Umwelt

Naturnah gärtnern: So geht's

Jeder noch so kleine Naturgarten kann das Klima schützen. Ein Plädoyer für grünere Gartengestaltung. Mit vielen Tipps für Einsteiger.

„Es ist ganz gleich, ob ein Garten klein oder groß ist“, brachte es Hugo von Hofmannsthal einst auf den Punkt. „Was die Möglichkeiten seiner Schönheit betrifft, so ist seine Ausdehnung so gleichgültig, wie es gleichgültig ist, ob ein Bild groß oder klein, ob ein Gedicht zehn oder hundert Zeilen lang ist.“

Richtig angelegt, kostet ein Garten in jeder Beziehung erstaunlich wenig, bringt aber umso mehr für Mensch und Umwelt. Eines allerdings braucht es dafür: Mitdenken! Die simple Bereitschaft, Pflanzen nicht als austauschbare Deko-Versatzstücke zu betrachten, sondern näher kennenzulernen als Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Und es braucht den Wunsch, den natürlichen Kreislauf, der sich noch im kleinsten Garten abspielt, zu verstehen und zu unterstützen, kurz: nicht gegen die Natur zu gärtnern, sondern sich ihr vielfältiges Angebot zunutze zu machen. Die Basis ist da immer dieselbe. Egal, ob Reihenhausgarten oder Regenwald: Die Grundlage allen Lebens auf unserem Planeten ist: der Humus.

Kein naturnaher Garten ohne Humus

Die wenigen Zentimeter Humus auf der Erdoberfläche zu pflegen, ist einer der bedeutendsten Beiträge zu Umwelt- und Klimaschutz. Denn eine intakte Humusschicht, passend bepflanzt, puffert klimatische Extreme abund kann so jedem Garten helfen, mit Dürre oder Starkregen besser fertig zu werden. Außerdem hat der Humusgehalt des Gartenbodens einen sehr großen Einfluss auf seine Fruchtbarkeit. Im Prinzip ist es sehr einfach, den Humusgehalt zu erhöhen. In der freien Natur im Wald und auf den Wiesen passiert es ständig: Herbstlaub, abgestorbene Pflanzenreste oder Tierkot fallen auf den Boden, werden von Kleinstlebewesen zu Humus zersetzt und in die obere Bodenschicht
eingearbeitet.

Mulch und Kompost und torffreie Blumenerde

In konventioneller Blumenerde ist leider oft Torf enthalten. Doch für Torf werden Moore zerstört. Die Torfgewinnung schadet dem Klima und der Artenbielfalt. Achten Sie deshalb beim Kauf von Blumenerde auf torffreie Sorten.

Wenn Gärtner dieses Prinzip der Natur kopieren, nennt man das Mulchen. Als Mulch eignen sich im Grunde alle Gartenabfälle – vom Herbstlaub über angetrockneten Rasenschnitt bis hin zu gehäckselten Sträuchern. Man bedeckt den nackten Boden einfach mit anfallendem Mulchmaterial. Das füttert das Bodenleben, spart lästiges Unkrautzupfen und in heißen Sommern jede Menge Gießwasser: Eine lebendige Mulchdecke ist ein vielfach bewährtes Mittel gegen Trockenheit.

Auch die gute, alte Kompostkiste erzeugt wertvollen Humus. Sie ist ein wunderbares Beispiel für Nachhaltigkeit: Denn aus Abfällen wird fruchtbare Erde. In jedem noch so kleinen Garten findet sich für sie ein Plätzchen, selbst auf dem Balkon lässt sich eine Tonne füttern. Egal ob Haufen, Kiste oder Tonne sollte die unterste Kompostschicht immer aus dünnen Ästen oder Reisig bestehen. So erhält der Kompost genug Luft. Abwechselnd werden darüber feinere, feuchte Abfälle mit trockenen, groben Materialien geschichtet. Je mehr Vielfalt, desto besser wird der Dünger. Alle organischen Gartenabfälle sowie Küchenabfälle wie Obst, Gemüse, Tee, Kaffee und Eierschalen dürfen mitspielen. Und nach spätestens einem Jahr ist der Kompost fertig.

Wo die Bodenbasis stimmt, fühlen sich Stauden, Büsche & Co. wohl und gedeihen ohne größere zusätzliche Pflege. Vorausgesetzt, sie sind – und das ist das Zauberwort – standortangepasst. Robust und naturnah sind Gehölze wie Weißdorn, Heckenrose, Berberitze, Holunder oder Eberesche. Sehr entbehrlich dagegen sind Thuja, Blaue Zypresse, Kirschlorbeer & Co. Deren starre Unfreundlichkeit, die sie bereits optisch verbreiten, trügt nicht: Sie scheiden giftige Hemmstoffe aus, die es sogar unmöglich machen, in ihrer Nähe andere Pflanzen anzusiedeln.

Naturgarten für Einsteiger

  1. Lernt euer Grundstück kennen. Wo sind sonnige, schattige, windige und geschützte Stellen? Pflanzt standortangepasst. Das erspart Gärtnerfrust und Gießwasser.
  2. Mulcht, wo immer es geht.
  3. Kauft Pflanzen und Saatgut aus Öko-Landbau. Diese sind robuster und werden ohne chemisch-synthetische Spritzmittel und mineralischen Kunstdünger gewonnen. Einheimische Gehölze und Blühpflanzen werten das Revier auf.
  4. Wie ist euer Gartenboden? Lehmig oder sandig, sauer oder alkalisch? Welche Pflanzen mögen das? Vergrößert möglichst die Humusschicht. Denn Humus ist die Basis allen Bodenlebens.
  5. Kompostiert.
  6. Bei Bedarf kauft torffreie Blumenerde, niemals torfhaltige. Denn diese schadet dem Klima. Denkt an Tiere mit geeigneter Vegetation, Deckung, Wasser und Nisthilfen.
  7. Experimentiert. Schon ein einziger Quadratmeter Boden, mit passenden Wildpflanzen eingesät, ergibt einen Garten. Legt los! Nichts muss perfekt sein – Hauptsache, ein Anfang ist gemacht.

Heimische Pflanzen: Heckenrosen und Wiesenblumen

Doch in den meisten Fällen lässt sich die vorhandene Bepflanzung mit einer passenden Gesellschaft aufwerten. Zum Beispiel mit Frühlingszwiebelpflanzen, einer blühenden Clematis, Wildpflanzen oder einer Ramblerrose.

Überhaupt: Rosen – gerade die Rambler, also riesige Kletterrosen – sind ein echtes Plus im Naturgarten, solange sie nur offene Blüten tragen. Ihre Hagebutten sind höchst begehrt: Uns schmecken sie als Marmelade, Säugetiere knabbern sie als Rohkost und viele Vögel zwitschern ein Loblied auf diese kleinen Vitaminbomben. Außerdem bietet ein Rosenstrauch gute Deckungs- und Nistmöglichkeiten. Robuste oder wilde offenblütige Rosen gehören wirklich zu den Top-Pflanzen im Naturgarten: Sie sind bildschön fürs Auge, duften und sind rundum nützlich. Doch muss man sich nicht in fundamentalistischer Verbissenheit von alten Lieblingen trennen: Einer gefüllten Rose zum Beispiel, die ja Insekten kein Futter bietet, kann man als Begleiter Nachtviolen, Wegwarten, Nachtkerzen oder blühende Kräuter zugesellen.

Am meisten anfangen können die hier lebenden Nützlinge natürlich mit heimischen Sträuchern und Pflanzen: Wildbienen und Schmetterlinge stehen etwa auf Nektar, Pollen & Co. von Akeleien, Vergissmeinnicht, Fingerhut und den meisten Wiesenblumen. Und heimische Obstbäume, wie Apfel und Kirsche oder eine Eberesche freuen Insekten und Vögel gleichermaßen.

In einem sehr kleinen Revier können sogar Blumentöpfe Betonflächen zu blühendem Leben erwecken. Zwar brauchen Töpfe verhältnismäßig viel Wasser. Doch anders als eine sterile Rasenfläche, die ja auch gewässert werden muss, geben sie der Natur dafür etwas zurück: Bienen werden sich einfinden.

Wer dauerhaft pflanzt, sollte blühende und Früchte tragende Sträucher wählen. Da ist schon die pflegefreie Felsenbirne eine Riesenverbesserung gegenüber jeder Konifere. Sie lässt sich in eine Hecke integrieren und bietet mehrfachen Nutzen auf kleinem Raum: im Frühling eine zauberhafte Blüte, die Insekten freut, im Sommer Beeren zum Naschen für Menschen und Vögel und im Herbst prächtig gefärbtes Laub.

Der ökologische Garten ist ein Lebensraum für heimische Tiere

Ohne die Tiere – vom Regenwurm bis zur Wildbiene – bleibt jeder Garten nur eine leere Kulisse. Zum Glück lassen sie sich einladen, meist nach dem Motto: Weniger ist mehr. – Weniger Mineraldünger, Verzicht auf Spritzmittel und Schneckenkorn, weniger rigoroses Schneiden und Aufräumen, sodass der Garten mehr Deckung bietet. Insektenfreundliche, also offene Blüten erfordern ebenso wenig zusätzlichen Aufwand wie Pflanzen, die zur Freude der Vögel Samenstände tragen, etwa ein paar schöne, verzweigte Sonnenblumen. Für einen Nistkasten findet sich auf jedem Balkon ein Plätzchen, ebenso wie für eine kleine Wasserstelle oder ein Insektenhotel.

Überflüssig im Naturgarten ist dagegen technischer Overkill wie der Laubsauger und automatischer Rasenmäher. Wer, statt allherbstlich alles Leben erbarmungslos zu schreddern und nackte Ödnis zurückzulassen, die wertvolle Ressource Laub einfach an geeigneten Stellen liegen lässt, schützt den Boden ebenso wie unzählige Überwinterungsgäste von Käfer bis Igel. Eine ebenso schöne wie einfache Hilfe für bedrohte Insekten ist es, im Herbst reichlich Krokusse zu pflanzen. Diese versorgen Hummeln und Bienen beim Neustart im Frühjahr mit ersten Pollen.

Im kleinen Kosmos vor der Tür geht es also nie um Mühe, Plage, Ideologie, sondern um Leben, Freude an der Vielfalt und Kreativität. Risiken und Nebenwirkungen gibt es allerdings: Unversehens kann einen das Gartenvirus heftig erwischen. Das passiert gern, sobald man herausgefunden hat, wie einfach sich Köstlichkeiten wie Salat, Kräuter und Tomaten direkt am Haus ziehen lassen. Da sind dem Experimentieren in Garten und Küche bald keine Grenzen mehr gesetzt: Willkommen in einer der ältesten, glückbringendsten und vergnüglichsten Leidenschaften der Menschheitsgeschichte.

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