Umwelt

Naturkosmetik: Kein Platz für Keime

Naturkosmetika sollen ohne Konservierungsstoffe auskommen. Gleichzeitig müssen sie ebenso lange halten wie herkömmliche Produkte. Mit den passenden Zutaten gelingt das.

Für konventionelle Kosmetika gibt es eine lange Liste zugelassener synthetischer Konservierungsstoffe. Viele von ihnen haben jedoch unerwünschte Nebenwirkungen (siehe Kasten auf Seite 45). Naturkosmetik-Hersteller dagegen verzichten bis auf wenige Ausnahmen auf künstliche Haltbarmacher und gehen andere Wege.

Keimfrei arbeiten

Will man auf künstliche Haltbarmacher verzichten, ist der wichtigste Schritt eine äußerst hygienische Produktion. In den Schleusen am Eingang zur Produktion tötet ultraviolettes Licht Keime in der Luft ab. Alternativ verhindert leichter Überdruck in der Halle, dass keimhaltige Luft von draußen angesaugt wird. Mancher Hersteller produziert seine Kosmetika nach Standards, die für Arzneimittel gelten. Abgefüllt werden Tiegel und Tuben in einer Stickstoffatmosphäre. Sie verhindert, dass überhaupt Luft ans Produkt kommt.

Bei der Verpackung gibt es unterschiedliche Philosophien. Manche Hersteller lehnen Plastiktuben ab, weil sie nach dem Herausdrücken des Inhalts Luft und damit Keime anziehen. Sie verwenden stattdessen Tuben aus Aluminium. Allerdings ist die kleine Öffnung einer Plastiktube weniger einladend für Keime als die große Oberfläche eines Tiegels, die noch dazu verführt, den Finger in die Creme zu tauchen. Immer häufiger werden Naturkosmetika in Spender abgefüllt, weil diese durch ihre Konstruk-tion besonders hygienisch sind. Wie anfällig ein Kosmetikprodukt für Verkeimung ist, hängt aber weniger von der Verpackung ab, sondern von der Rezeptur. Bakterien und Hefepilze brauchen Wasser und ein neutrales Milieu, um sich wohlzufühlen. Wasserfreie Öle oder Seifen mit ihrem hohen pH-Wert müssen deshalb nicht haltbar gemacht werden. Steht jedoch bei einer Creme, Lotion oder einem Duschgel Wasser ganz oben auf der Zutatenliste, braucht es im Regelfall eine entsprechend starke Konservierung.

Alkohol und ätherische Öle

Wichtigste konservierende Zutaten in Naturkosmetika sind Alkohol und ätherische Öle. Bis zu zehn Prozent Alkohol sind – je nach Wasseranteil und Zutaten – nötig, um eine Lotion zu konservieren. Oft setzen Firmen wässrig-alkoholische Heilpflanzenauszüge ein und haben damit automatisch genug Alkohol im Produkt. Dieser hat inzwischen fast immer Bio-Qualität und ist unvergällt. Manche Marken verzichten auf Alkohol, weil er die Haut entfettet und austrocknet. Wer Alkohol einsetzt, verweist auf die rückfettenden und Feuchtigkeit spendenden Zutaten in den jeweiligen Produkten. Sie sollen die Wirkung des Alkohols ausgleichen. Vielduscher mit trockener Haut sollten dennoch auf den Alkoholgehalt im Duschgel oder Shampoo achten. Denn der Alkohol verstärkt die entfettende Wirkung der Tenside und das gelöste Fett landet im Waschwasser. Eine Lotion oder Creme mit Alkohol ist dagegen kein Problem, denn das vom Alkohol gelöste Fett bleibt auf der Haut.

Die ätherischen Öle zahlreicher Heilpflanzen wie Thymian, Gewürznelken oder Rosmarin wirken gegen Bakterien. Die Kunst besteht darin, für jedes Produkt die Öle so zu kombinieren, dass die Mischung ein breites Wirkungsspektrum aufweist. Zudem müssen sie zum Duft der jeweiligen Kosmetikserie passen. "Mischung ätherischer Öle" oder "Parfum (Essential Oils)" steht dann in der Zutatenliste. Schon Mengen von unter einem Prozent erhöhen die Haltbarkeit von Naturkosmetik deutlich.

Effektive Antioxidantien

Um die natürlichen Fette und Öle vor Oxidation zu schützen, enthalten viele Rezepturen aus pflanzlichen Quellen stammendes Vitamin E (Tocopherol). Auch bestimmte Pflanzenextrakte, zum Beispiel Grüner Tee, sind effektive Antioxidantien, ebenso Sanddornfleisch. Einige aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellte Zutaten sind in Naturkosmetika wegen ihrer rückfettenden Wirkung oder anderer positiver Eigenschaften enthalten. Sie halten sogar Keime in Schach, was sich Hersteller bei der Entwicklung einer Rezeptur zunutze machen. Beispiele für multifunktionale Zutaten sind Glyceryl-Caprylate und Sodium-Lauroyl-Lactylate, auf Deutsch meist als Glycerin-Fettsäureester und Milchsäureester deklariert. Um den pH-Wert zu regulieren, werden die Salze der beiden pflanzlichen Wirkstoffe Levulinsäure und Anissäure eingesetzt, die ebenfalls sehr gut konservieren. Natrium-Levulinat und Natrium-Anisat steht in diesen Fällen in der Zutatenliste.

Zumeist reichen sauberes Arbeiten, Alkohol, ätherische Öle und andere Wirkstoffe, um haltbare Naturkosmetik herzustellen. Dennoch lassen alle Natur-kosmetikstandards außer Demeter synthetisch hergestellte, naturidentische Konservierungsmittel zu. Die wichtigsten sind Benzylalkohol sowie Sorbinsäure, Benzoesäure und deren Salze. Sie sind sogar für konventionelle Lebensmittel zugelassen und weisen nur ein niedriges allergisches Potenzial auf. BDIH und Natrue schreiben vor, dass beim Einsatz dieser Konservierungsstoffe der Zusatz: "Konserviert mit …" auf dem Produkt stehen muss.

Nur wenige Naturkosmetika enthalten einen dieser Stoffe. Meist sind es besonders empfindliche, keimanfällige Produkte, bei denen die Hersteller im Interesse ihrer Kunden auf Nummer sicher gehen wollen. Natur-identische Konservierungsstoffe finden sich auch in einzelnen Reformhaus-Produkten. Deren Neuform-Kosmetikrichtlinie erlaubt auch Parabene, doch werden sie kaum eingesetzt.

Man kann den natürlichen Bakterienkillern die Arbeit erleichtern, indem man Kosmetika lichtgeschützt und kühl lagert – am besten in einem Schrank. Cremes aus Tiegeln entnimmt man mit einem Spatel und nur zur Not auch mal mit gewaschenen Fingern. Tuben und Tiegel sofort nach Entnahme wieder dicht verschließen, damit möglichst wenig Keime aus der Luft in das Produkt gelangen.

Wie lange haltbar?

Nicht angebrochen können Kosmetika mehrere Jahre halten. Produkte, die bis zu 30 Monaten haltbar sind, müssen mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum gekennzeichnet sein. Was länger hält, braucht kein Datum, aber ein Piktogramm in Form eines geöffneten Cremetopfs mit einer Zahl drin. Sie gibt an, wie viele Monate das Produkt nach dem Öffnen seinen Zweck erfüllt. Bei Naturkosmetika kann man – auch ohne Piktogramm – mit drei bis sechs Monaten rechnen. Selten verwendete Kosmetika sollte man in kleinen Mengen kaufen, damit man sie in dieser Zeit aufbrauchen kann. Sinn macht es, beim Anbrechen eines Produkts das Datum auf die Verpackung zu schreiben. Dann weiß man immer, wie lange es schon offen rumsteht. Im Zweifelsfall dran schnuppern. Ein ranziger, stechender, säuerlicher oder gammliger Geruch zeigt an, dass die Creme in die Tonne gehört. Das gilt auch, wenn die an sich glatte Creme grieselig aus der Tube kommt. Haben sich bei einer Lotion feste und flüssige Zutaten getrennt, hilft manchmal noch schütteln. Ansonsten heißt es Abschied nehmen.

Doch vergammelte Tiegel und Tuben sind eine seltene Ausnahme. Obwohl sie keine synthetischen Konservierungsstoffe enthalten, sind Naturkosmetika ebenso sicher wie konventionelle Produkte. Das zeigen immer wieder Analysen verschiedener Test-Magazine. Für die Hersteller ist das keine Überraschung. Sie überprüfen bei jeder Charge die mikrobiologische Qualität ihrer Produkte. Nur was sauber ist, kommt auch in die Regale der Läden.

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