Interview

Karen Mapusua: „Bio ist die Lösung für viele Krisen“

Karen Mapusua ist Präsidentin der Bio-Vereinigung IFOAM – Organics International. Wir wollten von ihr wissen: Wie läuft‘s für den Öko-Landbau und was hemmt seine Entwicklung am meisten?

Die fünf Buchstaben IFOAM stehen für Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen. Das klingt ziemlich abstrakt. Zu Beginn des Gesprächs mit Karen Mapusua wollten wir deshalb erst einmal wissen:

Wäre die IFOAM eine Person, wie würdest du sie beschreiben?

Die Person wäre für mich ein Paar: Bio-Bauer & Bio-Bäuerin! Sie kultivieren und bewahren das Land, ernähren die Menschen, bringen Ökosysteme wieder in Balance, schaffen Absatzmärkte und Gemeinschaften.

Welche Ziele hat die IFOAM?

Wir wollen eine echte nachhaltige Landwirtschaft etablieren – weltweit. Dafür haben wir vier Prinzipien definiert: Gesundheit, Ökologie, Gerechtigkeit und Fürsorge. Unsere Mission ist, den Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft anzuführen.

Die IFOAM wurde 1972 gegründet. Was hat sie bisher erreicht?

Wir haben die Bio-Landwirtschaft präzise definiert, indem wir schon in den 70er-Jahren die ersten weltweiten Richtlinien entwickelt haben. Auf dieser Grundlage vergleichen wir nationale Richtlinien mit den IFOAM-Richtlinien und nehmen sie bei Gleichwertigkeit in unsere „IFOAM Family der Standards“ auf. Durch diese Standards werden die Zertifizierung und der Handel mit Bio-Produkten vereinfacht. Zudem haben wir unsere Ideen sehr erfolgreich bei der UNO und Welternährungsorganisation FAO vertreten. So haben wir erreicht, dass Bio als ein zentraler Lösungsansatz für viele unserer globalen Krisen anerkannt ist.

Über Karen Mapusua

Karen Mapusua ist Präsidentin der IFOAM und Direktorin der NGO „Land Resource“. Sie lebt seit 20 Jahren auf den Fidjis, wo sie sich vor allem für den Bio-Landbau als Wegbereiter zu Nachhaltigkeit und Wohlstand engagiert. Der Bio-Weltdachverband IFOAM – Organics International setzt sich für echte Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und einen ganzheitlichen Ansatz für Ernährungssysteme ein. Mit etwa 750 Mitgliedsorganisationen in 110 Ländern ist er das globale Aktionsnetzwerk und die weltweite Stimme des Bio-Landbaus.

Was sind im Moment die größten Herausforderungen?

Wir müssen die biologische Landwirtschaft massiv ausbauen, damit wir globale Herausforderungen wie die Klimakrise und den Verlust der Biodiversität meistern können. Dafür muss viel mehr in die Forschung und Aufklärung von Verbraucher:innen investiert werden. Zudem müssen wir die Bio-Richtlinien permanent stärken und nachschärfen, damit sie das Regelwerk für beste landwirtschaftliche Praxis bleiben.

Wie wichtig ist der biologische Landbau für die Welt?

Die biologische Landwirtschaft kann Kohlenstoff binden, die Biodiversität erhalten und sogar vermehren, unser Wasser schützen – und uns selbst vor gefährlichen Agrochemikalien. Bio bietet Bäuerinnen und Bauern Lebensperspektiven, befriedigende Arbeit und einen fairen Anteil an der Wertschöpfungskette.

Was sind Vorteile speziell für den globalen Süden?

Bio-Höfe sind gegenüber den gravierenden Veränderungen durch die Klimakrise widerstandsfähiger. Sie sind weniger abhängig von fossilen Energien, die insbesondere für Kunstdünger gebraucht werden. Weil Bio-Betriebe viel weniger zukaufen müssen, geraten sie auch nicht so leicht in die Schuldenfalle. Überlebenswichtig für die Bäuerinnen und Bauern sind die besseren Preise, die sie für Bio-Produkte bekommen.

Wie erfolgreich ist Bio in der Welt?

Das kann man nicht generell sagen, denn die Entwicklungen sind sehr unterschiedlich. Grundsätzlich ist die Bio-Landwirtschaft aber überall auf der Welt gut aufgestellt. Sie hat überall positive Perspektiven, denn die Menschen erkennen zusehends die vielen Vorteile von Bio. Die Märkte expandieren auch im Süden und es kommt zunehmend zum Schulterschluss mit sozialen und ökologischen Bewegungen.

Wie sieht es in deiner Heimat auf den Fidschi-Inseln aus?

Auch hier sieht es für Bio-Bäuerinnen und -Bauern sehr gut aus. Die Regierung unterstützt uns auf vielen Wegen. Immer mehr Ältestenräte setzen Pläne um, ihre Inseln zu 100 Prozent auf Bio umzustellen. Vor allem Ingwer und Gelbwurz haben einen Platz auf dem Exportmarkt. Natürlich gibt es auch Probleme, aber mit Bio ist unsere Zukunft vielversprechend und gesichert.

Die Menschen erkennen immer mehr die Vorteile von Bio.

Karen Mapusua

Was ist das größte Hemmnis für eine „100 Prozent Bio“-Welt?

Das größte Hindernis ist in unseren Köpfen. Über Jahrzehnte wurde uns weisgemacht, dass wir ohne Agrarchemie die Welt nicht ernähren können. Es gibt jedoch inzwischen viele wissenschaftliche Beweise, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir haben eine mächtige Lobby hinter dem falschen Narrativ. Also müssen wir weiterkämpfen, damit Regierungen und Bauern ihre Entscheidungen nicht aus Angst, sondern faktenbasiert treffen.

2021 fand der UN-Gipfel zu Ernährungssystemen statt. Viele Organisationen haben ihn unter Protest verlassen, weil der Einfluss der Agrarindustrie so groß war. Die IFOAM ist geblieben. Warum?

Wir haben die Chance gesehen, die Resultate des Ernährungsgipfels zu beeinflussen und wir glauben, Veränderungen auch innerhalb der etablierten Prozesse erreichen zu können. Das ist gewiss keine leichte Aufgabe, aber indem wir uns einbrachten, haben wir Bio positionieren können. Wichtig war auch die Unterstützung der Länder, die bereits Agrarökologie und Bio in ihren Programmen priorisieren. Dass eine Agrarökologiekoalition als neues Netzwerk gegründet wurde, zeigt, dass es richtig war, dass wir geblieben sind.

Welche Bedeutung hat Bio deiner Meinung nach für die Welternährung?

Für die Ernährungssicherheit ist Bio essenziell. Vor allem angesichts der Klimakrise. Auch die UN-Expertenkommission für nachhaltige Ernährungssysteme sagt, dass agrarökologische Systeme wie Bio der Weg sind, um die Ernährung auf unserem Planeten zu sichern.

Die IFOAM wird dieses Jahr 50. Wird sie an ihrem 100. Geburtstag auch noch gebraucht?

Auf jeden Fall. In 50 Jahren werden wir sehr viel mehr Bio haben. Unsere Aufgaben werden sich weiterentwickeln. Eine internationale gemeinsame Plattform, die die Bio-Bewegung vereint und sie dabei koordiniert, gemeinsam und solidarisch zu agieren, wird aber auch dann nötig sein. Es wird für einen gesünderen Planeten und gesündere Menschen immer eine international organisierte Bio-Bewegung brauchen.

Schrot&Korn-Autor Bernward Geier und Karen Mapusua auf dem Kongress von IFOAM – Organic International.

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