Umwelt

Unsere Äcker sind voll Plastik

In unseren Böden ist viel mehr Mikroplastik als in den Meeren. Teilweise wird es bewusst aufs Feld gebracht. Warum das gefährlich ist.

Mit Schnüren gefesselte Schildkröten, Wal-Mägen voller Tüten – diese Bilder haben Menschen weltweit auf das Problem Plastikmüll im Meer aufmerksam gemacht. Dass auch Bodenlebewesen wie Pilze oder Würmer Plastikmüll ausgesetzt sind, ist dagegen kaum ein Thema. Dabei zeigen Forschungen, dass unsere Böden weitaus stärker mit Mikroplastik verschmutzt sind als die Meere. Eine neue Studie schätzt, dass jährlich mindestens 19.000 Tonnen Kunststoffe auf Wiesen und Felder gelangen. 81 Prozent werden von außen eingetragen, 19 Prozent entstammen dabei direkt aus der Landwirtschaft.

Risiken des Mikroplastik im Boden

Laut Naturschutzbund Deutschland (Nabu) zeigen Untersuchungen, dass hohe Kunststoffkonzentrationen im Boden das Pflanzenwachstum hemmen und Plastikpartikel in Nanogröße von den Pflanzenwurzeln aufgenommen werden. Mikroplastik könne auch die Bodenfauna, etwa Regenwürmer, schädigen.

Was ist Mikroplastik?

Nach Definition der Europäischen Chemikalienagentur Echa sind Mikrokunststoffe „feste Kunststoffpartikel, die aus Gemischen von Polymeren und funktionalen Zusatzstoffen bestehen“. Mikroplastik wird entweder absichtlich hergestellt – etwa als Granulat in Kunstrasenplätzen – oder es wird unabsichtlich gebildet, etwa durch den Abrieb von Reifen.

Die Echa schätzt, dass jährlich rund 42.000 Tonnen absichtlich und 176.000 Tonnen unabsichtlich produziertes Mikroplastik in der Umwelt Europas landen. Über Meerestiere oder Pflanzen gelangt es in die menschliche Nahrungskette. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnt, bei Meerestieren, die kleine Kunststoffteilchen aufnehmen, ließen sich Gewebeveränderungen und Entzündungsreaktionen feststellen. An die Partikel können sich Gifte oder Schmutz anheften, die auch in Pflanzen oder den Körper von Mensch und Tier eindringen können.

Verbraucher sollten daher etwa auf Kosmetika und Waschmittel mit Mikroplastik verzichten und ihre Biotonne frei von Kunststoff-Beuteln halten.

Wie kommt Mikroplastik in den Boden?

Über diese drei Wege findet Mikroplastik den Weg auf unsere Äcker: Klärschlamm, Kompost und der Landbau selbst.

1. Klärschlamm: Von Reifenabrieb bis Putzmittel

Mehr als die Hälfte der Menge an Mikroplastik stammt aus Klärschlamm. Der wird als Dünger eingesetzt, da er Nährstoffe wie etwa Phosphor enthält. Aber: „Kläranlagen sind die Nieren unserer Kommunen“, sagt Bertling. „Vom Reifenabrieb im Regenwasser über Putzmittel bis zu Kunststofffasern aus der Textilwäsche landet alles darin.“ Zudem nutzen die Anlagen Hilfsmittel aus Polyacrylamiden – Kunststoffe, die zum Teil im gereinigten Wasser verbleiben.

Im ökologischen Landbau ist Klärschlamm als Düngemittel grundsätzlich verboten. Auch in der konventionellen Landwirtschaft müssen Landwirte den Einsatz von Klärschlamm in den nächsten Jahren schrittweise reduzieren. Katarina Istel, Ressourcenexpertin des Nabu fordert aber, der Einsatz müsse schneller verboten werden. Der Klärschlamm müsse verbrannt und das darin enthaltene Phosphor zurückgewonnen werden.

2. Kompost: Mikroplastik aus Kompostieranlagen

Kompost und Gärreste verursachen acht Prozent der von außen eingebrachten Kunststoffemissionen. „Anders als Klärschlamm trägt Kompost zum Humusaufbau bei“, sagt Istel, „darum ist es richtig, ihn weiter zu nutzen“.

Höfe, die dem Anbauverband Demeter angehören, verzichten auf Kompost aus Anlagen. „Sie verwenden betriebseigenen Kompost, der in der Regel keine Probleme mit Mikroplastik hat“, sagt Demeter-Sprecherin Susanne Kiebler. Betriebe, die nicht genügend eigenen Kompost produzieren, nehmen weniger belasteten Grünschnittkompost hinzu.

Der Anbauverband Bioland hat eigene Kompost-Kriterien eingeführt, die auch überwacht werden. „In den Kriterien ist festgelegt, dass auslesbare Feststoffe wie Plastikteile nicht mehr als 0,3 Prozent der Kompost-Trockenmasse betragen“, sagt der Sprecher von Bioland, Leon Mohr.

3. Landbau: Bauern säen Kunststoff

Rund 3.600 Tonnen Kunststoff bringen die Landwirte selbst in die Böden ein, als Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Bodenverbesserer, Saatgut oder mit Folien. In der konventionellen Landwirtschaft sorgen etwa Polyurethane oder Harnstoffharze im Dünger dafür, dass Stickstoff, Phosphor und Mineralien langsam und gleichmäßig abgegeben werden. Das „Coating“ mit Polyacrylamiden oder Polyvinylalkoholen soll Saatgut schützen und bindet Chemikalien, mit denen Samen gegen Pilze behandelt werden. Bodenverbesserer in Form von Schaumstoffen oder Gelen sollen den Boden auflockern und etwa Erdbeeren oder Gemüse langfristig mit Wasser versorgen. Bei intensiver Nutzung bringen sie zum Teil über 400 Kilogramm Mikroplastik pro Jahr und Hektar in die Böden.

Die Bio-Verbände versuchen, den Plastikeintrag zu vermindern. Demeter schreibt vor, dass etwa Mulchfolie entweder mehrfach verwendbar oder in einen Recycling-Kreislauf eingebettet sein müsse. Bioland-Regeln besagen, dass Betriebe „maximal fünf Prozent der gemüsebaulich genutzten Freilandflächen mit Mulchfolie, Mulchvlies oder Mulchpapier bedecken dürfen“, sagt Mohr.

„In den vergangenen Jahren sind Millionen­summen ausgegeben worden, um gegen Plastikmüll im Meer vorzugehen“, sagt Katarina Istel vom Nabu. Doch in Sachen Mikroplastik in landwirtschaftlichen Böden bestünde immenser Forschungsbedarf. Es gehe jetzt darum, Kunststoffeinträge in die Landschaft schnell zu reduzieren, denn Mikroplastik aus Böden zu entfernen, „ist ökologisch und ökonomisch unmöglich“, so Istel.

Mehr zum Thema

Dohrn, Susanne: Der Boden. Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel. Ch. Links Verlag, 2019, 256 Seiten, 18€

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