Bisher erfuhren die Verbraucher höchstens aus Testmagazinen, ob ihr Honig mit Pollen von Gentech-Pflanzen verunreinigt war. Offiziell gab es solche Verunreinigungen nicht. Pollen galt als natürlicher Bestandteil des Honigs. Kennzeichnungspflichten gab es für Honig als tierisches Lebensmittel keine. Anfang September 2011 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die bisherige Rechtsauffassung korrigiert.
Pollen neu definiert
Der EuGH musste in einem Rechtstreit zwischen einem Imker und dem Freistaat Bayern Stellung beziehen. Dabei legte er fest, dass der Pollen im Honig lebensmittelrechtlich wie eine pflanzliche Zutat betrachtet werden muss, für die das Gentechnikrecht gilt. Enthält ein Honig Pollen von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen, gibt es zwei Varianten: Handelt es sich um eine gv-Pflanze mit genereller Lebensmittelzulassung in der EU, darf der Honig deren gv-Pollen enthalten. Stammen mehr als 0,9 Prozent des gesamten Pollens im Honig von gv-Pflanzen, muss der Honig gekennzeichnet werden. Dies würde zum Beispiel für Pollen der weit verbreiteten Roundup-Ready Sojabohne von Monsanto gelten. Stammt der Pollen dagegen von einer gv-Pflanze, die keine oder nur eine eingeschränkte Lebensmittelzulassung besitzt, gilt das Prinzip der Nulltoleranz. Schon die kleinste Spur eines solchen Pollens macht den damit verunreinigten Honig unverkäuflich.
Dies gilt für den Mais MON810 von Monsanto, der derzeit nur als Futtermittel und für bestimmte Maisprodukte zugelassen ist. Auch die meisten Gentech-Rapssorten verfügen über keine allgemeine Lebensmittelzulassung.
Da in Kanada auf 95 Prozent der Rapsäcker gentechnisch veränderter Raps wächst, gibt es bei uns keinen kanadischen Rapshonig mehr zu kaufen. Der deutsche Honigverband teilte mit, "dass die betroffenen Unternehmen kanadischen Rapshonig bereits seit Mai 2011 nicht mehr an den Einzelhandel ausliefern und dort vorhandene Honiggläser zurückbeordert haben". Das gilt für konventionellen Honig. Bio-Rapshonig kommt wegen der Gefahr einer Verunreinigung schon lange nicht mehr aus Kanada, sondern von deutschen Imkern oder aus Rumänien.
Honig aus Südamerika
Auch Honig aus Südamerika kann, wegen des dort weit verbreiteten Anbaus von Gentech-Soja, gv-Pollen enthalten. Ein Fünftel des in Deutschland verkauften Honigs stammt aus Argentinien. Auch andere Anbauländer wie Uruguay und Brasilien sind wichtige Honiglieferanten. Seit 2010 analysierten die baden-württembergischen Lebensmittelüberwacher 68 Importhonige. In 14 von ihnen fanden sie Pollen von Gentech-Soja. Darunter waren auch zwei Bio-Honige.
Um Spuren einer gentechnischen Veränderung nachzuweisen, genügen den Experten im Labor einzelne Pollen. Deshalb kann es bei Analysen im Bereich der Nachweisgrenze auch passieren, dass in einer Probe einer Charge keine Verunreinigung festgestellt wird, in einer anderen dagegen schon. Deshalb hilft nur Vorbeugen: "Ein Großteil unseres Honigs stammt aus Projekten, deren Grundstein wir vor vielen Jahren gelegt haben," sagt Gerrit Lang, Vertriebsleiter des Honigimporteurs Walter Lang GmbH. Die Bienenvölker der langjährigen Partner lebten meist in Regionen, in denen es aus klimatischen Gründen und wegen der schlechten Böden keine intensive Landwirtschaft gebe. Gerrit Lang nennt den Nordosten Brasiliens und die mexikanische Provinz Yucatan als Beispiel. In anderen Lieferländern wie Nicaragua oder Kuba gebe es so gut wie keinen Gentechpflanzenanbau. "Honig aus Risikogebieten beziehen wir nicht."
Deutsche Imker müssen, solange der Anbau der Gentech-Maissorte MON810 verboten bleibt, keine Angst vor Verunreinigung haben. 2011 wurden in Deutschland auf zwei Hektar Fläche genmanipulierte Kartoffeln angebaut. Auf weiteren acht Hektar wuchsen in Freilandversuchen verschiedene gentechnisch veränderte Pflanzen. Doch sobald der Anbau von MON810 oder anderen genmanipulierten Pflanzen erlaubt wird, steigt auch hier das Risiko von Verunreinigungen.
Was tut die Regierung?
Eine Biene fliegt auf der Suche nach Honig bis zu zehn Kilometer weit. Bis jetzt gibt es keine vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Gentechnik-Feldern und Bienenstöcken. Doch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner will aktiv werden. Ihre Sprecherin teilte mit, es werde "ein angemessener Interessenausgleich zwischen Imkern, konventionellen Landwirten, Öko-Landwirten und den Nutzern der Gentechnik angestrebt, um Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen." Konkrete Vorschläge gab es bis Ende November noch nicht. Wie Honig mit gv-Pollen künftig zu kennzeichnen ist, muss auf EU-Ebene geregelt werden. Schwierig wird das, weil die Experten in den Labors zwar gv-Pollen nachweisen können. Sie können jedoch noch nicht dessen Anteil bezogen auf den gesamten Pollen berechnen.
Wie sicher ist MON810?
Das Bundeslandwirtschaftsministerium argumentiert, dass gv-Pollen harmlos sei. Berufen kann es sich dabei auf die europäische Lebensmittelbehörde EFSA. Deren Gremium für genetisch veränderte Organismen (GMO) hatte bereits wenige Wochen nach dem Urteil des EuGH erklärt, dass MON810-Pollen sicher seien, egal, ob sie mit dem Honig oder direkt verzehrt würden. Das Gremium begründete dies damit, dass es bereits vor Jahren festgestellt habe, dass der Mais MON810 ebenso sicher sei wie nicht genetisch veränderter Mais.
In der kritischen Öffentlichkeit hat die EFSA ihre Glaubwürdigkeit längst verloren. Leitende Wissenschaftler der Behörde arbeiteten oft eng mit dem industrienahen International Life Science Institute (ILSI) zusammen. Dies gilt auch für Harry Kuiper, der das GMO-Gremium der EFSA leitet. Christoph Then, Geschäftsführer des Vereins Testbiotech wies nach, dass Kuiper 2003 zusammen mit einer von einem Monsanto-Mitarbeiter geleiteten Task Force der ILSI Regeln für die Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Pflanzen entwarf. Diese wurden später, als Kuiper für die EFSA arbeitete, von dieser fast wortwörtlich übernommen.
Das ist kein Einzelfall. "Innerhalb der EFSA sind inzwischen mehr als ein Dutzend Experten bekannt, die unter anderem mit der Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen, Pestiziden und Lebensmittelzusatzstoffen betraut und gleichzeitig für ILSI tätig sind", sagt Nina Holland von Corporate Europe Observatory in Brüssel. Auch etliche Mitglieder des Vorstands der EFSA würden enge Verbindungen zur Industrie und zu ILSI unterhalten. Alle Forderungen nach einer grundlegenden Neuorganisation der EFSA verliefen bisher im Sande.
Ob und in welchen Mengen gv-Pollen für den Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellt, ist bisher nicht untersucht worden. Nicht einmal bei Bienen, die gv-Pollen essen, herrscht Klarheit. Versuche der Universität Jena ergaben vor einigen Jahren, dass Gentech-Maispollen die Bienen anfälliger für einen gefährlichen Darmparasiten machen könnten. Wissenschaftler der Universität Würzburg erforschten das Thema in den letzten drei Jahren intensiver. Noch stehen ihre abschließenden Berichte aus.
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