So produktive Mitarbeiter muss man fördern, muss ihre Ansprüche und Bedürfnisse beachten. Josef Braun macht das mit einer Konsequenz, die auch bei Biobauern selten ist. So fährt er nur im Hochsommer und im Februar zum Ernten, Acker pflegen und Aussäen auf seine Felder. Im trockenen Sommer und wenn der Boden gefroren ist, ziehen sich die Würmer in tiefere Bodenschichten zurück. Dann stört sie die Bodenbearbeitung nicht. Den Pflug hat der Biobauer schon vor langer Zeit abgeschafft. Zu tief greifen die 20 bis 30 Zentimeter langen Pflugscharen in den Acker ein und zerstören durch das Wenden des Bodens dessen gewachsene Struktur. Wenn Josef Braun Getreidestoppeln einarbeitet, Unkraut bekämpft und den Boden für die Aussaat vorbereitet, fährt er mit dem Grubber auf den Acker. Der reicht mit seinen kreiselnden Zinken nur sechs Zentimeter tief ins Erdreich.
Schwere Traktoren verdichten den Boden
Als er vor sieben Jahren einen neuen Traktor kaufte, hat Josef Braun seinen Würmern zuliebe ein kleineres Modell genommen. 72 statt 95 PS. „Damals haben die Kollegen gemunkelt, ob es beim Braun jetzt so schlecht ausschaut, dass er sich keinen ordentlichen Bulldog mehr leisten kann“, erzählt er schmunzelnd und grummelt über den Drang der Landmaschinenhersteller und ihrer Kunden zu immer größeren und schwereren Traktoren. Die pressen den Boden so stark zusammen, dass kein Wurm mehr durchkommt. Sein neuer Traktor war zwei Tonnen leichter. Das verringert die Bodenverdichtung. Aus dem gleichen Grund lässt er Luft aus seinen Hinterreifen. Dadurch vergrößert sich die Auflagefläche der Reifen und der Druck auf den Boden sinkt nochmal.
„Ich mag sie schon gerne“, sagt der ruhige Mittvierziger über die Regenwürmer. Aber er will sich nicht auf einen Wurmflüsterer reduzieren lassen. Für ihn sind die Tiere ein Indikator für die Bodenfruchtbarkeit. Mit der Zahl der Würmer steigt auch die der anderen Bodenlebewesen. Das Ökosystem Boden wird stabiler und produktiver. Josef Braun erwähnt den griechischen Schriftsteller Herodot. Der hatte im fünften Jahrhundert vor Christus die Fruchtbarkeit Mesopotamiens beschrieben. Aus einem Scheffel Saatgut habe man dort bis zu 300 Scheffel Getreide geerntet. „Die Erträge lagen damals drei- bis zehnmal höher als heute mit der modernen Landwirtschaft.“ Das zeigt ihm, was möglich ist, wenn man mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie.
Würmer pflegen das Ökosystem Boden
Tolle Erträge hatte der Jungbauer Josef Braun auch vor 25 Jahren in die Scheuer gefahren. Mit Pestiziden und Kunstdünger kannte er sich bestens aus. Für die „Ökos“ hatte er damals wenig Verständnis. Aber er redete mit ihnen. In der Landjugend, in der er aktiv war, und im gemeinsamen Widerstand gegen den geplanten Münchner Flughafen. Er spritzte etwas weniger, „aber das war ein Irrweg“. Nachdem die ersten vier Töchter auf der Welt waren, beschlossen Josef und Irene Braun, den Hof auf Bio umzustellen. Genauso gründlich, wie er einst Chemiebauer gelernt hatte, arbeitete sich der junge Landwirt nun in den organisch-biologischen Landbau ein. Für dessen Gründer war die Bodenfruchtbarkeit das entscheidende Thema. Bücher und die vielen Kontakte mit anderen Biopionieren haben ihm „Vertrauen in die natürliche Fruchtbarkeit der Erde vermittelt“, erinnert sich Josef Braun. Heute gibt er seine Erfahrungen an andere Bauern weiter. Etwa, warum er sich die Arbeit macht, den Mist seiner 22 Milchkühe zu kompostieren. Er hat dafür eigens eine Anlage gebaut, mischt den Mist mit Streuwiesenmahd, Holzhäcksel und Erde und lässt ihn sechs Wochen rotten. „Der Kompost ist Sauerteig für den Boden“, beschreibt Josef Braun die positive Wirkung. Die zerkleinerten, verrotteten Pflanzenteile sind Futter für die Würmer und andere Bodenlebewesen.
Mischkultur: wurzelt unterschiedlich tief
Wichtig ist Josef Braun, dass der Boden zu 100 Prozent durchwurzelt ist. Deshalb baut er Pflanzen zusammen an, die verschieden tief wurzeln, etwa Hafer, Leindotter und Kleegras. Das stabilisiert die Bodenstrukturen und macht das Ökosystem weniger anfällig. „Mischkultur ist Vollwerternährung für das Bodenleben“, lobt der Bioland-Bauer die Vielfalt auf dem Acker. In diesem Jahr will er eine besondere Mischkultur ausprobieren und zwischen das Getreide Reihen mit schnellwachsenden Hölzern pflanzen. Das Ganze ist ein Forschungsprojekt zusammen mit der Universität Weihenstephan.
Von Anfang an hat Josef Braun eng mit Wissenschaftlern zusammengearbeitet. Rund zwei Dutzend Diplomarbeiten und Dissertationen entstanden auf seinem Hof. Der Austausch mit den Forschern, ihre kritischen Fragen, sind ihm wichtig. In letzter Zeit beschäftigt ihn besonders der Zusammenhang zwischen
Klimaschutz und Bodenfruchtbarkeit. Wer Humus aufbaut, entzieht der Atmosphäre Kohlendioxid. Das können mehrere Tonnen pro Hektar und Jahr sein. Ein wichtiger Grund mehr, das Bodenleben zu fördern.
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