Ein noch viel stärker schlechtes Gewissen habe ich, weil ich nicht vorhabe, Frau Pantelouris von meinem Lottogewinn zu erzählen. Die verschenkt das Geld sonst an Leute, die es angeblich nötiger brauchen. Nein, Frau Pantelouris erzähle ich, wir hätten zehn Prozent von dem gewonnen, was es tatsächlich ist, dann komme ich am Ende mit acht oder neun Prozent Verlust davon.
Allerdings ist es danach relativ schwierig, den Rest des Geldes auszugeben, ohne dass sie Verdacht schöpft. Und in Wahrheit brauchen wir tatsächlich nicht so irrsinnig viele Dinge. Ich würde ja nicht ein Haus kaufen wollen oder so etwas. Ich würde nur ein paar Sachen besser machen. Dieses Bett zum Beispiel, in dem ich wachliege. Weil zum einen unsere Jüngste immer noch jede Nacht ankommt, sich zwischen uns drängelt und sich dann stundenlang mit gestreckten Gliedmaßen wie ein Propeller um ihren eigenen Bauchnabel dreht und dabei tritt – dieses Bett "könnte neu", wie man in Hamburg sagt. Es könnte riesig sein, und wenn man schon mal dabei ist, könnte man anfangen, einfach mal alles richtig zu machen, was man bei einem Bett richtig machen kann.
Einfach mal alles richtig machen
Ein Bett aus ordentlich angebautem Holz, das von einem ordentlich bezahlten Tischler zusammengebaut wurde zum Beispiel. Und eine Matratze, bei deren Herstellung nicht so viel Energie verschwendet wurde, dass man mit ein bisschen Planung auch das Haus drumherum mit dem gleichen Energie-Input hätte mitbauen können.
Und Bettwäsche, die kein Gift ausdünstet. All solche Dinge. Das ist gut angelegtes Geld, denn man verbringt fast ein Drittel seiner Zeit in seinem Bett – nach ein paar Jahren Ehe, am Anfang natürlich noch viel mehr.
Solche Gedanken mache ich mir, und wenn man einmal damit anfängt, kommt man überhaupt nicht mehr zum Schlafen, weil das alles ganz schön kompliziert ist. Viele, viele Dinge sind zu beachten. Aber vielleicht fange ich einfach mal ganz von vorne an; gehe also vom Kern aus, also der Mitte, also, Sie wissen schon, was ich meine.
Konventionelle Hersteller bauen ihre Matratzen entweder komplett aus sogenanntem Kaltschaum auf oder aber mit Metallfedern. Hersteller von Naturbetten verzichten auf Synthetik und Metall. Sie setzen auf nachwachsende Rohstoffe wie Rosshaar, Kokos, Naturlatex, etc. Matratzenbezüge sind überwiegend aus Baumwolle, denn Baumwolle ist hautfreundlich, weich, glatt und luftdurchlässig. Im Idealfall stammt die Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau.
Die meisten Naturmatratzen bestehen aus unterschiedlichen Schichten, aber im Regelfall haben sie einen Latexkern (wobei sie auch komplett aus Latex sein können). Das ist auch eine vernünftige Sache, denn Latex ist ein gutes, stabiles, haltbares und trotzdem flexibles Material (siehe auch Kasten).
Latex +
Das in Matratzen verwendete Latex sollte Naturlatex sein, das aus dem Saft des Kautschukbaumes gewonnen wird. Als Vorteile werden unter anderem folgende Punkte herausgestellt: reines Naturprodukt, Liegekomfort, FCKW- und lösungsmittelfrei, metallfrei. Latex-Kritiker sagen, das Material nehme nicht genügend Feuchtigkeit auf. Sie schlagen deshalb Kombinationen mit Rosshaar, Wolle oder Kokos vor. Wer im Bett schnell mal schwitzt, sollte über eine zusätzliche Matratzen-Auflage nachdenken. Die perfekte Kombination findet man über Beratung und Ausprobieren am "lebenden Objekt" im Fachgeschäft.
Die beklopptere Möglichkeit ist die billigere
Latex ist ein Naturprodukt des Kautschukbaumes – theoretisch jedenfalls. Denn man kann Latex auch künstlich herstellen. Da schläft man nicht unbedingt schlechter drauf, braucht aber Unmengen Wasser, Energie und den fossilen Brennstoff Erdöl für die Herstellung, während Naturlatex aus dem Saft des Gummibaumes gewonnen wird, der dafür nicht einmal gefällt werden muss. Er wird nur angezapft.
In einer Welt voller Lottogewinner würde man nicht einmal auf die Idee kommen, darüber nachzudenken, welche von beiden Methoden wohl die sinnvollere ist, aber wie in so vielen Fällen ist auch hier die beklopptere Möglichkeit die billigere, und Matratzen mit Naturlatex sind in der Regel teurer.
Aber die Welt meiner Planung ist ja eine Welt voller Lottogewinner – ich, ich, ich! – und deshalb steht völlig außer Frage, dass unser zukünftiges Bett eine Matratze mit einem Naturlatexkern haben wird, so wie es sein soll. Aber das ist nur der Anfang.
Rund um den Kern, der aus Latex oder zum Beispiel auch "latexiertem Kokos" bestehen kann, sind bei gesunden Naturmatratzen meist Schichten aus Wolle oder Rosshaar. Diese haben zunächst einmal vor allem eine Eigenschaft: Sie sorgen dafür, dass eine Matratze härter ist oder weicher. Und da muss man sich erst einmal einigen.
Frau Pantelouris zum Beispiel würde am liebsten auf etwas schlafen, das sich am einfachsten mit dem Wort "Brett" umschreiben lässt. Würde ich auch, wenn ich erstens so leicht wäre wie sie und zweitens ein Fakir. Bin ich aber nicht. Ich bin ein sensibler Mensch, habe ein tiefes Verständnis für die Prinzessin auf der Erbse und verbinde mit dem Wort gemütlich eher etwas Plüschiges. Aber wir sind verheiratet, was bedeutet, ich habe überhaupt nichts zu melden und wir schlafen immer ziemlich genau auf der zweithärtesten Matratze, die wir finden können – das firmiert dann unter "Kompromiss".
Denke ich an all das, fällt mir meine Oma ein
Die gute Nachricht zu Schadstoffbelastungen von Matratzen: Die Belastungen haben laut der Zeitschrift Ökotest in den vergangenen Jahren mehr und mehr abgenommen. Weichmachende Phthalate, der Bakterienkiller Triclosan, phosphororganische Verbindungen oder Insektizide tauchen nicht mehr auf.
Doch nach wie vor kommt kaum ein konventioneller Matratzenbezug ohne das giftige Halbmetall Antimon aus, das zur Produktion von Polyesterfasern oder als Flammhemmer eingesetzt wird. Ärgerlich auch: der Einsatz umweltbelastender optischer Aufheller. Denke ich über all diese Aspekte einer Matratze nach, fällt mir meine Oma ein. Als Student und auch später noch habe ich viele Jahre meines Lebens mit einer geerbten Matratze von meiner Oma auf dem Boden geschlafen. Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre die Matratze das einzige Möbel, für das ich tatsächlich gespart hätte. Wahrscheinlich wäre ich dann heute zehn Jahre jünger.
Der Weg alles Irdischen: zum Recyclinghof
Unser Bettgestell: Darüber darf ich eigentlich gar nicht schreiben. Das habe ich mit in die Ehe gebracht. Es ist aus Metall mit hohen, verschnörkelten Kopf- und Fußteilen und das einzige Bett, das ich je gekauft habe, allerdings damals noch als Spielwiese für den ungeheuer attraktiven, weltgewandten und unabhängigen Single, von dem ich in einem Augenblick offensichtlicher geistiger Umnachtung angenommen hatte, dass ich es wäre.
Frau Pantelouris hatte zu der Zeit, als sie sich entschieden hat, es trotzdem mit mir zu versuchen, selbstverständlich einen Futon in einem Härtegrad, der auch Fakiren Rückenprobleme beschert hätte. Es war das letzte Mal, dass ich mich durchgesetzt habe: Der Futon ist den Weg alles Irdischen gegangen, den zum Recyclinghof.
Ein behämmerter Kauf: mein Bett
Ich liebe mein altes Metallbett, keine Frage. Aber es ist in jeder Hinsicht ein behämmerter Kauf gewesen. Metall in Betten sollte man eigentlich komplett vermeiden. Vor allem alles, was irgendwie magnetisch ist, weil das Schlafen in einem Magnetfeld selbst esoterisch unempfänglichen Menschen Probleme wie Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit bereitet.
Gute Hersteller achten darauf, dass selbst die wenigen Schellen oder Winkel, die in manchen Holzrahmen benutzt werden, nicht magnetisch sind. Oder sie setzen Steckverbindungen ein und kommen ganz ohne Metall aus. Das klingt vielleicht übertrieben, ist es aber offenbar nicht. Ich sag's nur.
Holz also. Holz ist sowieso das schönste aller Materialien, wenn man mich fragt. Es kann mit relativ geringem Energieaufwand verarbeitet und auch ohne giftiges Zeug behandelt werden (wird es aber nicht grundsätzlich).
Bei Betten sind die Gütesiegel zwar zahlreich, aber deshalb noch lange nicht verlässlich. Manche erlauben Zusätze – von Lösungsmitteln über Schwermetalle bis zu Erdölprodukten. Das will ich alles nicht in meinem Bett haben.
Michalis' Einschlaftipp
Vor dem Einschlafen noch einmal ein paar Minuten den vergangenen Tag durchdenken, dann den morgigen – dann auf die Seite drehen. Damit ist alles getan. Die Sorgen sollen bis morgen warten.
Ich würde nach dem härtesten Siegel gehen
Es ist bizarr und ärgerlich, dass überhaupt jemand auf die Idee kommt, Schlafmöbel mit solchem Mist zu behandeln. Aber bei den Möbeln erleben wir in Wahrheit nur das, was es auch in der Landwirtschaft gibt: den Unterschied zwischen Überzeugungstätern, die ihre Sachen so bauen/anbauen, wie es ihrer Vorstellung nach gemacht werden muss, und jenen, die sich ein Gütesiegel suchen und dann mit so wenig Aufwand wie möglich versuchen, die Vorschriften zu erfüllen.
Es ist der eingebaute Nachteil jedes Siegels. Insofern lohnt es sich, nach dem härtesten Siegel zu gehen, und bei Möbeln ist das meines Ermessens ÖkoControl, das Siegel des Verbandes der ökologischen Einrichtungshäuser. Die haben eigene Kriterien für Schadstoffprüfungen, die teils weit über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen.
Natürlich relativiert sich alles, wenn man weiterhin seine kleine Tochter in der Mitte liegen hat, die einem bei jeder Umdrehung ein paarmal satt ihre Hacke ins Gesicht drückt.
Holz als nachwachsender Rohstoff ist per se immer besser als alles Metall oder gar Kunststoff. Und der Anbau von Holz wird bei uns – im Kern – ohnehin nachhaltig betrieben. Denn bewirtschaftete Wälder bringen eine Menge Geld, also wird in unseren Wäldern auch wieder gesetzt, was abgeholzt wurde. Das Siegel des Forest Stewardship Council (FSC) garantiert darüber hinaus, natürliche Waldgesellschaften mit Pflanzen, Tieren und Pilzen zu fördern.
Absolut unverzichtbar wird das FSC-Siegel, wenn man tatsächlich unbedingt ein Bett aus Tropenholz haben möchte. Ich weiß nicht, warum das passieren sollte, aber es kann ja sein, dass sich jemand so in eine Holzart verliebt, dass er überhaupt nicht mehr anders schlafen kann als in einem Mahagoni-Bett oder so. Dann aber bitte nur mit FSC-Siegel, denn das ist im Moment das einzige, das tatsächlich belegt, dass ein Baum nicht illegal geschlagen wurde. Aber vielleicht geht es auch irgendwie ohne Mahagoni. Die Bäume wachsen langsam, pflanzen sich noch langsamer fort und wachsen mitten im Regenwald, so dass riesige Transportschneisen geschlagen werden müssen, um sie abzufahren. Siegel hin oder her, total toll ist das nicht. Ich plädiere dafür, Tropenholz nicht als Bett zu benutzen, sondern als Baum. Lebendig. Ganz weit weg im Regenwald.
Dann kaufe ich noch einen Urwald dazu
Ich guck mal, wie hoch mein Lottogewinn tatsächlich ausfällt, vielleicht kaufe ich dann auch noch ein paar tausend Hektar Urwald in Südamerika und stelle ihn unter Schutz, dann hat sich das auch gleich erledigt. Aber zurück zum Thema: Wenn man eine Matratze und einen Rahmen hat, wird es etwas einfacher. Beim Lattenrost gelten im Prinzip ähnliche Voraussetzungen wie beim Rahmen, was Material und Verarbeitung angeht, und man sollte ihn wahrscheinlich Probeliegen, aber Lattenroste kauft man meist sowieso mit dem Bett zusammen, und dann ist man ja hoffentlich bereits bei einer vernünftigen Adresse.
Und für Decken und Bettwäsche gilt, was für Mode auch gilt: Sie soll aus Bio-Material, schadstofffrei weiterverarbeitet und von jemandem zusammengenäht worden sein, der mehr bekommt als den Mindestlohn von Bangladesh. Das ist alles machbar, allerdings muss man es wie immer auch alles bezahlen. Dafür schläft man besser, in jeder Hinsicht. Ein besseres Geschäft kann man sich schwer vorstellen.
Frau Pantelouris meckert im Traum, weil Nummer zwei sie bei einer Umdrehung getreten hat. Nummer zwei jammert, weil es ihr zwischen ihren Eltern zu heiß ist. Eigentlich möchte sie, dass wir das Bett verlassen oder zumindest eine anderthalb Meter breite Gasse in der Mitte des Bettes für sie räumen, wenn sie angetapst kommt. An Schlaf ist eigentlich nicht zu denken.
Und plötzlich weiß ich, wie ich mein Lottogeld investieren werde: in ein ökologisch korrektes Kinderbett. Was für große Naturbetten gilt, trifft ja wohl auch für Kinderbetten zu. Dann schläft meine Kleine durch und kommt nicht auf die Idee, dass es bei Mama und Papa noch gemütlicher ist.
Allergene und was sonst im Bett rumlungert
Im Schlaf werden Allergiker leider nicht verschont. Im Gegenteil. Doch ist man den Auslösern nicht hoffnungslos ausgeliefert.
Das ganz ehrlich vorneweg: Anders als in Betten mit synthetischen Materialien kann der Gehalt an potenziellen Allergie-Auslösern wie Schimmelpilzen und Tierhaaren in Naturbetten höher sein. Die Hauptauslöser von Allergien im Schlafbereich, die Milben, machen jedoch keinen Unterschied bei den Materialien. Das belegen Tests, die beim Institut für Umweltkrankheiten (IFU), Bad Emstal, durchgeführt wurden.
Rund 1,5 Gramm Haare und Hautschuppen verliert der Mensch täglich. Laut Sensiblerwohnen.de reicht diese Menge aus, um 1,5 Millionen Hausmilben zu ernähren. Das heißt: Milben im Bett sind ein Fakt. Früher versuchte man, sich mit Fungiziden und Microbioziden zu helfen. Heute werden im Öko-Bereich Präparate des Neembaumes angeboten. Teils sind Matratzen damit vorbehandelt. Nach cirka zwei Jahren kann man mit einem Spray nacharbeiten. Kissen werden im Übrigen genauso von Milben besiedelt. Darum sollten Betroffene bei der Wahl des Kissens darauf achten, dass auch diese von vornherein gegen Milben ausgerüstet sind oder komplett waschbar bei über 60 Grad.
Eine Latex-Allergie ist typischerweise eine Kontaktallergie. Bei Matratzen mit einem Latexkern in der Mitte besteht entsprechend keine Gefahr. Im Zweifel ganz auf den Stoff aus dem Kautschukbaum verzichten.
Schimmelpilz-Allergien können in feuchtwarmem Klima mit geringer Luftzirkulation problematisch sein. Hier hilft lüften und Matratze wenden.
Rosshaar und Schafwolle sind wegen ihrer klimatisierenden Eigenschaften geschätzt. Tierhaar-Allergiker mit medizinisch abgesicherter Diagnose müssen natürlich alles tun, um den Kontakt mit den Allergenen zu verhindern. Wer allergisch reagiert, dem nützt alles Naturhaar nichts. Raus damit!
Zum Schluss ein Aber: Wer alle Empfehlungen und gutgemeinten Ratschläge, die sich im Internet so tummeln, befolgt, könnte sich bald in einem sterilen, ungemütlichen Umfeld wiederfinden.
Und: Übertriebene Vorsicht vor Allergien führt wie die Allergien selbst zu einer Minderung der Lebensqualität.
Links:
hessnatur.com/blog
Ein guter, informativer Blog des deutschen Branchenführers bei der Öko-Mode. Mehr als PR.
Gruenemode.de
Blog-Gründerin Kirsten Brodde rettet die Welt jetzt bei Greenpeace Energy. Fredericke Wolf, Nicole Haug und Bernd Hausmann informieren an ihrer Stelle weiter kompetent über die neuesten Trends und die mühselige Ergründung der konventionellen Branchenriesen.
korrekte-klamotten.de
Hier bloggen die Macher, Händler und Vertreiber ethisch-ökologischer Mode selbst. Eine informative Plattform, vor allem für grüne Designer und solche, die es werden wollen.
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