Waldbrände, Hitzetage, Überflutungen ... die Folgen der Klimakrise schlagen vielen aufs Gemüt. Kein Wunder, dass die Psychologin und Aktivistin Katharina van Bronswijk derzeit sehr gefragt ist. Eben hat sie ihr Buch „Klima im Kopf – Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht“ herausgebracht.
Die eigene Endlichkeit … Das ist ganz schön starker Tobak, dem wir da in Form der Klimakrise kollektiv entgegenschauen, oder?
Ja, das stimmt. Die Klimakrise bedroht unsere Lebensgrundlagen, das ist unvorstellbar – ähnlich wie die Diagnose einer tödlichen Krankheit. Wir müssen erst einmal verarbeiten, in welcher Lage wir uns da eigentlich befinden.
Und wir sind selbst schuld!
Ganz so einfach ist es nicht. Die Klimakrise ist ja sozusagen ein Menschheitswerk. Wir sind zwar alle Teil dieser Menschheit, aber nicht jede einzelne Person ist voll verantwortlich für die aktuelle Lage. Das macht das Ganze so schwierig. Denn Krisen zu verarbeiten, über die wir keine Kontrolle haben, das können Menschen wirklich schlecht.
Geben wir uns deshalb oft selbst die Schuld an Krankheiten, weil wir etwa ungesund gelebt haben?
Ganz genau. Das gibt uns eine gewisse Illusion von Kontrolle zurück und das wiederum erleichtert es einem Raucher oder einer Alkoholikerin, eine schlimme Diagnose zu verarbeiten. Weil wir glauben, wir hätten es beeinflussen können. Im Falle der Klimakrise gibt es diese Kontrollillusion für den Einzelnen nicht. Sie und ich, wir sind ja nicht die alleinigen Verursacherinnen.
Zur Person: Katharina van Bronswijk
Sie ist als Klimaaktivistin unterwegs, unter anderem als Sprecherin der „Psychologists for Future“. Die Bewegung unterstützt Menschen nach Extremwetterereignissen, führt Gesprächskreise durch und bringt Publikationen zur Psychologie der Klimakrise heraus. Van Bronswijk führt eine verhaltenstherapeutische Praxis in Schneverdingen, inmitten der Lüneburger Heide und hat gerade selbst ein Buch veröffentlicht: „Klima im Kopf – Angst, Wut, Hoffnung: Was die ökologische Krise mit uns macht“. psychologistsforfuture.org
Sie schreiben in Ihrem Buch über Klimaangst. Behandeln Sie die?
Klimaangst ist wirklich nichts, was man behandeln muss. Sämtliche Gefühle wie Wut, Trauer oder Ekel haben ja eine evolutionär sinnvolle Funktion.
Welche Funktion hat denn die Angst vor der Klimakrise?
Durch Angst zeigt uns die Psyche, dass wir eine Bedrohung wahrnehmen. Das können zukünftige Gefahren sein wie bei der Klimakrise. Unser Gefühl sagt dann: „Achtung, dein Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle ist bedroht. Du musst etwas tun, um dich zu schützen.“
Unsere Psyche fordert uns also auf zu handeln?
Richtig. Wir können einerseits konkret an Lösungen arbeiten und andererseits – das ist wichtig – die emotionale Lage verdauen. Gerade weil die Klimakrise so komplex ist. Sie ist kein Säbelzahntiger, vor dem wir weglaufen können.
Wie kann Verarbeitung gelingen?
Es hilft, mit anderen zu reden. Dadurch fühlt man sich verstanden und verbunden. Psychologists for Future bieten Gesprächsrunden an, wo man sich über seine Gefühle austauschen kann.
Und wenn ich so tue, als gäbe es keine Klimakrise?
Es ist ganz normal, unangenehme Sachen auszublenden. Im Alltag hält genau diese Abwehr unsere Psyche funktionsfähig. Bewusstes Vermeiden ist aber nicht sinnvoll, so nimmt nur die Angst vor der Angst zu.
Was wäre stattdessen sinnvoll?
Zuerst mal könnten wir uns der Beeinflussung durch das toxische Narrativ der Individualisierung entziehen.
Wie meinen Sie das?
Zum Beispiel der CO₂-Fußabdruck. Der wurde Anfang der 2000er gepuscht, etwa vom Mineralölunternehmen BP, um davon abzulenken, dass wir eine systemische Veränderung brauchen!
Was ist falsch am CO2-Fußabdruck?
Das Konzept passt in unser individualistisches Denken, dass jeder bei sich selbst aufräumen, an seinem Konsumverhalten arbeiten muss. Teils arbeiten Menschen nun an den falschen Stellschrauben, weil sie nicht wissen, was welchen ökologischen Einfluss hat. Dann versucht man aufwendig, auf den Plastikdeckel beim Joghurt zu verzichten. Wo die großen Hebel sind, das wissen viele nicht.
Welche Hebel sind das?
Wir können Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, zum Beispiel über Petitionen, Leserbriefe, Gespräche mit Politikerinnen oder indem wir uns für Klimaneutralität in der eigenen Firma einsetzen. Hier müssen wir aktiv werden. Weder Gott, noch Politik oder Technik werden die Probleme für uns lösen.
„Emotionen werden mit Gedanken gefüttert“
Auch Aktivismus kann krank machen. Sie schreiben über den „Activist Burnout“. Ist der anders als eine klassische Überforderung?
Das klinische Bild ist dasselbe. Der Schlaf und die Stimmung werden schlechter. Außerdem führt es zu Konflikten, wenn übermüdete, gestresste Leute versuchen, etwas zusammen zu organisieren. Das Problem bei sozialen oder Umweltthemen ist, dass sie so groß sind, dass sie nicht innerhalb von wenigen Wochen geregelt werden können. Man braucht einen langen Atem. Die eigenen Grenzen zu stecken, ist deshalb wichtig. Eine große Gefahr ist Burn-out unter Aktivisten, wenn sie sich vor Engagement kaputt arbeiten. Wenn die Aktivisten aber wegfallen, gehen Wissen und Kompetenzen verloren.
Was hilft Ihnen persönlich, am Ball zu bleiben?
Mich motivieren die positiven Gefühle, die beim Aktivsein entstehen: die Freude, der Stolz und auch die Hoffnung. Ich fühle auch viel Klimatrauer, aber habe irgendwann beschlossen, dass ich am Ende über mich sagen möchte, dass ich mehr Teil der Lösung als Teil des Problems war. Das macht nicht immer glücklich, aber zufriedener.
Was ist Ihr Tipp, wenn einem die Nachrichten über Waldbrände, Hitzetage und Überschwemmungen aufs Gemüt schlagen?
Vor allem: sich Zeit geben, dieses Gefühl anzunehmen. Emotionen sind wie Feuer. Dieses Feuer wird mit Gedanken gefüttert. Deshalb erst einmal den Fernseher ausmachen! Und sich dann bewusst auf das Körpergefühl konzentrieren, auf den Kloß im Hals oder den Druck auf der Brust. Tatsächlich flachen die Gefühle nach wenigen Minuten ab. Jetzt kann man den Kopf wieder anschalten. Und dann schreibt man eben eine E-Mail an seinen Abgeordneten und fordert ihn auf, etwas gegen einen klimaschädlichen Bebauungsplan zu tun.
Kommentare
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Interessante Gedanken. Aber "das toxische Narrativ der Individualität " erschreckt mich. Na, dann schreib ich mal einen Leserbrief (ok, Kommentar), wenn das mehr hilft. (Bin gespannt!)
Ich bin überzeugte Individualtäterin, und da ich in der Bildung tätig bin, werde ich auch nie müde werden, Einzeltäter zu motivieren. Denn sonst sagt es sich wieder sehr schnell "ICH allein kann eh nix ändern, dann macht das Schnitzel/der Flug/das WegwerfTShirt den Kohl auch nicht mehr fett!". Und DAS gilt es zu vermeiden. Ich habe, wie sehr viele von uns wahrscheinlich auch, viele Menschen im Umfeld, die genauso argumentieren, und ohne Individualität ist die Verhaltensänderung hier ja wohl schnell beendet. Bitte nicht falsch verstehen, unbändige Selbstoptimierung kann definitiv toxisch sein, aber wie es Hugh Laurie sagte "The trees supply us with an endless amount of oxygen, we owe them!!!" (sinngemäß) WE OWE NATURE!!! Jeder kann was tun, zusätzlich zu Petitionen, Leserbriefen und Demos, bitte nicht weglassen!