Umwelt

Mykorrhiza-Pilze: unsichtbare Klimaschützer

Mykorrhiza-Pilze gehen mit Pflanzen eine lebenswichtige Symbiose ein und speichern dabei viel Kohlenstoff im Boden. Sie werden oft unterschätzt, könnten aber entscheidend für den Klimaschutz sein.

Grob unterscheiden Biologen drei Kategorien Pilze: Jene, die sich von abgestorbenen Pflanzenresten ernähren wie Champignons und Austernpilze, parasitäre Pilze und solche, die mit Pflanzen in Symbiose leben, die Mykorrhiza- oder Wurzelpilze. Alle spielen eine wichtige Rolle im Stoffkreislauf der Natur, den Mykorrhizen aber kommt eine besondere Bedeutung zu. 

Was sind Mykorrhiza-Pilze?

Die Mykorrhiza (griechisch für Pilzwurzel) ist eine der erfolgreichsten Symbiosen auf unserem Planeten: Bis zu 90 Prozent aller Landpflanzen gehen mit Pilzen einen solchen Bund fürs Leben ein. Bekannte Vertreter sind etwa Steinpilze und Pfifferlinge. Die hutartigen Gebilde dienen der Vermehrung, sie machen jedoch nur einen winzigen Teil der Biomasse des eigentlichen Pilzes aus. Dieser bildet, verborgen in der Erde, ein kilometerlanges Geflecht aus feinsten Fäden, das sogenannte Myzel. 

Die Rolle der Mykorrhiza-Pilze im Kohlenstoffkreislauf

„Pflanzenwurzeln haben eine gewisse Reichweite, sie sind aber vergleichsweise grob. Pilzhyphen sind viel feiner und können viel besser in die kleinen Spalten dringen, wo vielleicht noch Wasser zu finden ist“, erklärt die Mykologin und Professorin Meike Piepenbring von der Universität Frankfurt am Main. Die hauchdünnen Pilzfäden umhüllen die Pflanzenwurzeln und versorgen diese mit Wasser und lebenswichtigen Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff. Im Gegenzug ernähren Pflanzen ihre Pilzpartner mit energiereichen Kohlenstoffverbindungen wie Zucker, die sie durch Fotosynthese herstellen.

Einen Teil des im Zucker gebundenen Kohlenstoffs setzen Wurzelpilze bei ihrer Energiegewinnung als CO₂ wieder frei. Den anderen Teil des Kohlenstoffs nutzen sie aber, um ihr Myzel auszubauen und in tiefere Bodenschichten zu dringen. So finden sich in einem Kubikzentimeter Boden, etwa einem Teelöffel Erde, bis zu 2000 Meter Pilzfäden. Mykorrhizapilze speichern auf diese Weise große Mengen Kohlenstoff und tragen so zum Klimaschutz bei.

Wenn im Wald keine Mykorrhiza-Pilze vorhanden wären, würde an vielen Stellen kein Wald stehen

Meike Piepenbring

Wie bedeutend ihr Beitrag ist, hat 2023 ein internationales Forscherteam erstmalig berechnet: Demnach gelangen jährlich gewaltige 13 Milliarden Tonnen Kohlenstoff über den Pflanze-Pilz-Transfer in den Boden – das sind mehr als ein Drittel (36 Prozent) der jährlich vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. Laut Autoren geben Pflanzen drei bis 13 Prozent ihrer produzierten Kohlenstoffverbindungen an ihre Pilzpartner weiter. Den errechneten Werten liegen Schätzungen zugrunde, Pilze könnten also weniger oder auch noch mehr Kohlenstoff speichern. Sicher sei aber, dass es sich um erhebliche Mengen Kohlenstoff handelt, so das Forscherteam. 

Auch Meike Piepenbring wird nicht müde, die Bedeutung der Mykorrhizen zu betonen: „Wenn im Wald keine Mykorrhiza-Pilze vorhanden wären, würde an vielen Stellen kein Wald stehen, weil der Boden zu schlecht und die Wasserversorgung nicht kontinuierlich genug wäre.“ Für die Forscherin ist deshalb klar: Die besondere Beziehung von Pilzen und Pflanzen muss in Zeiten des Klimawandels berücksichtigt werden: „Wenn wir wiederbewalden wollen, um mehr Kohlenstoff zu binden, sollten wir auf die Mykorrhizapilze achten, also Böden mit entsprechender Pilzbesiedlung auswählen oder Mykorrhizapilze gezielt einsetzen.“

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Wie Mykorrhiza-Pilze Erosion verhindern

Das gilt auch in der Landwirtschaft. Die Welternährungsorganisation (FAO) warnte 2022, dass bis zum Jahr 2050 ein Großteil der landwirtschaftlich nutzbaren Böden weltweit an Fruchtbarkeit verlieren könnten. Überweidung, Abholzung und Intensivlandwirtschaft führen zur Erosion der fruchtbaren Bodenschichten. Damit schwindet nicht nur die Nahrungsgrundlage der Menschheit, sondern auch der Lebensraum Tausender Arten – und ein bedeutender Kohlenstoffspeicher. 

Mykorrhizen, die ihre Pflanzenpartner mit Nährstoffen und Wasser versorgen, erfüllen in dieser Situation eine besondere Rolle: „Sie unterstützen Pflanzen auf stark erodierten Böden und sie haben in trockenen Böden einen besonders positiven Effekt“, erklärt Mika Tarkka, Bodenkundler und Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Hinzu kommt, dass Mykorrhizapilze mit ihrem Myzel den Boden bis in den letzten Winkel durchdringen und dadurch Erosion vorbeugen. Auf diese Weise könnten Mykorrhizen auch indirekt zum Klimaschutz beitragen: indem weniger Wälder zur Gewinnung neuer, fruchtbarer Nutzflächen gerodet werden müssen. 

Was Pilzmyzel kann!

Pilzmyzel gilt als natürlicher und vielseitiger Rohstoff, der erdölbasierte Produkte ersetzen könnte. Die Zucht gelingt leicht in Fermentationstanks; als Futter dienen Abfälle wie Stroh, Sägemehl, Kartoffelschalen oder Rübenreste aus der regionalen Land- und Forstwirtschaft.

Aus Pilzmyzel lassen sich unterschiedlichste Produkte entwickeln, etwa Dämmmaterialien wie Styroporersatz, Verpackungen und Lederersatzprodukte, die je nach Kulturbedingungen feste, weiche oder flexible Eigenschaften aufweisen können. 

Pilzmyzel gilt außerdem als guter Fleischersatz: Das Myzel ist reich an Umami, dem würzigen Geschmack, den man auch aus Fleisch kennt. Es enthält zudem Filamente, die der Struktur von Fleischfibrillen ähneln, wodurch sich eine fleischähnliche Konsistenz erreichen lässt. 

Produkte aus Pilzmyzel sind noch selten, aber grundsätzlich ressourcenschonend, energie- und CO₂-arm in der Herstellung und zudem biologisch abbaubar

So erhöhen Mykorrhiza-Pilze die Bodenfruchtbarkeit

„Es gibt mittlerweile viel Wissen dazu, wie man Mykorrhizapilze einsetzen kann, um die Erträge zu steigern und Pflanzen resistenter zu machen“, sagt Piepenbring, „allerdings muss man andere Kulturtechniken anwenden, denn das Pflügen etwa zerreißt die Myzelien und führt dazu, dass die Böden wichtige Pilze verlieren.“ Zudem schadet ihnen der hohe Pestizid- und Düngereinsatz.  Mika Tarkka rät: „Wir müssen zu einer nachhaltigeren Landnutzung finden, um diese wichtige Symbiose und so die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und den Kohlenstoff im Boden zu lassen.“

Fragen und Antworten zu Mykorrhiza-Pilze

Was sind Mykorrhiza-Pilze?
  • Mykorrhiza-Pilze sind Pilze, die in Symbiose mit Pflanzenwurzeln leben und dabei den Austausch von Nährstoffen fördern. Bekannte Vertreter sind zum Beispiel Steinpilze und Pfifferlinge. 

Wie tragen Mykorrhiza-Pilze zum Klimaschutz bei?

 Sie speichern große Mengen an Kohlenstoff im Boden und reduzieren dadurch den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre.

Welche Pflanzen profitieren von Mykorrhiza?

Bis zu 90 Prozent aller Landpflanzen, einschließlich vieler Nutzpflanzen, gehen eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen ein.

Wie fördern Mykorrhiza-Pilze die Bodenfruchtbarkeit?

Sie verbessern die Nährstoffaufnahme der Pflanzen und stabilisieren die Bodenstruktur, was zu einer höheren Bodenfruchtbarkeit führt.

Können Mykorrhiza-Pilze in der Landwirtschaft genutzt werden?

 Ja, ihr Einsatz kann die Pflanzengesundheit verbessern, Erträge steigern und zur nachhaltigen Bodenbewirtschaftung beitragen.

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Kommentare

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Bernhard Dr. Weßling

Diese Kenntnisse sind viel zu wenig verbreitet. Mir ist der Aspekt "Nutzung von Pilzmycel" nicht so wichtig wie der Beitrag der Mykorrhizae zur Artenvielfalt und zum Klimaschutz. Leider wird "Klima" weithin für wichtiger gehalten als Biodiversität, und für's Klima werden Technologien wie DAC, CCS erfunden und investiert - die aber definitiv nicht nachhaltig sind. Was heißt "Nachhaltigkeit", wie kann man es messen, objektiv beurteilen? Dazu habe ich ein neues Konzept erarbeitet: Entropie als Kriterium für Nachhaltigkeit (siehe www.bernhard-wessling.com). Und weil diese Technologien sich bei der Analyse als nicht nachhaltig erwiesen haben, sondern alles andere als nachhaltig, habe ich dort auch als Alternativen die Potenziale natürlicher (bzw regenerierter) Ökosysteme inkl Biolandwirtschaft aufgezeigt. Und da spielen Mykorrhizae eine zentrale Rolle.

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