Umwelt

Humus in unserer Hand

In der Atmosphäre gibt es zu viel CO2, im Boden zu wenig Kohlenstoff. Wie Humusaufbau gegen die Klimakrise helfen kann.

Habt ihr schon einmal tiefschwarze Erde in den Händen gehalten, die nach Waldboden duftet? Darin befinden sich mehr winzige Lebewesen als Menschen auf der Erde. Wenn diese Lebewesen absterben, entsteht daraus Humus.

Was ist Humus?

Humus ist eine geheimnisvolle, bis heute nur unzureichend erforschte Substanz. Zu 58 Prozent besteht sie aus organischem Kohlenstoff. Man könnte sie als Gold des Bodens bezeichnen, denn die gesamte Kaskade irdischen Lebens hängt vom Humus ab: Er lässt die Landpflanzen wachsen, die ihrerseits Tiere und Menschen wachsen und atmen lassen.

Doch die globalen Ackerflächen haben seit Beginn der Sesshaftigkeit des Menschen und verstärkt durch die in-dustrialisierte Landwirtschaft ein Drittel bis drei Viertel ihres ursprünglichen Kohlenstoffgehalts verloren, schätzt der renommierte US-Bodenforscher Rattan Lal. Ackerböden in Deutschland enthalten oft nur noch ein bis zwei Prozent Humus, was nicht mehr sehr weit entfernt ist von der Klassifikation „Wüstenböden“ durch die Welternährungsorganisation FAO.

Die Agroindustrie setzt Humus extrem zu: Schwere Traktoren verdichten die Erde, tiefes Pflügen bringt die Bodenschichten durcheinander und lässt die winzigen Bodenlebewesen ersticken. Pestizide töten sie ebenfalls. Kunstdünger greift das unterirdische Pilzgeflecht an den Pflanzenwurzeln an, das den Boden zusammenhält. Durch diese Maßnahmen wird Bodenkohlenstoff freigesetzt, der an der Luft zu CO2 oxidiert.

Ein Langzeitversuch an der Universität Illinois ergab, dass kunstdüngerbehandelte Erde während 50 Jahren praktisch allen Kohlenstoff verlor. Rechnet man agroindustrielle Bodenbearbeitung, Massentierhaltung, Landnutzungsänderung, Transporte und Lebensmittelverschwendung zusammen, stößt der Agrarsektor ungefähr die Hälfte der Klimagase aus. Die Landwirtschaft ist damit die Hälfte des Klimaproblems – und könnte die Hälfte der Lösung werden.

Win-win-Situation: Kohle fürs Klima

Im Internet gibt es sogenannte Pyrolyseöfen zu kaufen oder zum Nachbauen, mit denen man aus organischen Abfällen Pflanzenkohle herstellen und gleichzeitig kochen und grillen kann. Diese Pflanzenkohle, im Kompost 1:10 mit organischen Abfällen vermengt, wird unter Sauerstoffabschluss zu Terra Preta, zu Deutsch: Schwarzerde. Die riesigen Poren der Pflanzenkohle füllen sich beim Kompostieren mit Nährstoffen und Wasser und wirken in den Boden verbracht wie Bio-Langzeitspeicher. Pflanzen setzen beim Absterben dieselbe Menge CO2 frei, die sie gespeichert haben. Wenn man diese Freisetzung durch klimaneutrale Pyrolyse verhindert, behält man reinen Kohlenstoff zurück. Pro Kilo Pflanzenkohle kann man umgerechnet gut drei Kilo CO2 dauerhaft im Boden speichern.

Wie geht Humusaufbau?

In der CO2-übersättigten Luft gibt es zu viel Kohlenstoff, im Boden zu wenig. Humusaufbau holt ihn zurück – dorthin, wo er dramatisch fehlt.

Bio-Bauern betreiben aktiv Humuszuwachs: Sie bringen Kompost und Mulch auf. Sie säen Kleegras und Hülsenfrüchte, die Stickstoff in ihren Wurzelknöllchen sammeln. Sie halten Fruchtfolgen ein, damit sich der Boden regeneriert. Sie bauen Mischkulturen an, die sich gegenseitig stützen und beschützen. Ihr Credo: Füttere das Bodenleben mit immer neuem Grün. Denn Pflanzenreste füttern Regenwürmer, die nährstoffreichen Bio-Dünger ausscheiden, und aus abgestorbenen Mikroorganismen bildet sich neuer Humus.

Manche Forscher glauben sogar, dass man allein mit „naturbasierten“ Methoden wie Humusaufbau und Wiederaufforstung den CO2-Gehalt der Atmosphäre auf ein vorindustrielles Maß bringen könnte. Pro Hektar speichert ein Prozent mehr Humus umgerechnet ungefähr 100.000 Kilogramm CO2. Und dazu rund 52.000 Liter Wasser. Denn mit seinen unzähligen feinen und groben Poren ist es ein äußerst wertvoller Wasserspeicher, der Überschwemmungen und Dürren abpuffert. Von diesen sind vor allem humusverarmte Böden betroffen. Humusaufbau ist also eine Win-win-win-Situation.

Humusaufbau fördern

Immer mehr Initiativen wollen deshalb Bauern und Gärtnerinnen für Humusaufbau bezahlen. Etwa die „Stiftung Lebensraum“ oder „Positerra“ in Bayern, gegründet von namhaften Bodenberatern. Die Idee: Unternehmen, die klimaneutral wirtschaften wollen, finanzieren Landwirte, die gezielt Humusaufbau betreiben. In der österreichischen „Ökoregion Kaindorf“ funktioniert das schon seit 2007.

Die sogenannte regenerative Agrikultur, auch Aufbauende Landwirtschaft (AuLaWi) genannt, ist eine Bewegung, die gegenwärtig weltweit wächst und im globalen Bündnis „Regeneration International“ zusammenarbeitet. Sie umfasst Projekte und Höfe von klein bis groß, die mit Methoden der Permakultur arbeiten, mit Pflanzenkohle und Terra Preta, mit Waldgärten, Waldweiden und Baumstreifen in Getreidefeldern, mit neuartigen Weidemethoden, Wasserrückhaltung und vielem mehr.

Auch viele Kleingärtner sind dabei, denn regenerative Agrikultur funktioniert weitgehend per Hand. Wenn man auf kleinen Flächen intensiver wirtschaftet und dort gleichzeitig mehr erntet, wie es etwa die Mikro-Intensivfarm Bec Hellouin in der Normandie praktiziert, kann man Ackerland an die Wildnis zurückgeben – damit sich dort die bedrohte Artenvielfalt regenerieren kann.

Ein internationales Wissenschaftsteam um den US-Visionär Paul Hawken hat im Projekt „Drawdown“ das Klimapotenzial verschiedener Techniken der regenerativen Landwirtschaft untersucht. Zusammengezählt könnten diese Techniken 316 Gigatonnen CO2-Äquivalente im Boden speichern. Das ist mit Abstand die klimawirksamste Methode – und die mit den positivsten Nebeneffekten obendrein.

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