Wie kam es zu Ihrem Karrieresprung von der Sekretärin zur wohl bekanntesten Forscherin der Welt?
Ich war als Kind schon von Tarzan fasziniert, meinte aber, dass er sich in die falsche Jane verliebt hatte. Ich war von klein an äußerst tierlieb und ein sehr wissbegieriger Mensch. Zum Glück unterstützte mich meine Mutter in meinem eisernen Willen, nach Afrika zu gehen und mehr aus meinem Leben zu machen, als in irgendeinem Büro zu sitzen. Dank dem Anthropologen Louis Leaky bekam ich die Chance, in Gombei, Tansania, im Urwald das Verhalten von Schimpansen zu erforschen.
Was waren Ihre wichtigsten Entdeckungen und Erkenntnisse?
Ich konnte nachweisen, wie nah sich Schimpansen und Menschen sind. Das hat die Sicht der Menschen auf ihre engsten Verwandten in der Natur komplett geändert. Dass Schimpansen Werkzeuge benutzen, war eine revolutionäre Erkenntnis. Dass sie andere Affenarten jagen, um sie zu verspeisen, widerlegte den Mythos, dass sie Vegetarier sind. Die Quintessenz meiner Forschung ist aber, dass wir einen respektvollen, rücksichtsvollen Umgang mit der Umwelt pflegen müssen.
Darum wurden Sie Umweltaktivistin?
Ich realisierte Mitte der 80er-Jahre, wie bedroht die Schimpansen sind: Die Urwälder schrumpften, Schimpansenfleisch wurde immer begehrter, Jungtiere wurden illegal gehandelt ... 1991 kehrte ich der Wissenschaft den Rücken und widmete mich mit Priorität dem aktiven Umwelt- und Naturschutz.
Sie sind UN-Friedensbotschafterin. Wie verträgt sich das mit Ihrem Engagement als Umweltaktivistin?
Natur-, Tier- und Umweltschutz ist Friedensarbeit. Wir müssen mit der Natur in Frieden leben und das heißt konsequenterweise, dass wir Menschen friedlich miteinander leben müssen. Frieden ist eine Säule. Neben Gier und Armut zerstören die unsäglichen Greuel der Kriege die Natur und Umwelt.
Seit bald 30 Jahren gilt Ihre besondere Aufmerksamkeit Kindern und Jugendlichen. Was haben Sie mit der jungen Generation schon bewirken können?
Ich erreiche viele junge Leute vor allem mit meinen Vorträgen. Aus einem Treffen mit Schülern und Studenten in Tansania entstand 1991 das Programm „Roots and Shoots“ (Wurzeln und Schößlinge). Heute sind 100.000 „Weltverbesserer“ jeden Alters in fast 130 Ländern aktiv. Unser Konzept ist ganz einfach: „Lernen – Sorge tragen – Handeln – Vernetzen“.
Was machen die Gruppen konkret?
Die Struktur ist einfach, es muss ja auf der ganzen Welt funktionieren: Die Gruppen verpflichten sich, drei Projekte lokal zu planen und umzusetzen. Eines beschäftigt sich mit dem Schutz von Tieren, ein weiteres mit dem Schutz der Umwelt und ein drittes mit dem Menschen. Es beglückt mich zu sehen, wie vielfältig und kreativ Jugendliche das umsetzen. Damit werden sie zu großen Hoffnungsträgern für die Zukunft.
Zur Person
Jane Goodall hat eine Bresche für Frauen in der Wissenschaft geschlagen. Weltberühmt wurde sie durch ihre Forschung zum Verhalten von Schimpansen. Die Wissenschaftlerin gehört weltweit zu den wichtigsten Aktivistinnen für Umweltschutz. Ungeachtet ihrer 84 Jahre ist sie in dieser Mission an rund 300 Tagen weltweit unterwegs, hält Vorträge und gibt damit dem Umweltschutz ein Gesicht und eine Stimme. Unermüdlich spricht sie sich für biologischen Landbau aus. In ihrem globalen Netzwerk „Roots and Shoots“ setzen sich Kinder und Jugendliche für Mensch, Tier und Umwelt ein und lernen Verantwortung für ihre Umwelt zu übernehmen. www.janegoodall.de
Was hat es mit der Stoffkuh auf sich, die Sie oft mit auf die Bühne nehmen?
Diese Kuh hat mir ein Kind geschenkt. Sie hilft mir den Zusammenhang zu zeigen zwischen der unglaublich grausamen konventionellen Tierhaltung mit permanentem Antibiotika-Einsatz, Umweltschäden und unserer Gesundheit. Oben kommt Futter rein, hinten pupst Methangas raus. Das gibt immer viel Gekichere, aber Kinder verstehen so etwas Komplexes auf einfache Weise. Zwei Milliarden Tiere leben in industrieller, völlig unakzeptabler Tierhaltung.
Was ist schlimmer: Die Zerstörung der Biodiversität oder der Einsatz von Pestiziden?
Beides ist katastrophal. Pestizide sind Gifte, deren fatale Wirkung hinlänglich bewiesen ist. Aber die Lobbyisten und Anwälte von Monsanto sind Meister der Verschleierung und Verdrehung der Wahrheiten. Sollten wir es tatsächlich schaffen, die Welt zu retten, werden wir eines Tages kopfschüttelnd fragen, wie wir je auf die Idee gekommen sind, Lebensmittel zu erzeugen, indem wir sie in Gift ertränken.
Wie bewerten Sie die Fusionen in der Agrarchemiebranche?
Da finden die zusammen, die für all die Probleme verantwortlich sind. Durch die Fusionen wird es noch schlimmer. Monsanto soll ja im Bayer-Konzern aufgehen. Das gilt es möglichst zu verhindern. Ich hoffe, wir kommen an den Punkt, dass wir solche Konzerne und ihre Manager verklagen für das, was sie der Umwelt antun.
Lange schon fördern und fordern Sie biologischen Landbau. Warum?
Bio-Bauern gehen sorgsam und nachhaltig mit Land und Boden um, verzichten auf synthetisch hergestellte Agrargifte und erzeugen gesunde Lebensmittel.
Sind Sie bei Ihrem unvorstellbarem Reisepensum überhaupt in der Lage, einen gesunden Lebensstil zu führen?
Gerne würde ich antworten, dass ich einen super gesunden Ernährungsstil pflege, aber mein Leben als vagabundierende Aktivistin zwingt mich zu Kompromissen. Als konsequente Vegetarierin esse ich grundsätzlich naturverträglicher. Selbstverständlich bevorzuge ich biologische Lebensmittel. Doch wenn᾽s kein Bio gibt, muss ich trotzdem essen. Ehrlich gesagt, ist Essen nicht das Allerwichtigste in meinem Leben. Aber ich esse nichts, was mit Grausamkeiten an der Natur verbunden ist.
Gibt es hin und wieder Junkfood?
Manchmal erschöpft mich mein turbulentes Leben und ich greife zu Junkfood, weil mir vor allem Zucker schnell Energie gibt. Zum Glück gibt es ja Energiebooster aus biologischen Zutaten.
Woher beziehen Sie überhaupt Ihre unglaubliche Energie?
Ich muss mich einfach engagieren, weil noch so viel getan werden muss, um die Welt zu retten. Je mehr Leute wie Donald Trump oder Unternehmen wie Monsanto agieren, umso mehr habe ich das Gefühl, dass ich weiterkämpfen muss. Ich möchte Menschen inspirieren und motivieren, aktiv zu werden und ich möchte Hoffnung verbreiten. Denn wenn wir die Hoffnung aufgeben, haben wir sicher verloren.
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