Umwelt

Jacqueline Otchere: „Ich esse keine Tiere“

Jacqueline Otchere gehörte 2018 zu den Shootingstars der deutschen Leichtathletik. Die erfolgreiche Stabhochspringerin will zeigen, dass es auch vegan hoch hinaus gehen kann und „am liebsten alle Tiere retten“.

Als sie vor Jahren aufhörte, Fleisch zu essen, sagte ihr damaliger Trainer: „Das hältst du nur drei Wochen durch“. Er sollte sich irren. Otchere hat den Weg in die Weltklasse trotzdem geschafft – oder gerade deswegen?

Jacqueline, Du lebst als eine der wenigen Spitzensportlerinnen vegan. Wie kam es dazu?

Dass ich Vegetarierin wurde, kam durch eine Doku, die abends im Fernsehen lief. Da war ich 17. Bei Spiegel TV wurden Bilder aus der Massentierhaltung gezeigt, vor allem Schweine. Das war mich für ein Schock. Da habe ich gesagt, ich höre jetzt auf, Fleisch zu essen. Dann verzichtete ich bald auch auf Eier und Fisch. Seit sechs Jahren ernähre ich mich komplett vegan.

Hartnäckig hält sich die Vorstellung, dass man für den Leistungssport viel Protein in Form von Fleisch oder wenigstens Fisch braucht. Wie lässt sich das mit veganen Prinzipien vereinen?

Tatsächlich werde ich bei den regelmäßigen sportmedizinischen Untersuchungen immer wieder gefragt, ob ich es nicht wenigstens mal mit Bio-Eiern oder Fisch probieren will. Aber meine Blutwerte sind alle top. Das bestätigt mir, dass es richtig ist, was ich mache. Ich bin ja auch nicht die einzige aus dem Sport, die so lebt. Mit dem Weitspringer Alyn Camara, ebenfalls Veganer, tausche ich mich regelmäßig aus. Der 800-Meter-Läufer Marc Reuther lebt vegan, seine Freundin, die Sprinterin Lisa Mayer, ist Vegetarierin. Und ich verfolge den Instagram-Feed von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, der immer wieder etwas zu veganer Ernährung postet und selbst nach diesen Prinzipien lebt. Der beweist, dass man supererfolgreich sein kann, ohne dafür Tiere essen zu müssen.

Du bist vor allem in der Wettkampfsaison viel unterwegs. Wie sorgst Du auf Reisen für Dich?

Meistens nehme ich einen Korb mit ganz viel Essen für mich mit. Dann bin ich sicher, dass ich alles dabei habe, was ich brauche.

Was ist in Deinem veganen Korb drin?

Ganz wichtig sind die Sprossen, die ich zuhause selber ankeimen lasse. Ein Glas davon habe ich eigentlich immer dabei oder eben Vorräte, wenn ich mal länger irgendwo bin. Dazu kommen Hafermilch, crunchy Haferflocken, Leinsamen, verschiedene Kräuter, pflanzlicher Joghurt, vegane Müsliriegel. Dabei ernähre ich mich nach Möglichkeit bio. Ich versuche, Lebensmittel zu vermeiden, die mit Pestiziden behandelt wurden.

Gibt es besondere Mahlzeiten für Dich, mit denen Du Dich für erfolgreiche Wettkämpfe belohnst?

„Belohnen“ am ehesten mit Kokos-Reismilch-Schokolade. Da ist nicht viel Schnickschnack drin, die schmeckt einfach total lecker. Und dann liebe ich Ofengemüse mit ganz vielen Zutaten, außerdem Tempeh, das ist ein sehr eiweißhaltiges Sojaprodukt, das ursprünglich aus Indonesien stammt.

Du studierst Biowissenschaften und bist wahrscheinlich die einzige Weltklasse-Stabhochspringerin, die schon mal ein Tier zerlegt hat, richtig?

Im ersten Semester mussten wir Kleintiere zerlegen und analysieren, Regenwürmer, Heuschrecken, Mäuse, Schnecken. Mir hat das nicht gefallen. Das Schlimmste war die Maus. Die war noch warm. Uns wurde gesagt, die Maus wäre in den nächsten Tagen ohnehin gestorben. Wenn man das Fell aufschneiden, die Maus rechts und links mit Stecknadeln fixieren muss, und am Ende auch noch den Kopf abtrennen – das ist schon nicht so einfach.


Eine Fernsehdoku über Massentierhaltung
war ein echter Schock


Das kann ich mir vorstellen, schließlich hat Dich ja vor allem das Leid der Tiere dazu veranlasst, vegan zu leben.

Ich habe Tiere schon immer geliebt, aber jetzt sehe ich sie noch mehr als Individuen, die wie wir Schmerz empfinden und auch Geborgenheit und Familienleben kennen. Am liebsten würde ich jedes Tier vor Massentierhaltung retten, Tiere aus den Zoos befreien, vor Tierquälerei und vor der Jagd bewahren und von allem anderen Leid, was ihnen leider angetan wird, befreien. Das liegt mir total am Herzen. Was ich diesbezüglich aus dem Studium bisher mitnehmen kann: Ich habe in einem Tierversuchslabor das Leid der Tiere dort gesehen und wie sie gehalten werden. Dies bestärkt mich noch einmal darin, vegan zu leben!

Du engagierst Dich für „Sports for Future“. Was hat es damit auf sich?

Wir sind eine Gruppe von Sportlern um die Fussballer der TSG Hoffenheim und den Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen, die sich gesagt haben: „Wir wollen zeigen, dass wir uns auch als Sportler für Klimaschutz und Nachhaltigkeit einsetzen können.“ Wir haben gerade erst angefangen, wollen aber noch viele andere Sportler dafür gewinnen. Wir begreifen uns dabei auch als Ergänzung zu den tollen Schülerinnen und Schülern von Fridays for Future.

Wie versuchst Du diese Ideen in deinen Alltag zu integrieren?

Als Stabhochspringerin ist es natürlich schwierig, mit der Bahn zu reisen – die fünf Meter langen Stäbe passen einfach nicht ins Gepäckfach, daher fahre ich mehr Auto als ich sollte. Aber ich achte zum Beispiel im Haushalt sehr darauf, Plastikabfall zu vermeiden.

Wie vermeidest Du Plastik?

Ich mache mein Spülmittel selbst. Aus Wasser und Essig – das geht auch gut fürs Fensterputzen – ohne Streifen! (lacht) Ich verzichte auf Shampoo und wasche mein Haar mit Festseife. Seit Jahren trinke ich nur noch Leitungswasser. Früher hätte ich nie gedacht, dass es genauso gut schmeckt wie das Wasser aus der Flasche. Und natürlich benutzen wir keine Plastiktüten. Meine Freundin hat mir zum Geburtstag zehn neue Stoffbeutel geschenkt, das reicht erst einmal für eine Weile.

Diesen Monat wolltest Du eigentlich bei der Leichtathletik-WM in Doha starten. Warum bist Du nicht dabei?

Ich hatte in der Vorbereitungszeit wahnsinnig viel mit meinem Studium zu tun, da fehlen mir einfach viele Trainingssprünge. Jetzt kamen auch noch kleine Verletzungen dazu. Da haben wir beschlossen, dass wir die Saison beenden und uns ganz auf die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio 2020 konzentrieren. Die sind mein ganz großes Ziel.

Zur Person

Jacqueline Otchere ...

... wurde 2018 erstmals deutsche Meisterin im Stabhochsprung. Mit einer persönlichen Bestleistung von 4,60 Meter rückte die gebürtige Heidelbergerin auf Platz 23 der Weltrangliste. 2016 stand sie noch auf Position 778, ein Jahr, nachdem sie überhaupt erst mit Stabhochsprung angefangen hatte. Otchere betreibt Leichtathletik, seit sie acht ist. Sieben Jahre lang ging sie parallel dazu mit ihren beiden Brüdern zum Judo. In Heidelberg studiert sie Biowissenschaften. Tier- und Umweltschutz sind der 23-Jährigen Herzensangelegenheiten. Ihr großes Ziel sind die Olympischen Spiele in Tokio 2020.

© imago images/Chai v.d. Laage

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