Anfang dieses Jahres zog der Chemiekonzern BASF die Zulassungsanträge bei der EU für seine genmanipulierten Kartoffelsorten Fortuna, Amadea und Modena zurück. Weitere Investitionen seien „aufgrund der Unwägbarkeiten im regulatorischen Umfeld und drohender Feldzerstörungen“ nicht zu rechtfertigen, argumentierte der Konzern. Das war für gentechnikkritische Menschen eine der zahlreichen Erfolgsmeldungen der letzten Zeit. Sie zeigt auch die zwei wichtigsten Gründe für diese Erfolge.
Da ist zum einen die seit Jahren gleichbleibende öffentliche Ablehnung der Agro-Gentechnik. Sie ist in Deutschland so groß, dass die Bundesregierung bis heute an dem 2009 verhängten Anbauverbot für die genmanipulierte Maissorte MON810 festhält. Auch in vielen anderen EU-Staaten ist die Stimmung gentechnikkritisch. Deshalb schreckte die EU-Kommission bisher davor zurück, weitere genmanipulierte Pflanzen für den Anbau in der EU zuzulassen. Anträge dafür liegen mehrere vor, alle mit Zustimmung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Wesentlich beigetragen zum Rückzug der Agro-Gentechnik in Deutschland haben zum anderen die Menschen, die ihrer Ablehnung konkrete Taten folgen ließen. 2005 gründeten Bio-Bauern und Imker die Initiative Gendreck weg und begannen – öffentlich angekündigt – Felder zu besetzen. Hinzu kamen Aktivisten, die in unangekündigten nächtlichen Aktionen Anbauversuche beendeten. Ihnen ist es zu verdanken, dass für 2013 im Standortregister (www.standortregister.de) noch kein Versuchsfeld angemeldet ist. Doch hat das Leibniz-Ins-titut für Pflanzengenetik bereits die Erlaubnis, im Herbst manipulierten Winterweizen auszusäen.
In der ganzen EU sind 2013 bisher zwei Dutzend Feldversuche neu angemeldet worden, die meisten in Spanien. Dort wird genmanipulierter Mais auch kommerziell angebaut. 116 000 Hektar waren es 2012. Hinzu kamen noch 9 000 Hektar Mais in Portugal, je 3 000 Hektar in Tschechien und Polen und je 200 Hektar in der Slowakei und Rumänien. Mehr nicht. Weltweit hingegen wachsen auf 170 Millionen Hektar genmanipulierte Pflanzen. Das ist fast die fünffache Fläche Deutschlands. Allerdings stammt die Zahl von der International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications (ISAAA), deren Angaben immer wieder als bedingt nachvollziehbar und überhöht kritisiert werden. Denn neben den USA und einigen europäischen Staaten erfassen nur wenige Länder den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Die meisten ISAAA-Zahlen kommen zudem von der Industrie. Der größte Teil des Anbaus entfällt nach wie vor auf Soja, Mais, Raps sowie Baumwolle und findet in einem Dutzend Länder statt, die im großen Stil auf Agro-Gentechnik setzen.
Deren Erzeugnisse kommen dann auch nach Deutschland. 4,5 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaprodukte importieren die hiesigen Ölmühlen und Futtermittelwerke pro Jahr. Ein Großteil davon aus Süd- oder Nordamerika. Die genmanipulierten Bohnen werden ebenso an konventionell gehaltene Tiere verfüttert wie Maiskleber aus Gentech-Mais aus den USA. Von dort könnte demnächst auch anderes wie genmanipulierter Lachs auf den Tisch kommen.
Ein Großteil der gentechnisch veränderten Kulturen wächst in Nord- und Südamerika – allen voran Soja. (Foto: Dusan Costic)
Giftiges Glyphosat
Die meisten Gentechnik-Pflanzen von Monsanto sind gegen das konzerneigene Herbizid Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat resistent. Der Unkrautvernichter hat sich in den letzten Jahren als weitaus gefährlicher für Menschen, Tiere und Umwelt erwiesen als gedacht. Roundup soll die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, Krebs auslösen und Missbildungen verursachen können. Es tötet Amphibien schon in sehr geringen Konzentrationen und wird für die zunehmenden Botulismuserkrankungen bei Rindern verantwortlich gemacht. Auch im menschlichen Urin haben Forscher der Universität Leipzig das Gift schon nachgewiesen.
Lachs bald mit Freischwimmer?
Die Firma Aqua Bounty Technologies hat das Erbgut von Lachsen so manipuliert, dass die Tiere doppelt so schnell wachsen wie ihre natürlichen Artgenossen. Die US-Lebensmittelbehörde FDA erklärte bereits, dass der Verzehr des Gentech-Fisches unbedenklich sei. Ende 2012 verneinte sie auch mögliche ökologische Folgen. US-Verbraucherorganisationen befürchten, dass „Frankenfish“ nun bald zugelassen wird. Gezüchtet werden sollen die Lachse in Panama.
Wo ist Gentechnik drin?
Lebensmittel-Check: In welchen Lebensmitteln kann bei uns zurzeit Agro-Gentechnik enthalten sein?
Zutaten aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) müssen in der EU gekennzeichnet werden. „Enthält genetisch veränderten Mais“ stünde dann zum Beispiel auf der Verpackung. Weil das abschrecken würde, haben die Lebensmittelkonzerne bisher in Europa auf solche Zutaten verzichtet. Wo Agro-Gentechnik nicht deklariert werden muss, wird sie eingesetzt, etwa in den USA.
Bei uns gilt das für genmanipuliertes Soja und Mais im Futtertrog. Der Bauer erfährt zwar, was er verfüttert, doch auf der Verpackung von Milch, Wurst oder Eiern muss es nicht mehr angegeben werden. Der Grund für diese Ausnahme war die hohe Abhängigkeit der konventionellen EU-Tierhaltung von Eiweißfutter aus Übersee.
Ebenfalls außen vor bleiben Zusatzstoffe, Vitamine, Enzyme und Aromen, die von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden. Sie finden sich in zahlreichen konventionellen Lebensmitteln, im Frühstücksbrötchen ebenso wie in der fertigen Lasagne oder im Multivitaminsaft. Nur bei Bio müssen solche Zusätze – sofern sie überhaupt erlaubt sind – gentechnikfrei sein.
Geklonte Tiere, vor allem Rinder, werden in den USA und anderswo schon seit Jahren in der Zucht eingesetzt. Nachkommen stehen auch in EU-Ställen und liefern Milch oder Fleisch – ohne dass jemand von ihrer Herkunft weiß.
Etwa jedes vierte Sojaprodukt ist mit Spuren von Gentech-Soja verunreinigt. Bio-Produkte sind deutlich seltener betroffen, zeigen Analysen. Mais-Produkte sind kaum verunreinigt. Pollen von Gentech-Raps und Gentech-Soja finden sich immer wieder in Importhonigen aus Kanada und Südamerika. Deutscher Honig ist derzeit gentechnikfrei.
Wer weiß, was drin ist? Zusatzstoffe können kritisch sein. (Foto: Printemps)
Ein Logo gibt Auskunft?
Auf manchen Lebensmittel-verpackungen findet sich die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“. Wo ist sie drauf und was sagt sie aus?
Weil der Druck der Verbraucher immer größer wurde, tierische Produkte zu kennzeichnen, wenn genmanipulierte Pflanzen verfüttert wurden, griff die EU 2008 zu einem Trick: Sie erlaubte die Kennzeichnung von gentechnikfreien Lebensmitteln. In Deutschland ist dafür seit 2009 ein einheitliches Logo vorgeschrieben, das vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik verliehen wird. Bei verarbeiteten Lebensmitteln müssen – wie bei Bio – dann auch alle Zusätze nachweisbar gentechnikfrei sein. Beim Tierfutter genügt es jedoch, wenn keine Gentech-Pflanzen in den Trog kommen. Vitamine, Aminosäuren und andere Futterzusätze aus gentechnischer Herstellung bleiben erlaubt. Ohne sie würde die industrielle Tiermast schwieriger.
Im Bio-Tierfutter sind solche Zusätze verboten. Weil Bio-Lebensmittel sowieso gentechnikfrei sein müssen, verzichten die meisten Öko-Hersteller auf das „Ohne Gentechnik“-Logo.
Verwendet wird es verstärkt von konventionellen Molkereien und Eiererzeugern. Doch der Großteil der Lebensmittelwirtschaft verweigert sich dieser Positivkennzeichnung nach wie vor und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, am verdeckten Einsatz der Agro-Gentechnik nichts ändern zu wollen.
Das zeigte sich deutlich im letzten Herbst in Kalifornien, wo die Bürger über ein Gesetz zur Kennzeichnung von Gentech-Zutaten abstimmen sollten. Im Schulterschluss mit Monsanto, BASF und Bayer finanzierten große Lebensmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever, Kraft, Pepsi und Coca-Cola eine millionenteure Gegenkampagne – und gewannen knapp. Doch damit spornten sie das breite Bündnis für eine Kennzeichnung nur noch mehr an. Im Herbst wird im Bundesstaat Washington abgestimmt. 20 weitere sollen bald folgen.
Bei Verunreinigungen bleibt der Bio-Bauer in der Regel auf seinem Schaden sitzen. (Foto: auremar)
Wer schützt die Bauern?
Landwirte, die gentechnikfrei produzieren wollen, müssen sich selbst um den Schutz ihrer Flächen bemühen. Was sagt das deutsche Gentechnik-Recht?
Genau geregelt ist der Abstand. Gentechnik-Maisfelder müssen von konventionellen 150 Meter entfernt sein, von ökologischen Maisäckern 300 Meter. Reichen der Abstand und alle anderen Vorgaben beim Anbau nicht aus und die gentechnikfreie Ernte des Nachbarn wäre verunreinigt, müssten die Gentechnik-Bauern zahlen – aber nur, wenn die Verunreinigung mehr als 0,9 Prozent ausmacht. Doch schon viel geringere Spuren reichen aus, um eine Öko-Ernte unverkäuflich zu machen (s. S. 37). In solchen Fällen zahlt keiner und der Bio-Bauer bleibt auf seinem Schaden sitzen.
Um ihre Erzeugnisse frei von Verunreinigungen zu halten, geben Bio-Bauern und Hersteller jedes Jahr Zehntausende Euro für Analysen aus. Gerecht wäre es, wenn diese Kosten die Verursacher zahlen müssten, also die Hersteller genmanipulierter Pflanzen. Doch das steht nicht im Gesetz. Ebenso wenig gibt es einen Fonds, in den Monsanto & Co. einzahlen, um eventuelle Schäden durch ihre Gentech-Pflanzen abzudecken, für die kein einzelner Bauer haftbar gemacht werden kann – Rückrufe bei Verunreinigungen zum Beispiel können Millionen Euro kosten. Völlig außen vor im Gesetz sind bis heute die Imker. Keine einzige Regelung schützt ihren Honig vor Verunreinigung mit Gentech-Pollen. Seit 2005 sind diese Lücken bekannt. Geschlossen hat sie keine der bisherigen Regierungen.
Weil seit 2009 kein Gentech-Mais mehr kommerziell angebaut wird, gerieten die Paragraphen dafür etwas in Vergessenheit. Doch sollte die EU neue manipulierte Pflanzen für den Anbau zulassen, sind Bauern und Imker nur unzureichend geschützt.
Wackelt die Nulltoleranz?
Immer wieder wird an den Grenzen für Verunreinigungen gerüttelt. Wem nützt das?
Ebenfalls 2011 versuchten die damals schwarz-gelb regierten Bundesländer Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Nulltoleranz für Saatgut zu kippen. Denn jedes Jahr ziehen die Überwachungsbehörden der Länder bei ihren Stichproben einige Partien Saatgut mit Spuren von Gentech-Verunreinigungen aus dem Verkehr. Sehr zum Ärger der Saatgut-Konzerne.
Im vergangenen Jahr unternahm die EU-Kommission einen Vorstoß, die Nulltoleranz für Lebensmittel auszuhebeln. Unterstützung bekam sie von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Sie forderte ebenfalls „die Beendigung der Nulltoleranz-politik der EU und die ehrliche Festlegung von Schwellenwerten für GVO.“
Bisher scheiterten diese Versuche, weil gentechnikkritische Organisationen aufpassten und kurzfristig die Öffentlichkeit alarmierten.
Was ist mit der Umwelt?
Resistentes Unkraut, abgehärtete Schädlinge: Genmanipulierte Pflanzen brauchen nach wenigen Jahren mehr Pestizide.
Der zunehmende Anbau genmanipulierter Pflanzen in den USA hat in den Jahren 1996 bis 2011 zu einem Mehrverbrauch an Pestiziden von 183 Millionen Kilogramm geführt. Das hat der Agrar-ökonom Charles Benbrook von der Washington State University errechnet – aus Daten des US-Landwirtschaftsminis-teriums. Stark gestiegen ist dabei der Verbrauch an Herbiziden, also Unkrautvernichtungsmitteln.
Zahlreiche Unkräuter sind inzwischen gegen den Wirkstoff Glyphosat resistent geworden, der zusammen mit den Gentech-Pflanzen von Monsanto eingesetzt wird. Von 2010 bis 2012 hat sich nach Angaben des Marktforschungsins-tituts Stratus Agri-Marketing die von Superunkräutern befallene Ackerfläche in den USA auf knapp 25 Millionen Hektar nahezu verdoppelt. Sie müssen nicht nur mit mehr, sondern auch mit immer teureren Pestiziden bekämpft werden.
Zudem hat sich gezeigt, dass die Bt-Pflanzen andere Schädlinge anziehen. In indischen Bt-Baumwollfeldern machen sich Läuse breit, in China saugen vermehrt Wanzen an den Pflanzen. US-Maisbauern müssen sich mit einer gefräßigen Raupe, dem Bohnenschneider, herumschlagen. Seitdem steigt der Verbrauch an Insektiziden wieder.
Die drei größten Saatgutkonzerne Monsanto, Pioneer/Dupont und Syngenta gehören gleichzeitig zu den wichtigsten Herstellern von Pestiziden. Und sie kaufen immer mehr Saatgutfirmen auf. Derzeit kontrollieren sie mehr als die Hälfte des weltweiten Marktes.
Wo liegen die Risiken?
Behörden sehen kein gesundheitliches Risiko, Studien schon. Eine Diskussion, die weitere Fragen aufwirft.
Zwei Jahre lang hatte der französische Professor Gilles-Eric Séralini Ratten mit dem Gentech-Mais NK603 von Monsanto gefüttert. Sie starben deutlich früher an Krebs als gentechnikfrei ernährte Tiere. Es war die erste Studie überhaupt, bei der Ratten über ihre ganze Lebenszeit mit Gentech-Mais ernährt wurden. Die Fütterungsversuche der Konzerne dauerten bisher maximal drei Monate.
Statt die Ergebnisse ernst zu nehmen, zerrissen die für Agro-Gentechnik zuständigen Behörden die Séralini-Studie mit den gleichen Argumenten, die zuvor die Gentechnik-Konzerne und ihre Lobbyverbände vorgebracht hatten. Die gleichen Behörden hatten NK603 für harmlos erklärt.
„Die Art und Weise, wie die EFSA Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen bewertet, scheint von der einseitigen Absicht geleitet, jegliche Zweifel an der Sicherheit der Produkte zurückzuweisen“, kommentierte Dr. Christoph Then vom Verein Testbiotech den Vorgang. Er sieht ein Risiko in der innigen Zusammenarbeit zwischen Gentechnik-Forschern, Industrieorganisationen und der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA sowie der deutschen Genehmigungsbehörde BVL. Die bundesdeutschen Verflechtungen in der Gentechnik-Branche dürfen sogar mit höchstrichterlichem Segen als „Seilschaften“ und „Gentechnik-Mafia“ bezeichnet werden. Doch der Widerstand wächst. Zuletzt scheiterte die EU-Kommission bei dem Versuch, eine Chef-lobbyistin der europäischen Lebensmittelindustrie und ehemalige Monsanto-Mitarbeiterin in den Verwaltungsrat der EFSA zu berufen.
Immer giftiger
Der von Monsanto und Dow Chemical entwickelte Mais SmartStax produziert sechs verschiedene Insektizide und ist gegen zwei Herbizide resistent. Er sei über Futtermittelimporte auch in die EU gelangt, sagt der Anti-Gentechnikverein Testbiotech.
Zum Weiterlesen
Aktuelles zum Thema Genfood finden Sie im Internet bei www.genfoodneindanke.de und bei www.keine-gentechnik.de. Dort gibt es auch Links zu und Termine von Aktionen. Richtig zur Sache geht es auf den Seiten der Projektwerkstatt: www.projektwerkstatt.de/gen/index.htm
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