Sie protestieren gegen Kohle, Öl und Atomkraft, für mehr Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft. Ihr Protest ist mal lauter, mal leiser, mal bekommt er mehr, mal weniger mediale Aufmerksamkeit. Und obwohl Corona die Protestierenden zeitweise von den Straßen verbannt hat, bleiben ihre Forderungen akut. Denn die Klimakrise bedroht Menschen und die Gesundheit unseres Planeten. Wir stellen Initiativen hinter den Klimaprotesten vor.
Petitionen: Unterschriften fürs Klima
Artikel 17 unseres Grundgesetzes räumt allen Bürgerinnen und Bürgern das Recht ein, sich schriftlich bei ihren Volksvertretungen zu beschweren. Vor allem im starken Protestjahr 2019 wurden zahlreiche Klima-Petitionen im deutschen Petitionsausschuss eingereicht. Einige von ihnen, darunter Dieselfahrverbote und Tempolimits, wurden anschließend im deutschen Bundestag diskutiert.
Damit eine Petition so laut ist, dass sie im Bundestag gehört wird, braucht sie mindestens 50.000 Unterstützer.
Damit eine Petition so laut ist, dass sie im Bundestag gehört wird, braucht sie mindestens 50.000 Unterstützer. Um diese zu finden, ist das Internet inzwischen die stärkste treibende Kraft. Diese nutzt Christoph Bautz, der Geschäftsführer von Campact: „Unser E-Mail-Verteiler umfasst 2,3 Millionen Menschen und ist damit einer der größten politischen Verteiler Deutschlands. Seit 2010 haben wir regelmäßig Klima-Themen auf unserer Agenda und nehmen mit unseren Appellen, Kampagnen und Aktionen direkt Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse.“
Im Verein sind etwa 100 Menschen hauptberuflich tätig, um politischen Druck für mehr Klima- und Umweltschutz, Demokratie und soziale Gerechtigkeit zu erzeugen. Christoph Bautz sieht im Internet eine gute Möglichkeit, dass auch Menschen mit wenig Zeit sich durch das Unterzeichnen von Petitionen für eine bessere, gerechtere Welt engagieren können. „Und alle, die mehr Zeit haben, können übers Netz erfahren, wo sie sich darüber hinaus einbringen können, etwa bei Demonstrationen oder Protestaktionen.“
Petitionen starten, finden und unterzeichnen ...
... könnt ihr zum Beispiel hier:
Bürgerbegehren: Mitgestalten vor Ort
Ein gutes Mittel, sich auf kommunaler Ebene politisch für mehr Klimaschutz stark zu machen, ist das Bürgerbegehren. Dabei wenden sich Bürgerinnen und Bürger an ihre kommunalen Entscheidungsträger und können so zum Beispiel einen früheren Kohleausstieg, mehr Ökostrom in den Stadtwerken oder bessere Fahrradwege herbeiführen. Für das Bürgerbegehren müssen Unterschriften gesammelt werden. Die benötigte Anzahl variiert: in München braucht es etwa drei Prozent der Wahlberechtigten, in Dresden fünf Prozent.
Nimmt die jeweilige Instanz das Bürgerbegehren nicht widerspruchslos an, erfolgt ein Bürgerentscheid. Je nach Bundesland müssen etwa 20 Prozent aller Wahlberechtigten für das Vorhaben stimmen. Gelingt dies, müssen die kommunalen Verantwortungsträger das Bürgerbegehren umsetzen.
Mehr Informationen zu Bürgerbegehren:
Fridays for Future: Schulstreiks und mehr
Dass die Klimakrise auch nur ansatzweise die Aufmerksamkeit bekommt, die ihr gebührt, verdanken wir neben den Aktionen großer Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace vor allem Greta Thunberg und Fridays for Future. Greta streikte erstmals im August 2018. Bereits ein halbes Jahr später fand der erste weltweit organisierte Klimastreik mit mehr als 1,5 Millionen Teilnehmenden statt. Die Fridays haben die Klimakrise in die Mitte der Gesellschaft gebracht. Sie agieren auf Bundesebene und in regionalen Ortsgruppen. Maia Stimming von Fridays for Future Hamburg sagt: „Wir bleiben laut und aktiv, auch wenn Corona und der Ukraine-Krieg die mediale Aufmerksamkeit von der Klimakrise weggelenkt haben. Wir nutzen das Internet und die sozialen Medien, aber die Kraft unserer Bewegung liegt definitiv auf der Straße.“
Mit den Fridays hat es angefangen, inzwischen gibt es in Deutschland über 40 „For-Future“-Bewegungen, darunter etwa Parents for Future, Scientists for Future und viele mehr. Hier findet ihr einen Überblick: for-future-buendnis.de
Für viele bewegen sich die Schulstreiks der Fridays bereits an der Grenze zum zivilen Ungehorsam. Denn immerhin gibt es in Deutschland eine Schulpflicht, die hier mit anderen rechtlichen Grundsätzen, wie der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, kollidiert. Bislang wird auf radikalere Protestformen wie Anketten oder Blockaden verzichtet – so ist die Hemmschwelle zum Mitdemonstrieren relativ gering. Die Wut im Bauch und die Hoffnung im Herzen reichen aus, um in die Forderungen nach mehr Klimagerechtigkeit mit einzustimmen.
Streiktermine: Wann und wo kann ich mit Fridays for Future demonstrieren?
Hier findet ihr die nächsten Fridays-for-Future-Streiks in Deutschland.
Extinction Rebellion: Straßenblockaden und Baumdemos
Straßenblockaden durch Gruppen oder Einzelpersonen, künstlerische Inszenierungen von Klima-Tatorten oder Baum-Demos für den Dannenröder Forst: die Aktionen von Extinction Rebellion sind vielfältig. Pressesprecherin Manon Gerhardt erklärt: „Individuelles, klimafreundliches Verhalten wie Veganismus und Fahrradfahren sind wichtig, reichen aber nicht aus, um die Klimakrise zu lösen. Die Verantwortung liegt bei der Politik. Wir müssen sie zum Handeln bewegen.“
Neben effektivem Klimaschutz drängt ihre Initiative auf mehr direkte Demokratie – etwa in Form von Bürgerräten. Um die Menschen zu erreichen, setzen die Rebellen vor allem auf den direkten Austausch. Wie, das erzählt Manon Gerhardt: „Bei Talks in Nachbarschaftsheimen, Cafés und an anderen Orten informieren wir über die Zusammenhänge der Klimakrise und machen Mut, sich politisch zu engagieren.“ Wer bei Aktionen mitmachen möchte, wird dafür vorbereitet, unter anderem mit gezielten Trainings für Konfrontationen mit der Polizei.
Aktiv werden bei Extinction Rebellion
Findet hier die nächsten Aktionen und eine Ortsgruppe in eurer Nähe.
Letzte Generation & Co.: Von Hungerstreik bis Pipeline abdrehen
Auch Carla Hinrichs von der Letzten Generation bestätigt: „Aktions-Trainings sind wichtig, damit die Klimabewegung friedlich bleibt.“ Die Initiative erregte erstmals im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 Aufsehen, als sieben Mitglieder mit einem Hungerstreik politischen Druck fürs Klima machten. Nach 28 Tagen reagierte der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz und erklärte sich zu einem Gespräch mit den Streikenden bereit. Das war der Auftakt. Carla Hinrichs erzählt: „Ende Januar waren wir etwa 30 Aktivisten und Aktivistinnen, inzwischen sind wir um die 200 Menschen, die bereit sind, sich mit Leib und Seele für ein Ende des fossilen Wahnsinns einzusetzen.“ Konkret versuchen sie eigenhändig Öl-Pipelines abzudrehen oder sie ketten und kleben sich an Raffinerien, Brücken und Straßen fest. Dafür landen sie nicht selten für einige Stunden, manchmal Tage in Polizeigewahrsam. Carla Hinrichs selbst hat ihr Jurastudium unterbrochen, um sich ganz auf ihr Engagement bei der Letzten Generation zu konzentrieren. „Neben unseren Protestaktionen organisieren wir Vorträge in ganz Deutschland, vernetzen uns mit anderen Initiativen und schulen unsere Teilnehmer. Dafür braucht es vollen Einsatz.“
Von den Aktionen her ähnlich, jedoch thematisch fokussierter, treten die Initiativen Ende Gelände und Sand im Getriebe auf. Erstere konzentriert ihre Aktionen auf den Kohleausstieg, Sand im Getriebe fordert die Entmachtung von Autokonzernen.
Trotz unterschiedlicher Vorgehensweisen und obwohl der Frust eher zu- als abnimmt, eint die Klimabewegung bis heute das Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit. Für Maia Stimming von Fridays for Future ist das Problem, „dass die Regierung angesichts der Krise immer noch nicht angemessen handelt“. Für sie und ihre Mitstreiter ist es daher eine logische Konsequenz, dass die Protestformen immer deutlicher und lauter werden. Einige bezeichnen die Aktionen als Nötigung und Erpressung, andere alarmieren bereits den Verfassungsschutz.
Ist ziviler Ungehorsam okay?
Radikalisiert sich die Klimaprotestbewegung? Manon Gerhardt von Extinction Rebellion beantwortet die Frage so: „Was wir als radikal empfinden, ist die Ignoranz der politischen und wirtschaftlichen Eliten, die die überdeutlichen Warnsignale seit Jahrzehnten zugunsten kurzfristiger Profite ignorieren.“ Trotzdem ist Gewalt für keine der Initiativen ein geeignetes Mittel zum Zweck. Carla Hinrichs von der Letzten Generation bekräftigt: „Wenn wir es nicht schaffen, gewaltfrei zu bleiben, sind wir gescheitert.“ Um politische, gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, müssen Klimaprotestler ausdauernd, kreativ und mutig sein – und dabei die Nerven behalten. Das ist nicht immer ganz einfach. Denn „obwohl unsere Demonstrationen angemeldet und legal sind,“ erzählt Maia Stimming, „hat auch Fridays for Future immer wieder kleinere Auseinandersetzungen mit der Polizei – neulich weil wir eine Lichterkette aufhängen wollten. Das ist unnötig und lästig.“
Auch der Sozialphilosoph Robin Celikates (hier unser Interview rund um zuvilen Ungehorsam) wünscht sich ein wohlwollenderes Verhalten seitens der Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Ginge es nach Christoph Bautz, müsste das Demonstrationsrecht deutlich gelockert werden. Und Manon Gerhardt verweist auf die Dringlichkeit des Anliegens: „Nicht Handeln bedeutet Millionen vermeidbare Klima-Opfer.“ Deshalb protestieren sie alle für einen besseren Klimaschutz und eine lebenswerte Zukunft. Online, offline, individuell, gemeinsam, ungehorsam – aber auf alle Fälle friedlich.
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