Herr Holzer, Permakultur ist die Bewirtschaftung von Öko-Systemen, die ganz den natürlichen Kreisläufen entspricht und sich an den naturgegebenen Bedingungen orientiert. Was unterscheidet nun die Holzer’sche Permakultur davon?
Mein Prinzip ist auch, mit und nicht gegen die Natur zu arbeiten, und ein natürliches Miteinander von Boden, Wasser, Tieren und Mensch zu ermöglichen. Aber ich habe ein paar „Permakultur-Designer“ erlebt, bei denen steckt alles in Schubladen, und die wollten mir erzählen, was ich wie zu machen hätte. Das ist reine Theorie, „Sumpfbrodlerei“, wie wir im Salzburger Land sagen. Ich gehe weiter: Praktische Holzer’sche Permakultur beinhaltet Landschaftsgestaltung, die Einbeziehung von Bäumen und Sträuchern in die landwirtschaftliche Nutzung, Fischerei, Wasserpflanzenzucht, Tierhaltung, Obstbau, Almwirtschaft und die Kultivierung von Heilkräutern.
Und was machen Sie besser als „klassische“ Permakultur?
Zum einen folge ich nur meinen eigenen Gesetzen. Ich kommuniziere mit der Natur, und dort bekomme ich immer wieder Antworten und die Bestätigung, dass ich mit meiner Arbeit richtig liege. Der größte Unterschied ist, dass ich Landschaftsgestaltung und Landschaftsheilung in großem Stil betreibe. Ich werde in Länder und Regionen überall auf der Welt gerufen, wo kranke und kaputte Landschaften regeneriert werden sollen. Einige haben mich für diesen großen Stil kritisiert, weil ich mit Baggern arbeite. Um Gottes Willen, die haben doch keine Ahnung! Soll man etwa Land, das über Jahrzehnte mit Baggern und Riesenmaschinen flurbereinigt und betoniert wurde, mit Spaten und Schaufel renaturieren?
Funktioniert Holzer’sche Permakultur auch im Kleinen?
Natürlich – überall! Wo ein Wille ist, ist ein Weg: Auf dem Balkon im Großstadthochhaus, an der Hauswand, am Telegrafenmast oder Brückenpfeiler und sogar auf Müllhalden können Sie Wachstum hervorbringen, das habe ich in mehreren Projekten bewiesen. Ich habe in Seminaren mit Teilnehmern aus Slums in Südamerika, Afrika und Indien, wo Kinder auf Müllhalden herumkriechen und weggeworfenes Obst und Gemüse essen, gearbeitet. Wir haben gelernt, Hügelbeete anzulegen, damit aus diesem organischen Müll wieder neue Nahrung wachsen kann. Die Natur bietet für alles eine Lösung!
Ist die Natur von sich aus perfekt?
Da gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Und welche Rolle spielt der Mensch darin?
Der Mensch hat das Hirn geschenkt bekommen, um verantwortlich zu lenken und zu leiten. Aber das Problem ist, dass er sein Hirn vor allem zum Bekämpfen der Natur verwendet. Er meint, er ist gescheiter als die Natur und fängt an, sie auszubeuten. Wenn ich so genanntes Unkraut chemisch bekämpfe, dann bekomme ich von anderen Pflanzen oder Insekten wiederum zu viel, das ganze System – Pflanzen, Tiere, Wasser – gerät aus dem Gleichgewicht und wird krank. Und schuld ist nur der Mensch! Auf meinem Hof habe ich 50 Hektar, auf denen ich überhaupt nichts bekämpfen muss, denn alles hat seinen Sinn und ist auf dem ihm zugedachten Platz.
Sepp Holzer …
… ist Bergbauernsohn und wurde 1942 auf dem elterlichen Krameterhof im Salzburger Land geboren, wo er heute noch lebt. Schon als Kind lernte er durch neugierige Beobachtung die natürlichen Kreisläufe der Landwirtschaft kennen.
Als Zwanzigjähriger übernahm er den in rund 1300 Metern Höhe gelegenen väterlichen Hof, nachdem er zunächst die konventionelle Landwirtschaft erlernt hatte. Als er merkte, dass diese sich negativ auswirkte, besann er sich auf das Wissen, das ihn die Natur selbst gelehrt hatte, und machte den Krameterhof durch eine naturgemäße Bewirtschaftung nach eigenen Vorgaben zum Musterbauernhof. Holzer ist heute weltweit als Experte und Berater gefragt.
www.krameterhof.at
Hat die Arbeit mit der Natur und ihren Bewohnern für Sie auch einen religiösen Aspekt?
Ja, ich arbeite mit dem Schöpfer, der ist bei mir überall mit drin, in den Pflanzen und den Tieren, und auch im Menschen – in dem allerdings oft schon sehr verborgen (lacht).
Sie lieben und achten Ihre Tiere, bezeichnen sie als „liebenswerte Mitarbeiter“. Steht das nicht im Widerspruch dazu, dass Sie sie auch schlachten, verarbeiten, essen?
Das gehört für mich zum Kreislauf dazu. Der Mensch ist nun einmal ein Mischkostesser, auch wenn mir die Vegetarier da widersprechen. Wichtig ist für mich, Alternativen aufzuzeigen zur Tierquälerei und dem industriellen Schlachten. Das heißt, die Tiere zu töten, ohne dass sie unter Stress geraten und Schmerzen leiden müssen. Und danach bin ich es dem Tier auch schuldig, alles von ihm zu verwerten, damit auch alles wieder in den Kreislauf kommt.
Sie haben Ihren eigenen Kopf und sind überzeugt von Ihrem Tun. Menschen wie Sie ecken oft an; Sie selbst sind auch immer wieder mit der Bürokratie in Konflikt geraten. Woher nehmen Sie die Kraft, sich gegen solche Widerstände zu behaupten?
Weil ich im Einklang mit mir selbst lebe. Und weil die Natur mir Kraft gibt. Ich habe von klein auf gelernt, mit Pflanzen, Bäumen, Tieren zu kommunizieren. Manchmal, wenn ich ein Problem habe, lege ich mich unter einen Baum, und im Traum fällt mir dann eine Lösung ein. So finde ich immer wieder meinen eigenen Weg. Ich glaube auch, dass jeder in so engem Kontakt mit der Natur stehen könnte, das ist uns allen in die Wiege gelegt. Aber viele tun, was ihnen aufgezwungen wurde, statt das zu leben, was ihnen von der Natur aufgegeben worden ist. Das kostet Kraft. Es ist schade um jeden Tag, an dem du nicht das lebst, was dir zugedacht ist!
Warum hat sich die Permakultur, wie Sie sie leben und vertreten, bisher so wenig durchgesetzt?
Weil es zu wenig Menschen mit Zivilcourage gibt, die sich vor ihre Natur und ihre Tiere stellen und sie verteidigen gegen die Theoriekrüppel, die von oben herab anordnen, was Landwirte zu tun haben. Und weil sich mit Naturkatastrophen viel Geld verdienen lässt. Menschen, die heute heranwachsen, wissen doch gar nicht mehr, wie Wasser- und Landwirtschaft und die natürlichen Kreisläufe funktionieren. Die glauben das, was Ihnen die Universitäten und die Industrie erzählen. Und genau damit klappt es eben oft nicht, und viele Bauernhöfe sterben.
Könnte jeder auf Permakultur umsteigen? Und könnte die Welt damit ernährt werden?
Zweimal klares Ja. Wenn ein Landwirt bisher alles falsch gemacht hat mit seinem Boden, dann braucht es Zeit. Wer aber einen einigermaßen intakten Boden hat, muss nur wissen, was er will: Tierhaltung? Oder nur Gemüse und Getreide anbauen? Alles ist möglich, und mit der richtigen Bewirtschaftung ist jeder Boden regenerierbar. Und eine gesunde Erde liefert so reichen Ertrag, dass sie uns alle drei Mal ernähren könnte!
Literaturliste
Sepp Holzer
Wüste oder Paradies: Holzer´sche Permakultur jetzt! Von der Renaturierung bedrohter Landschaften über Aqua-Kultur und Biotop-Aufbau bis zum Urban Gardening
Stocker Verlag, 2011
Gebundene Ausgabe, 207 Seiten
21,90 € (Amazon-Preis)Sepp Holzer
Wo ein Wille, da ein Weg
Naturheilwissen, Erfahrung und Kräuterpraxis des Agrar-Rebellen
Goldmann Verlag, 2008
Taschenbuch, 352 Seiten
8,95 € (Amazon-Preis)Sepp Holzer
Der Agrar-Rebell
Goldmann Verlag, 2006
Taschenbuch, 352 Seiten
8,95 € (Amazon-Preis)Sepp Holzer, Claudia Holzer, Josef Andreas Holzer
Sepp Holzers Permakultur: Praktische Anwendung für Garten, Obst und Landwirtschaft
Stocker Verlag, 2004
Gebundene Ausgabe, 304 Seiten
19,90 € (Amazon-Preis)
Schrot&Korn-Redakteurin Helga Boschitz, ein naturverbundenes Stadtkind, traf Sepp Holzer bei einem seiner Praxisseminare und erhielt reichlich Inspiration – unter anderem für die Gestaltung ihres Südbalkons.
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