Flüssiges Obst
Rotbackig kugeln die Äpfel in die Auffangbecken der Mostereien. Im September begann die Ernte des Lieblingsobsts der Deutschen. In einem guten Jahr wie 2006 kommen täglich Wagenladung um Wagenladung von den Streuobstwiesen oder Apfelanlagen zum Versaften in die Keltereien.
Saft-Basics: Apfel und Orange
In der Kelterei werden die Äpfel gewaschen, verlesen und in einer Fruchtmühle zerkleinert. Der Obstbrei, die Maische, wird gepresst und geschleudert, um die festen Rückstände, den Trester, abzutrennen. Danach wird der Saft schonend pasteurisiert – das heißt für Sekunden auf 80 bis 85 Grad erhitzt –, sonst würde er schnell gären. In Kühltanks wartet er auf die weiteren Schritte: Als Direktsaft wird er ein zweites Mal erhitzt und in Flaschen gefüllt; für Konzentrat unter Vakuum eingedampft und später rückverdünnt.
Konventioneller und Bio-Saft unterscheiden sich durch die Anbauweise der Früchte und die Eingriffe und Zutatenliste bei der Verarbeitung, nicht durch die Verarbeitung selbst. So erlaubt die EU-Bio-Verordnung Direktsaft genauso wie Saft aus Konzentrat, während die deutschen Anbauverbände nur Direktsaft zertifizieren. Die Verwendung von Konzentrat bietet Herstellern durchaus Vorteile. Da es im Vergleich zu Direktsaft nur noch ein siebtel Volumen hat, spart es Lager- und Transportkosten.
Orangensaft ist etwas aufwändiger herzustellen als Apfelsaft: Die Zitrusschalen enthalten zu viele Bitterstoffe, deshalb werden die Früchte erst geschält, dann gepresst. Dieser Rohsaft enthält viel Fruchtfleisch oder „Pulpe“. Bei Direktsaft werden die groben Bestandteile abgesiebt und einem Teil der Säfte („mit Fruchtfleisch“) vor dem Abfüllen wieder zugefügt. Für Konzentrat wird die Pulpe durch Zentrifugieren abgetrennt, pasteurisiert und eingefroren, denn die Inhaltsstoffe des Fruchtfleischs würden sonst beim Konzentrieren zerstört. Auch die Aromen werden vor dem Konzentrieren abgefangen: Damit sie sich nicht verflüchtigen, wird beim ersten Erhitzen der Dampf kondensiert. Dieses Kondensat und etwas Pulpe werden dem Konzentrat später wieder zugesetzt.
Sekundäre Pflanzenstoffe
Nach Bioland- und Demeter-Richtlinien sollen „möglichst naturtrübe Direktsäfte“ in die Flasche (Ausnahme Birnen und weißer Traubensaft). Viele konventionelle Säfte werden gefiltert, entpektinisiert sowie mit Enzymen und Gelatine „geschönt“ und geklärt. Wertvolle Substanzen, die an die Trübstoffe gebunden sind, werden dabei gleich mit eliminiert, darunter „sekundäre Pflanzenstoffe“ wie die Polyphenole, die als Zellschutz gegen Krankheiten fungieren. Im menschlichen Organismus wirken sie ähnlich antibakteriell, regen das Immunsystem an und fördern die Verdauung.
Streuobstwiese statt Monokultur
Für konventionellen Apfelsaft stammen die Früchte meist nicht von deutschen Streuobstwiesen mit ihrer großen Artenvielfalt, sondern werden von Plantagen in Osteuropa eingekauft. Konventionell angebaute Saftorangen stammen zum überwiegenden Teil aus Monokulturen in Brasilien. Zwei Familien beherrschen dort mehr als die Hälfte der weltweiten Exporte, wobei Transparenz und Nachhaltigkeit eher kleingeschrieben werden. Gegen Fragen nach Umsätzen, Löhnen, Kinderarbeit oder Umweltschutz haben sich die Clans weitgehend abgeschottet. Sie unterhalten eigene Hafenanlagen mit riesigen Kühlschiffen, in denen sie das Konzentrat lagern. Da sie mit verschiedenen Lieferanten arbeiten, verfügen sie über entsprechend viele Orangensorten, deren Verschnitt eine übers Jahr recht konstante Geschmacksmischung der Säfte ergibt. Biologisch angebaute Saftorangen kommen überwiegend aus dem Mittelmeerraum sowie aus Brasilien, Israel oder Afrika. Da die verschiedenen Sorten nicht alle gleichzeitig reif sind, wird ihr Saft zunächst zwischengelagert. Eine Valencia-Orange etwa ist ölhaltig, kräftig und dunkel, während die Navel hell ist und lieblich schmeckt. Später werden die Sorten vermischt, sodass Geschmack und Farbe sowie Säure- und Zuckergehalt stimmen. Dieser Saft wird in Kühlfässern nach Deutschland verschifft, als Direktsaft abgefüllt und in die Läden gebracht. – Übrigens muss auch bei Apfelsaft der lieblichere Sommertank auf die herbere Späternte warten. Der Geschmack zählt.
Gesetz ist Gesetz
Fruchtsaft besteht zu 100 Prozent aus Frucht, konventioneller darf bis zu 15 Gramm Zucker je Liter enthalten.
Fruchtnektar aus Äpfeln oder Orangen enthält mindestens 50 Prozent Fruchtanteil – der Rest ist Wasser. Zucker ist bis zu 20 Gramm je Liter erlaubt.
Bio-Hersteller nutzen den Begriff Fruchttrunk und süßen nicht mit Kristallzucker, sondern mit Honig, Agaven- oder Traubendicksaft.
Fruchtsaftgetränk oder Limonade enthalten 6 bis 30 Prozent Fruchtanteil.
Muttersaft oder Ursaft ist Direktsaft aus zum Beispiel Preisel- oder Heidelbeeren, den man verdünnen muss.
BEUTELSBACHER und VOELKEL
EKOLAND
Direktsaft:
ein vitales Lebenmittel
Konzentrat:
Vorteile beim Transport
Beutelsbacher wird von den Brüdern Thomas und Matthias Maier geführt. Als Kinder waren sie oft beim Großvater im Betrieb und haben noch heute den Duft vom Honigschleudern in der Nase – „ohne Bienen keine Äpfel“, erklärt Matthias Maier. Großvater Christian Maier gehörte 1954 zu den Neugründern des Demeter-Bunds. „Damals sind alle mit der Spritze losgezogen – er war der Einzige im Dorf, der noch Kompost aufsetzte und Nützlinge zählte“, berichtet der 47-jährige Enkel. Im Örtchen Beutelsbach nahe Stuttgart wurde dann vor 70 Jahren die Mosterei aufgebaut.
Beutelsbacher beschäftigt heute 40 Mitarbeiter, pflegt engen Bezug zur Region und produziert ausschließlich Direktsäfte. So stammen die Äpfel von den nahen Streuobstwiesen. Der Apfelsaft trägt das baden-württembergische Regional-Öko-Siegel.
Auch Voelkel wird mit Stefan Voelkel, 48, in der dritten Generation geführt und auch für seinen Betrieb gilt: Es werden ausschließlich Direktsäfte produziert. Konzentrat ist für sein Verständnis „nur Nahrungs-, kein vitales Lebensmittel“. Seine Großeltern kauften eine alte Molkerei an der Elbe und gründeten vor 70 Jahren den Kelterbetrieb, der seit 1960 dem Demeter-Bund angehört.
Anfangs zogen sie mit einer Mostpresse, dem „Mostmax“, über Land und pressten vor der Haustür gegen Lohn das Obst der Leute zu Saft. Ihre ersten Obstgärten entstanden damals im „Alten Land“ nahe Hamburg, wo auch heute noch ein Teil der Ernte herkommt. Stefan Voelkel beschäftigt 95 Mitarbeiter. Einen seiner beiden Söhne hat er zum Fruchtsafttechniker ausgebildet.
Ob Konzentrat oder Direktsaft – Joop Bouwman, der die niederländische Firma Ekoland vertritt, sieht beim Endprodukt keinen Qualitätsunterschied. Der Hersteller aus dem Nachbarland bietet sowohl Fruchtsäfte in Demeter-Qualität an – also Direktsäfte – als auch Fruchtsäfte aus Konzentrat nach EU-Bio-Richtlinie.
Joop Bouwman sieht große Vorteile des Konzentrats vor allem bei Transport und Lagerung und meint, „das Wichtigste für unsere Kunden ist die Bio-Qualität“. Orangendirektsaft sei sehr empfindlich, Konzentrat hingegen lasse sich leichter handhaben: „Wir beziehen Orangensaft aus Europa, aber auch aus Brasilien oder Argentinien – ist der Saft konzentriert, ist er beim Transport besser vor Verderb geschützt.“
Was den Apfelsaft betrifft, so stammen die Früchte dafür bislang alle aus Europa. Ein Teil werde frisch verarbeitet im Herbst als Direktsaft abgefüllt, ab Frühjahr jedoch gehe die Ernte zur Neige, dann werde bei der Herstellung auf Konzentrat zurückgegriffen. Die Firma hat sich jedoch entschieden, grundsätzlich „Fruchtsaft aus Konzentrat“ auf die Packung zu schreiben, egal ob Direktsaft oder Konzentrat. So kommt Ekoland um zwei verschiedene Packungen mit unterschiedlichen Nachweisen herum und kann je nach Erntemenge und Lagerkapazität einfacher agieren.
Weiteres Prinzip ist die Abfüllung in Tetrapak-Tüten. Da europaweit gehandelt wird, mache eine Flaschenrücknahme wenig Sinn, Joop Bouwman hält die Tüte zudem für das umweltfreundlichere Modell und ist sicher, „sie wird in Zukunft die Flasche ablösen“.
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