lösemittel wie Citrusschalenöl und Balsamterpentin. Firmen wie Livos oder Leinos setzen dagegen auf die aus Erdöl gewonnenen Isoaliphate oder Mischungen aus natürlichen und chemischen Lösemitteln sowie Ethanol.

Naturfarbenhersteller, die natürlichen Lösemitteln den Vorzug geben, begründen das mit verschiedenen Argumenten: Sie stammen aus nachwachsenden Rohstoffen und werden unter geringem technischem Aufwand energiesparend hergestellt. Bei ihrer Entstehung unter Sonneneinstrahlung wird Kohlendioxid verbraucht. Synthetische Lösemittel müssen hingegen erst in mehreren aufwendigen Reaktionsschritten aus Erdöl hergestellt werden. Der Energieeinsatz ist höher als bei der Gewinnung der natürlichen Lösemittel. Außerdem fällt bei der Herstellung viel Chemiemüll an.

Balsamterpentinöl wird zum Beispiel aus Bäumen gewonnen. Dazu wird der Baum (meist Pinus-Arten) angeschnitten, der Balsam abgezapft, von groben Verunreinigungen gereinigt und mit Wasserdampf destilliert. Zitrusfruchtschalenöle werden aus den Schalen von Zitrusfrüchten (Orangen, Zitronen, Mandarinen, Grapefruits, Limetten, Bergamotten) und zwar in der Regel durch Kaltpressen gewonnen. Bei der Orangensaftherstellung fallen sie als Nebenprodukt an.

Als einen weiteren Aspekt führen diese Naturfarbenhersteller die Kohlendioxid-Bilanz bei der Emission von Lösemitteln an. Der größte Teil der in Farben und Lacken enthaltenen Lösemittel verdampft in die Atmosphäre. Terpene und andere Kohlenwasserstoffe aus den natürlichen Lösemitteln tragen beim Verdunsten wie die chemischen Lösemittel zur Ozonbildung in der Atmosphäre bei. Sie sind jedoch dem natürlichen Kreislauf nur entnommen und verstärken die sowieso vorhandenen Emissionen biogener Kohlenwasserstoffe nicht. Nach ihrer Verwendung werden sie dem natürlichen Kreislauf wieder zugefügt. Chemische Lösemittel wie Isoaliphate und Testbenzin, die aus in der Erde fest gebundenem Erdöl hergestellt werden, tragen dagegen zur vom Menschen verursachten Ozonbildung bei.

Isoaliphaten, die von einigen Naturfarben-Herstellern als Lösemittel eingesetzt werden, stammen aus der Petrochemie. Sie werden in vielen Reaktionsschritten unter Einsatz von Isobutan, Fluorwasserstoff und Butylen synthetisch hergestellt. Livos begründet die Verwendung von Isoaliphaten mit der guten Gesundheits- und Umweltverträglichkeit. Als Kriterium führt das Unternehmen dabei den MAK-Wert an. Dieser vom Gesetzgeber festgelegte Wert begrenzt die Maximale Arbeitsplatzkonzentration bestimmter Stoffe, die gesundheitsschädlich sein können. Für Isoaliphaten gibt es keinen MAK-Wert. Der chemische Stoff ist im Gegensatz zu Balsamterpentinöl nur leicht hautentfettend und wirkt, soweit bekannt, nicht allergen. Isoaliphaten sind fast völlig geruchsfrei, wobei ihnen das von Kritikern als Nachteil ausgelegt wird: Der Geruch als Warnfunktion, der einer Schädigung des Organismus und Nervensystems vorbeugen kann, werde damit ausgeschaltet. Auf eine ausreichende Lüftung bei der Verarbeitung darf dennoch keinesfalls verzichtet werden.

Für die Arbeitsgemeinschaft Naturfarben (AGN), ein Zusammenschluß verschiedener Naturfarbenhersteller, ist die Verwendung des chemischen Lösemittels bei Naturlacken allerdings unverständlich. ,Da sowohl Isoaliphate als auch Testbenzin Naturharze nur schlecht lösen, werden sie zusammen mit Balsamterpentiöl oder Zitrusfruchtschalenöl in Naturfarben als Lösemittel eingesetzt. Damit wird das einzige Argument, das für die Verwendung synthetischer Lösemittel spricht, nämlich das Fehlen des allergenen Potentials, durch die Praxis zunichte gemacht. Denn für AllergikerInnen sind selbst kleinste Konzentrationen des Allergens ausreichend, um erneut eine allergische Reaktion auszulösen."

Kaufen Sie keinen X-beliebigen Lack

Für welchen Lack auch immer Sie sich entscheiden: Werfen Sie einen genauen Blick auf das Etikett. Fehlt die Deklaration, sollten Sie das Produkt auf keinen Fall kaufen. Wegen der besseren Öko-Bilanz, der guten Verträglichkeit und der überschaubaren Zutatenliste sollten Sie Lacke von Naturfarbenherstellen bevorzugen. Gut beraten werden Sie im ökologischen Baustoffhandel. Dort bekommen Sie Naturlacke mit Volldeklaration und technischen Merkblättern. Zum Teil gibt es von den Naturfarbenherstellern auch Lacke auf Wasserbasis. Fragen Sie im Einzelfall beim Händler oder Hersteller nach.

Blauer Engel = umweltfreundlich?

Unter den konventionellen Lackfarben gibt es viele, die den Umweltengel tragen. Kritiker halten die Auszeichnung für irreführend. Denn diese Produkte sind keineswegs immer umweltfreundlich. Das Symbol steht lediglich für eine relative Umweltfreundlichkeit. Die wichtigsten Vergabe-Kriterien für Lacke sind:

  • Keine Inhaltsstoffe, die nach der Arbeitsstoffverordnung eine Kennzeichnung notwendig machen (zum Beispiel giftig, gesundheitsschädlich, ätzend, brennbar). Sind solche Stoffe enthalten, müssen sie 50 Prozent unter der kennzeichnungspflichtigen Grenzwertkonzentration liegen.
  • Keine Inhaltsstoffe, die nach der Arbeitsstoffverordnung die Beifügung einer Mitteilung notwendig machen (zum Beispiel über krebserzeugende Stoffe).
  • Wasserverdünnbare Lackfarben dürfen das Siegel mit dem Blauen Engel tragen. Ihr Lösemittelgehalt darf nicht mehr als 10 Prozent betragen. Wasser kann die Bestandteile aber nicht wirklich lösen. Diese Aufgabe kann nur von starken organischen Lösemitteln, wie zum Beispiel Butylglykol, übernommen werden. Oft wird ein Teil der Lösemittel als Lösehilfsstoffe oder Additive umbenannt, um ihre Lösemittelfunktion herunterzuspielen. Der Ersatz von Lösemittel macht zudem den Einsatz einer Vielzahl anderer chemischer Substanzen nötig. So ist es nicht selten, daß eine Rezeptur für einen wasserlöslichen Lack mehr als ein Dutzend verschiedenster Chemikalien enthält. Oberflächenaktive Stoffe, schaumhemmende Mittel, Neutralisationsmittel, Verlaufsmittel, Emulgatoren, Polyurethanverdicker und Verdickungsmittel sorgen für eine gleichbleibende Konsistenz des instablilen Wassergemischs. Diese Substanzen sind wiederum ein idealer Nährboden für Pilze und Bakterien. Damit die Farbe dennoch längere Zeit haltbar bleibt, müssen Konservierungsmittel zugesetzt werden. Werden Reste dieser Farben in den Ausguß geschüttet oder der Pinsel unter dem Wasserhahn ausgespült, gelangen sie in die Kläranlagen. Dort töten die Konservierungsstoffe wichtige Mikroorganismen ab - das biologische Gleichgewicht gerät aus den Fugen. Konservierungsstoffe sind auch für die menschlichen Organismus nicht immer unbedenklich. So berichtete Öko-Test im Sonderheft Bauen, Wohnen, Renovieren 1995 über gesundheitliche Risiken: Maler, die sehr viel mit wasserverdünnbaren Farben im Wohnbereich arbeiteten, klagten über Kontaktekzeme, Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen, Magenprobleme sowie ein erhöhtes Bedürfnis zu urinieren. Bei Untersuchungen am Königlichen Technologie Institut in Stockholm wurde außerdem eine Beeinträchtigung der Lungenfunktionen beobachtet.

Zum Vertiefen

Kostenlose Info

Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Naturfarben (AGN) unterwerfen sich freiwillig strengen Kriterien für die Herstellung von Naturfarben und -lacken. Neben Rohstofflisten und Volldeklaration konzentriert sich die Arbeit der Mitglieder auf eine Produkttransparenz mit nachvollziehbarer Rohstoffbeschaffung, -verarbeitung, Arbeitsplatz-Qualität, Abfällen bis hin zur Vertriebsqualität. Unter dem Stichwort ,Gläserne Rezeptkartei" können Sie die genaue Zusammensetzung jedes einzelnen Produkts der in der Arbeitsgemeinschaft Naturfarben (AGN) verbundenen Mitglieder anfordern. Die Rezepturkartei gibt es kostenlos bei: Arbeitsgemeinschaft Naturfarben, Im Asemwald 12/12, 70599 Stuttgart

Literatur für alle, die es genauer wissen wollen:

Sanfte Chemie - Über den nachhaltigen Gebrauch der Stoffe, Hermann Fischer, Verlag C.F. Müller, Alembik Verlag, Braunschweig, ISBN 3-7880-9880-5

Info-Broschüre

Bei der Ökologischen Verbraucherberatung ÖVB, Humboldtstraße 81, 90459 Nürnberg gibt es ein Infopaket Farben und Lacke mit einer umfassenden Marktübersicht. Für 10 Mark plus Versandpauschale gibt es das ÖVB-Spezialheft, für weitergehende Infos stehen Plakate und Foliensätze bereit.

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