Umwelt

Warum Lichtverschmutzung ein Problem ist

Licht ist Leben. Aber Dunkelheit auch. Mensch und Tier brauchen beides, doch gerade an Dunkelheit mangelt es oft. Chronobiologen, Naturschützer und Astronomen warnen vor Lichtverschmutzung.

Lichtverschmutzung? Licht ist doch der Motor der Moderne! Symbol für Wohlstand, Zivilisation, Sicherheit … Genau das wird wohl gerade zum Problem. Da wir hell mit positiv verbinden, versammeln wir um uns herum immer mehr Licht. Durch moderne LED-Technik sparen wir in unseren Zimmern, Straßen und Gebäuden, Schaufenstern zwar bis zu 80 Prozent Energie, dennoch leuchten gerade die Ballungszentren immer stärker – zum Teil 4.000-mal heller als das natürliche Nachtlicht. Unser vermeintliches Positivdenken lässt Sterne erblassen. Und dabei ist kaum jemandem bewusst, dass uns der Trend zu mehr Helligkeit oft aus dem Takt bringt und Tiere bedroht.

Warum zu viel Licht für Tiere schlecht ist

Vor allem Insekten sind betroffen, erläutert Zoologe Julian Heiermann vom Nabu (Naturschutzbund Deutschland e.V.): „Die Hälfte von ihnen ist nachts unterwegs und orientiert sich dabei am Mond. Wenn sie aber stattdessen eine Laterne anvisieren, geraten sie in eine Lichtfalle. Weil sie versuchen, ihren Kurs zu korrigieren fliegen sie automatisch im Kreis. Sie kommen nicht wieder aus dem Bann des Lichts heraus. Sie fressen nicht, schützen sich nicht vor Fressfeinden, suchen keinen Geschlechtspartner. Milliarden gehen dabei zu Grunde.“ Und fehlen im Netz der Artenvielfalt, wo sie gebraucht werden. Als Bestäuber ebenso wie als Futter für Vögel, Fische und Fledermäuse. Fatale Auswirkungen haben vor allem Sky-beamer oder stark beleuchtete Hochhäuser.

Denn sie irritieren und blenden Zugvögel, sagt der Naturschützer: Sehr viele Vogelarten sind nachts unterwegs und auch sie orientieren sich am Sternenhimmel. „Es kommt immer wieder vor, dass ganze Trupps von Kranichen mitten in einer Stadt landen und dort miteinander und mit Gebäuden kollidieren. Aber auch Amphibien sind betroffen. Bei der Krötenwanderung kann man manchmal sehen, dass Frösche oder Kröten im Halbkreis um eine Lampe sitzen, anstatt zum Laichgewässer zu marschieren“.

Ab wann schadet Licht dem Menschen?

Weniger offensichtlich ist dagegen die Irritation der biologischen Rhythmen von Mensch und Tier. Alle Lebewesen, sogar Algen oder Plankton leben nach einem inneren Zeittakt. Das besondere an dieser inneren Uhr: Sie entspricht der äußeren Tageszeit nur in etwa und variiert individuell zwischen 20 und 28 Stunden, wenn alle Zeitgeber ausgeschaltet sind. Durch Tageslicht wird der Zirka-Tag dem 24-Stunden-Tag und dem Jahreszeitenrhythmus angepasst. Wenn es allerdings nachts nicht dunkel genug wird, weil etwa Straßenlampen übermäßig strahlen, können Nachtfalter nicht die ebenfalls nachtaktiven Pflanzen bestäuben, zu denen beispielsweise Holunder, Linde oder viele Küchenkräuter gehören.

Menschen wiederum, denen eine Lampe ins Schlafzimmer scheint, können nicht gut schlafen. Der Effekt: Wir durchleben eine Art Jetlag (siehe Interview). Erstaunlicherweise gerät das Thema Licht erst langsam in den Fokus. „Naturschutz hörte in Deutschland lange um fünf Uhr auf – wenn alle Feierabend haben“, bedauert etwa Sabine Frank, die sich seit Jahren in der Rhön für weniger Lichtverschmutzung engagiert und 2010 die „Initiative zum Schutz der Nacht vor Ort“ gegründet hat.

Tipps für weniger Lichtverschmutzung

  • Intensität überprüfen
    Im Haus sollte man möglichst nur warme Leuchten unter 3 000 Lux nutzen. Erstens reicht das, zweitens irritiert das unser Müdigkeitshormon weniger und wir können besser schlafen.
  • Insektenfreundlich warm
    Für die Außenbeleuchtung gilt: kein kaltweißes, bläuliches Licht verwenden, denn es zieht Insekten an. Besser sind warmweiße LEDs, am besten abgeschirmt und so ausgerichtet, dass sie nur die wirklich wichtigen Punkte erleuchten.
  • Kein Licht im Bad
    Helle Beleuchtung im Bad macht vor dem Schlafen und beim nächtlichen Toilettengang wieder wach. Tipp: mit roter Folie überklebte Taschenlampe nutzen, kaltweiße LEDs aus dem Bad verbannen.
  • Langsam runterfahren
    Moderne digitale Endgeräte können ihre Displays abends automatisch in ein wärmeres Farbspektrum überführen. Für ältere Geräte gibt es zum Beispiel die kostenlose Software f.lux, die die Monitor-Farbtemperatur der Tageszeit anpasst. Je später der Abend, desto pinker der Bildschirm, Blauanteile werden peu à peu ausgefiltert. Das stützt den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus.

Während man auf Satellitenfotos die Rhön jetzt schon kaum sieht, strahlen Berlin oder Ballungszentren wie das Rhein-Main-Gebiet sehr hell. Immerhin gibt es in Berlin seit 2011 ein einheitliches Lichtkonzept für die ganze Stadt, das nun peu à peu Licht reduziert oder ökologisch verträglich gestaltet.

Bislang gibt es keine Richtlinien, die vorgeben, wie hell es maximal auf unseren Straßen sein darf, bedauert Chronobiologin Annette Krop-Benesch, die in ihrem Buch „Licht aus!?“ die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Mensch und Umwelt genau untersucht hat. Es gebe „nur Verordnungen, die Minimalwerte festlegen“ – und die orientieren sich an unserem Sicherheitsempfinden. Dabei wurde bisher noch nie geprüft, wie viel Licht wir brauchen, um uns nachts gut zurechtzufinden. Einen vielversprechenden Aufschlag dazu hat inzwischen das Bundesamt für Naturschutz gemacht. Der gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und dem Institut für Umwelt- und Planungsrecht erarbeitete „Leitfaden zur Neugestaltung und Umrüstung von Außenbeleuchtungsanlagen“ gibt Städten und Kommunen eine gute Orientierung für eine intelligente und nachhaltige Lichtkonzepte.

Tatsächlich kann unser Auge ein sehr breites Lichtspektrum wahrnehmen, kommt aber besser mit gleichmäßig geringer Beleuchtung zurecht als mit harten Hell-Dunkel-Kontrasten. Das gilt insbesondere nachts und für Ältere, deren Augen sich nicht mehr so schnell anpassen können. Ein Hoffnungsschimmer: Im internationalen Vergleich schneiden wir in Sachen Lichtverschmutzung recht gut ab. Und mal ehrlich: Was spricht dagegen, mal das Licht auszuschalten, die Kerze anzuzünden und den Sternenhimmel zu genießen? Mit einem Glas Wein dazu … traumhaft!

Weiterlesen zu Lichtverschmutzung

  • www.lichtverschmutzung.de
    Die Webseite der Initiative DARK SKY bemüht sich um Aufklärung. Mit vielen Infos und Tipps, wie wir die nächtliche Artenvielfalt schützen können, ohne auf Sicherheit zu verzichten.
  • www.verlustdernacht.de
    Die Online-Plattform des Bundesforschungsprojekts Verlust der Nacht, in dem Wissenschaftler erstmals fachübergreifend die vielfältigen Auswirkungen, aber auch die Ursachen der zunehmenden Beleuchtung der Nacht erforschen.
  • www.sciencestarter.de
    Unter „Skyglow Berlin“ ist das Projekt des Physikers Christopher Kyba und der Chronobiologin Annette Krop-Benesch zu finden: Schüler „forschen mit“ zum Thema Lichtverschmutzung.
  • www.rhöner-sternennacht.de
    Die Homepage der Initiative zum Schutz der Nacht in der Rhön von Sabine Frank versorgt mit Informationen zum Sternenhimmel. Außerdem: Termine zu Sternführungen sowie Infos zum Projekt Sternenpark im Biosphärenreservat, das von ihr initiiert wurde.
  • Krop-Benesch, Annette: Licht aus!? Lichtverschmutzung – Die unterschätzte Gefahr. Rowohlt, 2019, 256 Seiten, 12,00 Euro
  • Posch, Thomas et al.: Das Ende der Nacht.Wiley-VCH-Verlag, 2013, 151 Seiten, 29,00 Euro
  • Roenneberg, Till: Wie wir ticken. Die Bedeutung der Chronobiologie für unser Leben. Dumont Verlag, 2012, 316 Seiten, 9,99 Euro

Der ursprüngliche Text stammt aus dem Jahr 2013 und wurde an einigen Stellen entsprechend aktualisiert.

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