Umwelt

Das Moor als Patenkind

UMWELTSCHUTZ Dem Diepholzer Moor drohte das Aus. Der Bio-Hersteller Lebensbaum hilft, diesen einzigartigen Lebensraum zu erhalten.

Yorick und Marcel kommen richtig ins Schwitzen, obwohl es empfindlich kalt ist an diesem Donnerstag im Winter: Seit zwanzig Minuten sägen sie jetzt schon abwechselnd oder gemeinsam am Stamm dieser Birke. Sie ist eine der dickeren und größeren hier. Sicher ein halber Meter Umfang und fünf Meter hoch. Aber gleich ist es geschafft. Dass der Baum jetzt schon bedenklich wackelt, gibt den beiden Auszubildenden wieder neuen Mut, frische Kraft und die Hoffnung, dass er gleich fällt. Und tatsächlich: Nachdem sie noch ein bisschen gesägt haben und zu zweit fest gegen den Stamm drücken, neigt sich die Birke immer mehr, ein lautes Splittern von Holz ist zu hören, dann fällt der Stamm. Yorick Sanders und Marcel Pargmann, beide Auszubildende zur Fachkraft für Lagerlogistik, lachen: „Geschafft!“ Dorothee Wibbing vom Naturschutzring Dümmer e.V., die die Renaturierungsmaßnahmen im Moor betreut, steht lächelnd daneben und freut sich: Wieder ein kleiner Schritt für den Naturschutz. Wie bitte? Bäume fällen für den Naturschutz? Ja, hier im Moor stimmt das! Dass diese Birke nicht mehr weiter wächst, dass sie gefällt wurde, ist ein weiterer kleiner Erfolg auf dem Weg zur Renaturierung des Diepholzer Moors.

Dorothee Wibbing erklärt, dass Moorlandschaften viele Jahrhunderte lang als reine Rohstoffreservate angesehen worden sind. Torf war ein Produkt, das man in großen Mengen abbauen und relativ teuer verkaufen konnte. Zunächst wurde er fast ausschließlich als Brennmaterial verwendet. Die Asche, die übrig blieb, nutzten Bauern der Umgebung gerne als billigen Dünger. Eine Zeitlang wurden mit Torfballen auch Häuser gebaut.

Problem „Torf“ wird immer mehr Menschen bewusst

Heute wird Torf vor allem an Gärtnereien, Pflanzenzüchter und auch an Privatleute für ihre Gärten und Balkonkästen verkauft. „Erst seit einiger Zeit hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt, dass der Torf-Abbau Moore zerstört. Und dass Torf auch gut ersetzt werden kann, zum Beispiel durch Kompost“, sagt Dorothee Wibbing und blickt sich um.
16 Auszubildende der Firma Lebensbaum tummeln sich um sie herum im Diepholzer Moor. Sie haben Sägen, Astscheren und Äxte dabei, um Teile des Moors zu „entkusseln“. So nennt man es, wenn Bäume und Gestrüpp entfernt werden, die eigentlich nicht ins Moor gehören. „Der Wasserstand ist in diesem Gebiet hier durch den Torf-Abbau in den vergangenen Jahrzehnten stark gefallen“, erklärt Dieter Tornow, der Naturschutzbeauftragte für den Südkreis Diepholz, der sich ebenfalls die Renaturierungsarbeiten der Lebensbaum-Azubis anschaut. Er hat natürlich auch Handschuhe dabei und packt mit an, hilft den Auszubildenden.

„Wenn der Wasserstand zu niedrig ist, steht nicht alles unter Wasser. Mit das erste, was dann wächst, sind Birken.“ Die haben aber im Moor nichts zu suchen; sie werden gefällt, weil sie zu viel Wasser binden. Durch die Anlage von wasserdichten Naturdämmen und den Regen wird der Wasserstand nun nach und nach immer mehr steigen. So entsteht bald wieder ein richtiges Moor. „Das wird dauern“, mahnt Dieter Tornow zu Geduld, „aber diese Arbeiten der Auszubildenden sind ganz wichtig!“

Er geht zu einer Wasserfläche, greift am Ufer mit der bloßen Hand ins Wasser und holt ein grünes Gewächs heraus. „Das wächst hier nur, wenn es genug Wasser gibt. Das ist Torfmoos“, sagt er, „es kann das 10- bis 20-fache seines Volumens an Wasser aufnehmen!“ Er schließt seine Hand: Und tatsächlich fließt unglaublich viel Wasser aus seiner Faust. Als er die Hand wieder öffnet, sind relativ trockene, saftig grüne, faserige Pflanzenteile zu sehen. Das Moos sieht aus wie trockener Schwamm.

Von Links: Yorick Sanders und Marcel Pargmann, beide Auszubildende zur Fachkraft für Lagerlogistik, im Kampf mit einer kleineren Birke. / Zwei von 16 Auszubildenden, die im Diepholzer Moor mitgearbeitet haben. / Dieter Tornow, links, und Dorothee Wibbing erklären Manfred Loosen das Moor. (© Thomas Langreder)

Torfmoos: Der Stoff, aus dem das Moor besteht

„Torfmoos hat keine Wurzeln“, sagt Tornow, „wenn ich es wieder ins Wasser werfe, saugt es sich sofort wieder mit Wasser voll.“ Er tut es: Die Pflanzenfasern breiten sich sofort auf der Wasseroberfläche aus. „Torfmoos wächst oben immer weiter; die unteren, älteren Teile sterben ab, weil sie kaum Licht und keine Luft bekommen, und sind wichtige Bestandteile des Moors.“ Torfmoos und die vielen anderen Pflanzen im Moor brauchen aber viel Wasser. Deshalb ist es wichtig, dass im Moor Naturdämme errichtet werden, die das Wasser zurückhalten. Dieter Tornow und Dorothee Wibbing gehen immer wieder ins Moor und kontrollieren, dass auch alle Dämme dicht sind. Wenn irgendwo Wasser abfließt, fällt der Wasserstand. Und das darf nicht sein.

Die Moor-Aktion von Lebensbaum hat mittlerweile schon Tradition: Vor fünf Jahren übernahm das Unternehmen, das Tee, Kaffee und Gewürze in die Bio-Läden liefert, die Patenschaft für das Diepholzer Moor. Es liegt in direkter Nachbarschaft zum Firmenstandort. „Einige Mitarbeiter verbringen bei gutem Wetter auch schon mal ihre Mittagspause da“, sagt Maren Walter, die Tochter des Firmengründers Ulrich Walter. Sie ist so etwas wie die „Moorbeauftrage“ des Unternehmens; und das von Anfang an als Lebensbaum begann, sich um diesen bedrohten Lebensraum zu kümmern. „Das Moor ist ein bedeutsamer Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, die sich auf diese besondere Landschaft spezialisiert haben“, sagt Maren Walter. Hier findet man zum Beispiel fleischfressende Pflanzen oder die Kupferglucke, einen sehr selten gewordenen Schmetterling.

Das Diepholzer Moor bildet zusammen mit 14 weiteren Mooren ein etwa 24 000 Hektar großes Gebiet: die Diepholzer Moorniederung. Sie ist bisher zu knapp einem Drittel renaturiert. Und es geht weiter. Das ist gut fürs Klima. Denn trockengelegte Moore geben große Mengen Kohlendioxid an die Umwelt ab. Im Fall der Diepholzer Moore geht man von fast einer Million Tonnen im Jahr aus. Ein intaktes Moor wirkt genau entgegengesetzt: Es ist ein gewaltiger Kohlendioxid-Speicher, reduziert in großer Menge Treibhausgase. Ein weiterer, wichtiger Nebeneffekt: Bedrohte Tier- und Pflanzenarten kehren zurück; zum Beispiel durch die Anlage von Frosch-Laichgewässern.

So muss ein Moor aussehen: viel Wasser, keine Birken. (© Thomas Langreder)

Arbeitskraft und Geldfür das Patenkind

Das ist ein Grund, warum sich Lebensbaum im Diepholzer Moor engagiert; nicht nur mit Muskelkraft, sondern zusätzlich finanziell: Gut 20 000 Euro fließen jedes Jahr in das Projekt. Lebensbaum hat auch geholfen, das „Europäische Fachzentrum Moor und Klima“ mit aufzubauen. Das begleitet die Renaturierung von Mooren wissenschaftlich und ist Informationszentrum und Anlaufstelle für Wissenschaftler, Moorpflege-Experten und Ornithologen in einem.
Nach der Mooraktion kehren die Azubis in die Firma zurück, vorbei an Straßen, die davon zeugen, wie wichtig diese Landschaft seit Jahrhunderten für die Stadt ist: Da gibt es die Moorhäuser Straße, die Moorstraße, die Alte Moorstraße und auch den Neuen Moordamm.

Baumfällen für die Natur

Birken haben in einem Moor nichts zu suchen. Deshalb wird seit Jahren „ent-
kusselt“: Birken und Gestrüpp entfernt.

Mehr zum Europäischen Fachzentrum Moor und Klima in der Diepholzer Moorniederung steht im Internet:

www.moorwelten.de

Firmen-Steckbrief: Lebensbaum, der Tee-, Kaffee- und Gewürzspezialist

Im Sommer 1979 übernimmt Ulrich Walter den Bio-Laden der norddeutschen Kleinstadt Diepholz. Schnell muss er feststellen: Tee, Kaffee und Gewürze in Bio-Qualität gibt es nicht. Also macht er sich auf die Suche.
Seine Reisen führen ihn nach Südfrankreich, Ägypten und später bis nach Indien. So wird aus dem kleinen Bio-Laden Lebensbaum ein mittelständisches Unternehmen, das sich auf die Herstellung und Vermarktung von Tee, Kaffee und Gewürzen in Bio-Qualität spezialisiert hat.

Heute arbeiten bei Lebensbaum 155 Menschen. Im Rahmen der Lebensbaum-Ausbildungsinitiative werden 17 junge Menschen aus der Region ausgebildet. Die Lebensbaum-Synthese aus Genuss, ökologischer Weitsicht und sozialer Verantwortung ist seitdem erfolgreiches Unternehmenskonzept. Dafür wurde Lebensbaum im vergangenen Jahr mit dem CSR-Preis der Bundesregierung ausgezeichnet.

www.lebensbaum.de

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