Der „integrierte Landbau“ sorgt durch Werbung und Selbstdarstellung immer wieder für Verunsicherung. Obwohl es sich um eine im Prinzip konventionelle Anbauweise handelt, nehmen viele Verbraucher an, sie sei natur- und umweltgerecht. Elke Röder, Diplom-Agraringenieurin und seit 1989 Geschäftsführerin beim Bundesverband Naturkost Naturwaren Großhandel e.V. (BNN), meint, es ist an der Zeit, sich gegen die Begriffsverwirrung zu wehren.
Gesundheits- und umweltbewusste Verbraucher stehen beim Einkaufen häufig vor einem Rätsel: „naturnaher Anbau“ - ist das nun ein Ausdruck für ein biologisches Produkt? Und was ist mit „integrierter Anbau“ oder „kontrollierter Vertragsanbau?“ Die Liste lässt sich noch weiter fortsetzen. Wortkreationen rund um den ökologischen Landbau sind ein beliebtes Mittel, um den Kunden glauben zu machen, dass die Anbieter seinem Bedürfnis nach Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit entgegenkommen. Eine begriffliche Nähe zu dem, was sich heute als „ökologische Landwirtschaft“ oder „kontrolliert biologischer Anbau (kbA)“ im Bewusstsein der Bevölkerung etabliert hat, als Absatzgarantie?
Definition: Was ist „integrierter Anbau“?
Hinter dieser Wortschöpfung verbirgt sich eine Anbaumethode, die Ende der 70er Jahre langsam in den Pflanzenbau eingeführt wurde. Die ständig steigenden Kosten für Pestizide und deren Ausbringung rechtfertigte bereits seit langem den ökonomischen Nutzen nicht mehr. Auf der anderen Seite wuchs der Druck der Öffentlichkeit wegen der ausufernden Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft.
Das Konzept „integrierter Anbau“ sieht vor, Pestizide (Präperate gegen Schädlinge und Krankheiten) oder Herbizide (Unkrautvernichtungsmittel) nur dann einzusetzen, wenn tatsächlich von einem wirtschaftlichen Schaden ausgegangen werden kann.
Warum oft unnötig viele Mittel zur Schädlingsbekämpfung ausgebracht werden
Eine Selbstverständlichkeit? - Leider nicht! In der Landwirtschaft werden enorme Mengen an Pestiziden aufgrund der pauschalen Empfehlungen der Anbieter ausgebracht. Ob diese Ausbringung tatsächlich notwendig waren und ökonomisch sinnvoll sind, bleibt meist ungeprüft. Integrierter Anbau ist nicht mehr und nicht weniger als „die gute pflanzenbauliche Praxis“ der konventionellen Landwirtschaft.
Warum integrierter Pflanzenbau nicht gleich nachhaltige Landwirtschaft ist
„Ökologischer Landbau“ dagegen ist die moderne, umweltfreundliche Schlüsseltechnologie der Landwirtschaft. - Es geht dabei um wesentlich mehr als um das Weglassen von chemischen Pflanzenbehandlungsmitteln und mineralischem Dünger. Durch den Anbau von Leguminosen (Bohnen, Erbsen etc.), den Einsatz von Stallmist und Kompost kann auf den Feldern eine befriedigende Ernte erreicht werden, ohne dass wasserlösliche Stickstoffdünger eingesetzt werden.
Warum Düngung mit Stickstoff schlecht ist
Der Einsatz der wasserlöslichen mineralischen Düngerführt häufig zu Auswaschungen beispielsweise von Stickstoffverbindungen in das Grundwasser, welches mit hohem finanziellem Aufwand aus öffentlichen Kassen dann wieder gereinigt werden muss. Mit dem Einsatz von Stickstoffdüngern erzielt man zwar höhere Erträge. Aber häufig lagern diese stark gedüngten Kartoffeln, Salate und Gemüse die Stickstoffverbindungen wieder ein. Die Stickstoffverbindungen werden vom Menschen mitgegessen und fördern mit Sicherheit nicht dessen Gesundheit. - Der Einsatz des Stickstoffdüngers steht am Beginn eines negativen Regelkreises für das gesamte System, während eine Landwirtschaft, die im Einklang mit der Natur arbeitet, die positiven Regelkreise zum Vorteil des ganzen Systems nutzt und dafür auf hohe Ernteerträge verzichtet.
Warum integrierter Ackerbau nicht bio ist
Leider hat es in den letzten Jahrzehnten nicht an Bemühungen gemangelt, die Begriffe „bio“ und „öko“ zu missbrauchen oder zu verfälschen. Deshalb hat die Europäische Gemeinschaft 1991 eine Verordnung über den ökologischen Landbau beschlossen. Dieser Verordnung unterliegen alle Lebensmittel, die mit „bio“, „öko“ oder ähnlichen Begriffen gekennzeichnet sind. Dies trifft bisher noch nicht auf tierische Erzeugnisse wie Milch und Fleisch zu. Ein weiterer Kritikpunkt an der Verordnung ist, dass sie sich nicht das Leitbild des Betriebsorganismus zu eigen gemacht hat. Teilumstellungen sind möglich.
Zusätzlich zur Öko-Verordnung können die Kunden und Kundinnen auf ein etabliertes Qualitätssicherungskonzept der Bundesverbände Naturkost Naturwaren (BNN) und der AGÖL-Anbauverbände (Bioland, Demeter, Naturland, GÄA, Biopark, Anog, Biokreis-Ostbayern, Eco Vin, Ökosiegel) zurückgreifen. Die Richtlinien der AGÖL-Verbändeumfassen den gesamten Betriebskreislauf aus Boden, Pflanzen und Tieren und begrenzen die ökologische Wirtschaftsweise nicht künstlich auf einen Betriebszweig wie z.B. den Pflanzenbau oder noch stärker eingeschränkt: nur der Betriebszweig Obstbau wird ökologisch betrieben, während der restliche Betrieb weiterhin konventionell geführt wird.
Aus dem Gesagten wird deutlich, dass weder Produkte aus „integriertem Anbau“ noch aus „kontrolliert integriertem Anbau“ noch Produkte aus „kontrolliertem Vertragsanbau“ usw. irgend etwas im Naturkostladen zu suchen haben. Das Naturkostkonzept steht dafür, dass Produkte aus „ökologischem Anbau“ (der traditionelle Begriff dafür ist kbA = kontrolliert biologischer Anbau) geführt werden.
Diese Unterscheidbarkeit der Begriffe kann den Verbrauchern durch die im Frühjahr 1998 stattfindenden Aktionswochen Ökologischer Landbau erleichtert werden. In mehreren Bundesländern werden im Laufe des Jahres Veranstaltungen und Aktivitäten rund um den ökologischen Landbauorganisiert. Die Bundesverbände Naturkost Naturwaren und ihre Mitgliederwerden sich mit einer Informationskampagne an den Aktionswochen beteiligen.
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