Als Mutter von zwei Jungs weiß Sarah Bonitz: Kinderinteressen ändern sich ständig. Und so wuchs auch in ihrem Haushalt mit den Jahren der Berg an Spielzeug: neulich noch der größte Hit, inzwischen Schnee von gestern. Das kann man doch nicht alles wegschmeißen, dachte sich die engagierte Mama aus Augustusburg und startete eine nachhaltige Spielzeugtauschbörse. Davon profitiert neben Familie Bonitz und den anderen tauschenden Eltern und Kindern auch das Klima. Denn 90 Prozent aller Spielwaren werden aus Plastik, das auf Erdöl basiert, hergestellt. Je länger wir es nutzen und je weniger wir davon kaufen, desto mehr schützen wir das Klima. Mit ihrem Engagement für die Umwelt hinterlässt Sarah Bonitz einen Klima-Handabdruck, der immer größer wird, je mehr Leute mitmachen. Moment mal – Handabdruck?
Wie unterscheiden sich ökologischer Handabdruck und CO2-Fußabdruck?
Der ökologische Handabdruck symbolisiert, wie die Handlungen einer Person dazu beitragen, die CO2-Emissionen mehrerer Personen zu reduzieren. Das Konzept ist noch nicht sehr verbreitet, vom CO2-Fußabdruck hingegen haben wohl die meisten schon gehört. Er beziffert, wie wir mit unserem Lebensstil das Klima belasten. 2023 haben deutsche Bürgerinnen und Bürger im Durchschnitt 10,8 Tonnen CO2 pro Kopf verursacht. Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, müsste diese Zahl schnellstmöglich um 90 Prozent auf eine Tonne reduziert werden. Zahlen, die alle vermutlich schon gehört haben.
Und während sich die einen mit veganer Ernährung und ohne Auto bemühen, ihren Fußabdruck zu minimieren, haben andere bereits aufgegeben. Kein Wunder, findet Maike Sippel, Professorin für Nachhaltige Ökonomie an der Hochschule Konstanz. Sie sagt: „Der CO2-Fußabdruck zeigt mit dem erhobenen Zeigefinger auf unser Privatleben. Und vermittelt den Eindruck, dass wir allein die Verantwortung für die Klimakrise tragen.“
Manche vermuten, dass genau das die Absicht hinter der großen Werbekampagne war, mit der ausgerechnet der Ölkonzern BP den Fußabdruck 2004 bekannt machte. Dabei gehen allein in Deutschland mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen auf das Konto von Industrie und verarbeitendem Gewerbe. Wir als Individuen sind also nicht das Hauptproblem. Aber wir können Teil der Lösung sein. Indem wir aktiv werden und mit unserem Handabdruck andere für Klima- und Umweltschutz begeistern. Im Gegensatz zum Fußabdruck ist der ökologische Handabdruck zwar schwer zu berechnen, weil es keinen Handabdruck-Rechner gibt – aber mit Spaß, Kreativität und gemeinschaftlichem Engagement spürt man ihn.
Wie kann man den CO2-Handabdruck verbessern?
Sonja Völler hat bereits das dritte Jahr in Folge mit den Jülicher Parents for Future einen Familien-Mitmachkalender für ein umweltbewussteres Leben herausgegeben. Der Kalender informiert und inspiriert in verschiedenen Lebensbereichen zu mehr Nachhaltigkeit. Oft werden die Themen mit einer gemeinschaftlichen Aktion begleitet – etwa Müllsammeln mit einer Grundschule oder ein Hofladen-Event rund um das Thema Ernährung. Sonja Völler erzählt: „Den diesjährigen Kalender haben wir 150 Mal gedruckt, zusätzlich wurde er 350 Mal heruntergeladen. Die Idee kommt gut an und wurde auch schon von anderen Parents for Future übernommen.“
Anders als der CO2-Fußabdruck, der Verzicht predigt und Gefühle wie Angst, Schuld, Verzweiflung und Scham schürt, macht das Konzept des Klima-Handabdrucks Hoffnung. Maike Sippel erläutert: „Im Vergleich zum Fußabdruck können wir mit unserem Handabdruck mehr bewegen. Er steht für aktives Engagement für Klima- und Umweltschutz, bei dem wir gemeinsam mit anderen Menschen Strukturen für mehr Nachhaltigkeit schaffen.“ Erfunden wurde das Konzept übrigens in Indien. Im Rahmen eines Umweltbildung-Projekts entwarf die damals zehnjährige Srija die Hand als Symbol für positives Handeln. Inzwischen wird das Symbol von immer mehr Institutionen aufgegriffen, die gesellschaftlichen Wandel vorantreiben wollen.
Den Handabdruck vergrößern: 5 Tipps
1. Zu einer nachhaltigen Bank wechseln
Hier wird euer Geld in Unternehmen investiert, denen Klima- und Umweltschutz am Herzen liegen.
2. Parteien wählen, die Klimaschutz ernst nehmen
Im Juni ist Europawahl und im September sind die nächsten Landtagswahlen für Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
3. Spenden
Klimaschutzorganisationen mit einer Spende unterstützen – idealerweise regelmäßig.
4. Petitionen für Klimaschutz unterschreiben
Zum Beispiel bei www.weact.campact.de oder www.change.org
5. Impulse geben
Ärgert ihr euch über das Verpackungsmaterial eurer Lieblingskäse oder über die Raserei in eurer Straße? Nehmt euch kurz Zeit und schreibt eine Mail. Gut zu wissen: Auf der Webseite der Deutschen Umwelthilfe kann man in wenigen Minuten einen Antrag für Tempo 30 erstellen: www.duh.de/tempo30-jetzt
Beispiel: Kostenlose Leihräder fürs Klima
Strukturen geschaffen hat auch der Designer Stefan Schwabe aus Schmalkalden in Thüringen. Um nachhaltige Mobilität in seiner Stadt zu fördern, startete sein Kulturverein BUKS e.V. den Fahrradverleih FUKS – Für Unsere Kurzen Strecken. Per Zeitungsannonce baten er und seine Mitstreiter um Fahrradspenden. Insgesamt 25 Räder wurden inzwischen fit gemacht und können an vier verschiedenen Radstationen kostenlos geliehen werden. „Wer mitmachen will, meldet sich einfach in unserem Vereinscafé an und bekommt einen Zahlencode für ein Fahrradschloss“, so Stefan Schwabe. Der Andrang auf die Leihräder sei so groß, dass man sie derzeit nur stundenweise statt – wie ursprünglich geplant – tageweise ausleihen kann. Ein voller Erfolg für Stefan Schwabe, für Schmalkalden und fürs Klima.
Aufs Fahrrad setzt auch Michel Boltz aus Neustadt an der Weinstraße. Während der Corona-Pandemie beschloss der pensionierte Lehrer, für seinen Lieblings-Bio-Laden einen Fahrrad-Lieferdienst anzubieten. „Heute beliefere ich Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die selbst nicht im Bio-Laden einkaufen gehen können“, erzählt Boltz. Doch damit nicht genug: Mittlerweile fährt er auch E-Auto bei Mobility-on-Demand, einem Unternehmen, das den öffentlichen Nahverkehr in Neustadt flexibel und klimafreundlich ergänzt. Außerdem ist er bei dem Bündnis Klimaaktion Neustadt aktiv und in diesem Jahr auch in die Radverkehrsplanung der Stadt eingestiegen. Damit vergrößert er seinen Handabdruck zusätzlich. Denn alle, die dank fahrradfreundlichem Verkehr täglich mit dem Rad statt mit dem Auto zur Arbeit fahren, sparen bei einem Arbeitsweg von fünf Kilometern rund 300 Kilogramm CO2 pro Jahr.
Lässt sich der ökologische Handabdruck berechnen?
Der ökologische Handabdruck lässt sich nicht einfach berechnen. Aber man kann ihn spüren: Die Möglichkeiten, sich im eigenen Umfeld für mehr Nachhaltigkeit zu engagieren, sind vielfältig. Für Unentschlossene gibt es den Handabdruck-Test der NGO (Non Governmental Organisation) Germanwatch. Dabei handelt es sich nicht um ein Berechnungstool, sondern um eine Art Ideenfinder. Wie würden Ihre Freunde Sie beschreiben? Brennen Sie eher für Mobilität, Ernährung, Energie oder Wirtschaft? Sechs Fragen mit jeweils vier Antwortmöglichkeiten helfen dabei, die eigenen Stärken zu reflektieren und Strategien für verschiedene Handlungsebenen zu finden. Dr. Katja Thiele ist Bildungsreferentin für nachhaltige Entwicklung bei Germanwatch. Sie sagt: „Handabdruck-Aktionen sollen Rahmenbedingungen, Standardoptionen oder Gesetze so verändern, dass nachhaltiges Verhalten für viele Menschen leichter wird. Am besten geht das, indem man sich mit anderen zusammenschließt.“
Das bestätigt auch Lebensmittel-Retterin Lena Holst, die sich gegen Food Waste engagiert: „Während meiner Kindheit auf dem Bauernhof war Wertschätzung von Lebensmitteln eine Selbstverständlichkeit. Erst als ich nach Hamburg zog, wurde mir klar, wie viel Essen tagein tagaus weggeschmissen wird. Weil ich das nicht ertragen konnte, bin ich containern gegangen. Aber als Einzelperson kann man einfach nicht viel bewegen.“ Containern beschreibt die Mitnahme von weggeworfenen Lebensmitteln aus Abfallbehältern.
Beispiel: Lebensmittel retten und verteilen
Inzwischen wohnt Lena in Buxtehude und engagiert sich gemeinsam mit anderen Mitstreiter:innen beim Projekt Foodsharing. Hier rettet, sortiert und verteilt sie Lebensmittel, bei deren Düngung, Transport, Lagerung, Kühlung und Verarbeitung bereits Treibhausgasemissionen angefallen sind – und die ohne Foodsharing im Müll landen würden. Zum Beispiel weil sie nicht perfekt aussehen – wie die krumme Gurke. Auch organisatorisch ist Lena Holst aktiv und betreut den Social Media Account der Initiative. All das kostet Zeit – doch die nimmt sie sich. „Weil mir mein Ehrenamt so wichtig ist, arbeite ich nur in Teilzeit.“
Genau wie bei Sarah Bonitz, Sonja Völler, Stefan Schwabe und Michel Boltz ist auch der CO2-Fußabdruck von Lena Holst noch immer größer als eine Tonne. Doch mit ihren ökologischen Handabdruck-Aktionen erleichtern sie es sich und anderen Menschen, nachhaltiger zu leben.
Interview: „Ein Produkt kann ökologisch und sozial punkten“
Können auch Produkte einen Handabdruck haben?
Ja, wenn durch ihre Herstellung positive ökologische oder soziale Nachhaltigkeitseffekte entstehen. Ein Beispiel: Kakaoanbau in regenerativer Mischkultur mit Maniok. Dabei profitieren nicht nur die Bauern vom Maniok als nahrhaftes Lebensmittel, sondern auch die Umwelt. Das Hauptprodukt Kakao hinterlässt damit ökologisch und sozial einen positiven Handabdruck.
Auf welche Bereiche bezieht sich der Handabdruck bei Produkten?
Neben der sozialen Dimension gibt es verschiedene ökologische Bereiche, in denen ein Produkt punkten kann. Die wichtigsten sind: Klima, Biodiversität, Wasser- und Bodenqualität. Die große Herausforderung besteht allerdings darin, zu beurteilen, ob ein Produkt nur weniger schlecht als ein anderes ist, oder ob es wirklich positiv wirkt.
Wie kann der Handabdruck von Produkten gemessen und kommuniziert werden?
Zum Beispiel der Planet Score als Label auf Produkten ist ein relativ neuer Ansatz für eine umfassende Nachhaltigkeits-Kennzeichnung. Er bewertet drei Dimensionen: Pestizide, Biodiversität und Klima. Daran lässt sich der Handabdruck zumindest erahnen. Allerdings fehlt noch eine solide Datenbasis. Auch soziale Aspekte spielen dabei bisher keine Rolle.
Wie schneiden Bio-Produkte ab?
Beispiel Viehwirtschaft: Weil Bio-Rinder langsamer wachsen, stoßen sie im Laufe ihres Lebens mehr Methan aus als Tiere aus konventioneller Massentierhaltung. Allerdings sind die Klimaauswirkungen nur ein Teilbereich. Denn wo Bio-Landwirtschaft Biodiversität fördert oder Humus aufbaut, hinterlässt sie einen positiven ökologischen Handabdruck.
Links zum Thema ökologischer Handabdruck
Mit dem Test von Germanwatch Fragen beantworten und konkrete Vorschläge fürs Engagement erhalten:
www.handabdruck.eu
Noch mehr Inspiration für Beruf, Soziales, Zuhause, Mobilität, Finanzen, Konsum: www.climate-handprint.de
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