„Schreibe einen Text über den Einsatz künstlicher Intelligenz im Öko-Landbau“ – als ich ChatGPT auffordere, diesen Artikel für mich zu schreiben, ist mir etwas flau im Magen. Für mich als Autorin ist künstliche Intelligenz (KI) eine existenzielle Bedrohung. In vielen anderen Berufsfeldern wird sie hingegen als revolutionäres Mittel zur Arbeitserleichterung gefeiert – zum Beispiel in der Landwirtschaft.
Wie KI die Landwirtschaft verändert
Laut einer Bitkom-Studie beschäftigt sich bereits jeder zweite Hof in Deutschland mit den Einsatzmöglichkeiten von KI im Stall, auf dem Acker oder im Büro. Rund neun Prozent der Betriebe nutzen entsprechende Hard- und Software. Künstliche Intelligenz kann den perfekten Saat- und Erntezeitpunkt vorhersagen, Nutzpflanzen von Unkraut unterscheiden, Pflanzenkrankheiten und Schädlinge identifizieren, den Gemüts- und Gesundheitszustand von Tieren analysieren, die Bewässerung optimieren oder E-Mails beantworten. Ganz neu ist der Trend nicht, weiß Professor Martin Atzmüller, der an der Uni Osnabrück zu KI in der Landwirtschaft lehrt und forscht. „Datenerhebung und -verarbeitung spielen in der Landwirtschaft schon lange eine immer wichtigere Rolle. Doch im Bereich Robotik ist gerade in den letzten Jahren sehr viel passiert, sodass wir Maschinen immer erfolgreicher beibringen können, konkrete Arbeiten selbstständiger zu übernehmen“, sagt er. Drohnen etwa können nicht nur Fotos und Videoaufnahmen liefern, sondern direkt bei Aussaat und Pflanzenschutz unterstützen. Und auch Feldmaschinen werden immer schlauer.
Drohnen können nicht nur Fotos und Videoaufnahmen liefern, sondern direkt bei Aussaat und Pflanzenschutz unterstützen.
Auf dem Bioland-Hof Gut Paulinenwäldchen bei Aachen ist das bereits Realität. Hier baut Betriebsleiter Volker Gauchel auf 100 Hektar Bio-Gemüse und -Getreide an. Weil Herbizide tabu sind, muss Gauchel ungewollte Beikräuter manuell entfernen. Vor drei Jahren hat er dafür eine intelligente Hacke gekauft. „Die Maschine erkennt im Prinzip alle Nutzpflanzen, die angelernt wurden. Bei uns sind das zum Beispiel Kohlrabi, Sellerie, Kürbis oder Fenchel in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien – und hackt Konkurrenzpflanzen gezielt raus“, erzählt Gauchel.
So funktioniert die KI-Hacke
Doch bis es so weit war, brauchte er viel Geduld: Rund zwei Jahre dauerte es, bis seine kluge KI-Hacke richtig einsatzfähig war. „Wir haben die Maschine als Prototyp vergünstigt gekauft und dann zusammen mit dem Hersteller praxistauglich gemacht. Die Pflanzenerkennung hat von Anfang an ganz gut geklappt. Aber vieles musste technisch nachjustiert werden, damit Nutzpflanzen nicht verletzt und Unkraut erfolgreich beseitigt wird“, so der Bio-Landwirt. Dennoch ist Gauchel überzeugt, dass er dank der KI-gesteuerten Hacke langfristig effizienter wirtschaften wird. Sie erledigt die Arbeit von vier Menschen gleichzeitig und ist zusätzlich bis zu zehn Mal schneller als ein Mensch. Bei Tag und in der Nacht, ohne Pausen und ohne Urlaub. Und sie lernt ständig dazu: Inzwischen erkennt sie auch nach vorne gekippte Bio-Kohlrabi und lässt ihre Wurzelballen unversehrt stehen.
In den letzten drei Jahren hat Volker Gauchel ein Gefühl dafür bekommen, wie sich die Anforderungen an Landwirte künftig verschieben werden. „Die Maschinen müssen überwacht und richtig eingestellt werden. Das geht im Prinzip relativ einfach. Bevor ein Feld bearbeitet wird, sollte man stets einen Test machen und sicherstellen, dass alles wie gewünscht funktioniert. Sonst droht Pflanzenverlust“, warnt er. Zugleich ist er überzeugt, dass die Technik noch längst nicht ausgereizt ist. Er erwartet etwa, dass die KI schon bald berücksichtigen wird, wann es zu nass ist, um auf den Acker zu fahren.
Gegen die zunehmenden Wetterextreme kann sie jedoch nichts ausrichten: Letztes Jahr fiel wegen zu viel Nässe fast 50 Prozent seiner Ernte aus. Gauchel sagt: „Am Klimawandel ändert die Technik nichts. Sie kann höchstens die immer kleiner werdenden Zeitfenster intensiver für die Feldarbeit nutzen.“ Was die KI sicher auch nicht geschafft hätte: Gauchels Kunden dazu zu bewegen, Gut Paulinenwäldchen in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten finanziell unter die Arme zu greifen. So was schaffen nur Menschen, von Herz zu Herz.
Sorgt KI für mehr Tierwohl im Stall?
Nicht nur auf dem Acker, auch im Stall und auf der Weide schlummert für KI viel Potenzial. Auf dem Backensholzer Hof im nordfriesischen Oster-Ohrstedt ermittelt Bio-Landwirt Jasper Metzger-Petersen bereits mit speziellen Halsbändern, wie es seinen rund 500 Kühen geht. Darin eingebaute Mikrofone, Beschleunigungs- und Neigungssensoren liefern wichtige Informationen: Bewegt sich ein Tier ausreichend? Frisst es genug, ist es brünstig, kommt der Nachwuchs? Wie verhält es sich im Vergleich zum Vormonat und zum Rest der Herde?
Je mehr Daten wir erheben, desto besser können wir für das Wohl unserer Tiere sorgen.
Für die Bio-Tierhaltung ist laut Metzger-Petersen eine genaue Tierbeobachtung besonders wichtig, um schnell eingreifen zu können: „Je mehr Daten wir erheben, desto besser können wir für das Wohl unserer Tiere sorgen.“ Deshalb kann er es kaum erwarten, bis neben Sensoren und Mikrofonen auch Kameras und noch klügere Software Einzug in seinen Stall erhalten. Angst davor, überflüssig zu werden, hat er nicht. Der Bio-Landwirt ist überzeugt: „KI wird einer Kuh niemals in die Seele schauen, gut zureden oder sich zu ihr legen und Trost spenden können. Der Mensch als emotionaler Herdenführer ist durch nichts zu ersetzen – und das ist gut so.“
Bio-Acker: Was KI kann – und was nicht
Auch Martin Atzmüller sieht KI als Unterstützung und nicht als Ersatz für menschliche Intelligenz. Er sagt: „KI kann Vorhersagen treffen und Handlungsempfehlungen geben. Es ist und bleibt jedoch wichtig, dass der Mensch letzten Endes die Entscheidungen trifft und jederzeit einschreiten kann.“ Daher müsse sich die landwirtschaftliche Ausbildung unbedingt dem technischen Fortschritt anpassen. Auch der Energieverbrauch für die Server, das Risiko von Cyberkriminalität und der Schutz persönlicher Daten müssten mitgedacht werden. Atzmüller sagt: „Systeme, die ständig mit dem Internet verbunden sein müssen, sind da grundsätzlich anfälliger. Auf dem Land müssen sie aber ohnehin öfter ohne ständige Internetanbindung auskommen können, denn wo es viel Feld gibt, gibt es oft nur wenig Internet.“ Gleichzeitig sei eine solide Datengrundlage entscheidend dafür, ob KI in der Landwirtschaft für eine Evolution oder für eine Revolution sorgen wird. Je mehr Daten, desto schneller der Fortschritt. Aufzuhalten sei sie nicht mehr, ist der Wissenschaftler überzeugt.
Als ich den Text von ChatGPT mit meinem Artikel vergleiche, bin ich erleichtert. Statt Erfahrungsberichten echter Menschen hat die KI nur dröge Fakten ausgespuckt. Fürs erste bin ich beruhigt. Und falls sie mich als Autorin irgendwann doch ersetzen sollte, schule ich zur Herdenführerin um.
Hightech auf dem Bauernhof: Wo KI zum Einsatz kommt
Künstliche Intelligenz (KI) verarbeitet Daten und imitiert auf deren Grundlage menschliche Fähigkeiten wie logisches Denken, Problemlösung oder Entscheidungsfindung. Sie kann breit eingesetzt werden und hat das Potenzial, die Landwirtschaft zu revolutionieren.
- Perfektes Timing: KI-gestützte Software kombiniert Wetterprognosen und Bodenanalysen und ermittelt die besten Aussaat- und Erntezeitfenster auf dem Acker sowie individuelle Melk- und Fütterungszeitpläne im Stall.
- Besser bewässern: Sensordaten liefern Infos zu Bodenfeuchte, Temperatur und Nährstoffwerten und optimieren die Bewässerung.
- Biodiversität steigern: Intelligente Feldmaschinen können neben Nutzpflanzen auch nicht-invasive Ackerwildkräuter stehen lassen.
- Mehr Artenschutz: Drohnen erkennen Wildtiere wie Rehkitze und stoppen Feldmaschinen, bevor diese sie verletzen.
- Weniger Schufterei: Roboter unterstützen beim Melken, Füttern, Einstreuen und Gülleschieben.
- Gesündere Tiere: Sensoren und Mikrofone in Halsbändern oder Ohrmarken sowie Kameras überwachen Körpertemperatur, Aktivität, Fressverhalten und vieles mehr und schlagen bei Unregelmäßigkeiten Alarm.
- Vermarktung im Griff: KI-gestützte Software sagt Preise und Verkaufszahlen vorher.
Effizientere Kontrollen: Daten von Weiden, Äckern und aus dem Stall erleichtern Bio-Kontrolleuren ihre Arbeit bei der Zertifizierung. - Veränderungen anschubsen: Daten und Satellitenbilder liefern Informationen über Auswirkungen von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft auf unsere Ökosysteme.
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