Umwelt

„Die perfekte Welle“

Die Band Juli gehört zu den erfolgreichsten Vertretern deutschsprachiger Popmusik. Sängerin Eva Briegel und Gitarrist Jonas Pfetzing über Kunst, Männer, Frauen und perversen Formschinken.

Eva: Das ist ja das Spannende an Kunst, dass sich die Aussage in verschiedenen Kontexten ändert. Das ist wie ein Dialog zwischen dem Werk und seiner wechselnden Umgebung. Es gibt dieses Bild von Caspar David Friedrich: Wanderer im Nebelfeld. Da haben sie mal gezeigt, wie und wo das Bild schon überall verwendet wurde, allein zweimal auf dem Titel vom Spiegel, so mit der Headline „Deutschland wohin?“ und jedesmal gab es eine neue Aussage durch die Verbindung von Bild und Kontext.

Jonas: Natürlich gibts schon mal Fälle, wo man denkt, och nö, da doch lieber nicht.

Hast du ein Beispiel?

Eva: Das Lied „Denkmal“ von Die Helden haben sie mal auf einem Neonazitreffen gespielt, ich glaube, das war ganz schön schlimm für die Band. So was hatten wir zum Glück noch nicht. Bei uns sind es mehr die Werbeangebote. Wofür wir mit „Perfekte Welle“ schon alles hätten werben können: Mikrowellen oder sogar die perfekte Wehe.

Nach der Tsunami-Katastrophe im Pazifik hat man „Perfekte Welle“ in den Sendern einige Zeit nicht mehr gespielt.

Jonas: Also, ich konnte damit leben. Aber ich fands doch auch komisch, weil die Medien ansonsten ja ganz normal Halligalli gemacht haben. Das ist wie nach 9/11: Da wurden in Amerika keine Lieder mehr gespielt, in denen das Wort „Flugzeug“ vorkommt. Das ist doch Aktionismus. Man will zeigen, dass man etwas für die Hinterbliebenen tut.

In dem Song „Zerrissen“ kommt die Frau nicht durch die Mauern, die der Mann um sich aufgebaut hat. Ist es so? Kommt die Frau nicht durch zum Mann?

Eva: Find ich schon. Ich bin ja ein Kind dieser 68er-Eltern und meiner Generation hat man erzählt und in vielen Medien wird das bis heute behauptet, dass man so ziemlich jedes Problem aus der Welt schaffen kann, wenn man nur genügend kommuniziert. Also habe ich kommuniziert und noch mehr kommuniziert …

Bis zu sieben verschiedene Stimmen singt Eva Briegel im Studio, die meisten davon kaum hörbar und doch das Klangbild bestimmend. Auch die Texte sind Stimmungsbilder. „Wenn nach dem Konzert jemand zu mir sagt: Mensch, mir gehts genauso – dann bin ich am Ziel.“

Aber das kommt bei den Männern nicht unbedingt an?

Eva: Nicht wirklich. Und inzwischen habe ich auch meine Erfahrungen gemacht und meine Meinung ein Stück weit geändert. Ich bin immerhin schon fast 29. Man kann Probleme auch herbeireden. Und wahrscheinlich ist es gar nicht so gut, wenn man immer versucht, alles im Leben eines anderen erfahren und vereinnahmen zu wollen. Man muss mehr nach sich selbst schauen und dafür sorgen, dass es einem auch alleine gut geht.

Und du Jonas? Kommen die Frauen zu dir durch oder machst du auch die Schotten dicht?

Jonas: Oh, ich mache oft und gerne die Schotten dicht. Dann sind Frauen oft aufgeregt und vermuten Gott weiß was dahinter. Ich glaube, die Frauen müssen sich einfach mal damit abfinden, dass wir Männer doch eher einfach gestrickt sind. Im Übrigen bin ich auch ein Nach-68er-Kind und in meiner Familie wurde viel geredet und sich auseinandergesetzt. Ich bin wirklich zur Gleichberechtigung erzogen worden.

Zu deinem Nutzen oder Schaden?

Jonas: Definitiv zum Nutzen. Es ging ja auch nicht so weiter mit dem alten Männergehabe. Da kommen mir die Männer manchmal vor wie eine Art, die schon zum Aussterben verurteilt ist.

Eva (mit Schmollmund): Och, ihr Armen!

Auch in euren optimistischen Liedern ist die Musik eher melancholisch. Selbst bei Dur-Akkorden gibt es im Hintergrund meist einen Ton, der die Stimmung auf Moll stellt. Ist das Absicht?

Jonas: Ja, dieser Ton wird gezielt gesucht und auch gefunden.

Eva: Wir haben eigentlich gar nicht so viel gemeinsam in der Band, aber das schon, wir mögen es eher in Moll. Außerdem sind wir in unseren Texten ja auch nicht einfach optimistisch, sondern skeptisch dem Glück gegenüber. Es fällt einem nicht in den Schoß, immer wieder die guten Seiten zu sehen, dazu muss man sich entscheiden und das ist manchmal anstrengend. Aber es ist sehr wichtig, Selbstmitleid finde ich schlimm.

Leidet ihr an der Welt?

Eva: Ich schon. Wenn ich die Nachrichten sehe, dann denke ich oft: Wie sollen wir das alles schaffen? Klimawandel, Armut, Fundamentalismus, Kriege …

Jonas: Das geht mir auch so. Allerdings finde ich es schwierig, konkrete Themen in der Musik und den Texten aufzugreifen. Das wirkt oft so aufgesetzt.

Eva, du hast dich immerhin als Vegetarierin für die Tierrechtsorganisation Peta fotografieren lassen und damit öffentlich Stellung genommen. Und du, Jonas, bist auch Vegetarier.

Jonas: Das ist was anderes, das ist ja nicht im Songtext.

Du bist auf dem Land aufgewachsen, Eva und hast gesagt, dort werde lieblos mit den Tieren umgegangen. Sind Bauern etwa nicht tierlieb?

Eva: Ich habe natürlich nicht wirklich Einblick in die Landwirtschaft, aber schon oft den Eindruck „a viech is halt a viech“. Man steckt vorne Futter rein und hinten kommt das Fleisch in Dosen raus. Auf Bio-Höfen gehen die Bauern vielleicht anders damit um.

Hast du einen Bezug zu Bio?

Eva: Soweit man den hat, wenn man eben Bio-Produkte kauft. Ich habe mich auf einem Hof in der Nähe umgesehen, und ein Bekannter betreibt einen Bio-Versand, da habe ich schon mitbekommen, wie es bei den Bios zugeht. Irgendwie ist da noch was Ideelles dabei. Denen reicht es nicht, die Schadstoffgrenzen mal so eben einzuhalten, die wollen mehr.

Jonas: Ich habe mal gelesen: Die Deutschen fahren mit den teuersten Autos zum Einkaufen, kaufen die billigsten Lebensmittel und bereiten sie dann in den teuersten Küchen zu.

Eva: Ja, und bei Bio fühlen sich viele verarscht und über den Tisch gezogen und mäkeln an den Preisen rum. Vorderformschinken für 39 Cent, das finde ich eine Verarsche, das ist pervers.

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