Umwelt

Biovegan macht Schluss mit Plastik

Biovegan hat ein ehrgeiziges Ziel: Bis Ende 2020 soll Kunststoff aus dem Bio-Unternehmen verschwinden. Wie Verpackungen, Textmarker, Müll­beutel & Co. ersetzt werden, hat sich unser Redakteur Manfred Loosen vor Ort angeschaut.

Was riecht denn hier so lecker? Vanille? Schokolade? Wahrscheinlich beides! Die große Empfangshalle von Biovegan, dem Bio-Hersteller aus Bonefeld im Westerwald, ist erfüllt von einem köstlichen Geruch. Pia Marschinke hat in der offenen Küche im Empfangsbereich gebacken. Nun mag es nicht weiter verwundern, wenn bei einem Hersteller für Backzutaten und Backmischungen gebacken wird. Doch die Schokoladen-Plätzchen, die Pia Marschinke eben dampfend aus dem Ofen geholt hat, sind nicht einfach nur Kekse, sondern essenzieller Bestandteil eines großen Plans: Biovegan möchte bis Ende 2020 ein komplett plastik­freies Unternehmen werden.

Komplett meint komplett. Und das heißt auch, dass die Plätzchen, die Gästen und Besuchern von Biovegan angeboten werden, nun selbst gebacken werden. „Früher“, sagt Geschäftsführerin Nicol Gärtner, „haben wir eine Packung Kekse aus dem Bio-Laden aufgemacht.“ Die gekauften Kekse waren aber in Plastik verpackt. Und da Biovegan nun möglichst jeden Fitzel Kunststoff einsparen möchte, wurden sie ersetzt.

Gegen die Vermüllung der Meere

Ein Blick auf den Empfangstresen macht klar: Die meinen das ernst! Da gibt es keine Klarsichthüllen, keinen Klebefilmspender, keinen Textmarker, keine Kunststoff-Kugelschreiber mehr. Hier wird sichtbar, wie daran gearbeitet wird, Plastik aus dem gesamten Unternehmen zu verbannen. Vor zwei Jahren hat Biovegan diesen Plan gefasst. Dabei stand für Nicol Gärtner nicht im Mittelpunkt, ob alternative Verpackungen eine bessere Klimabilanz oder einen besseren ökologischen Fußabdruck haben. „Wir haben Bilder von der Vermüllung der Meere gesehen“, erklärt Geschäftsführerin Nicol Gärtner. „Es ging uns um die Unmengen an Plastik in den Ozeanen. Und wenn mir jemand sagt, eine Jutetasche sei für die Umwelt vielleicht auch nicht unbedingt besser, dann antworte ich: ,An Jutetaschen ist aber noch kein Fisch verendet!‘“

Und damit auch ein gewisser selbstauferlegter Druck da war, hat sich Biovegan den 31. Dezember 2020 als Termin gesetzt. „Bis dahin wollen wir ein plastikfreier Betrieb sein!“, sagt Nicol Gärtner. Los ging‘s schon im Frühjahr 2018. Da entstand für das erste Biovegan-Produkt, das Meister Backpulver, eine kompostierbare Verpackung. Seitdem wurde Produkt für Produkt auf eine plastikfreie Verpackung umgestellt. Anfang dieses Jahres kamen bereits 80 Prozent aller Biovegan-Produkte in kompostierbare Tüten. Das bedeutete: 24 .000 Kilogramm weniger Müll.

Über Nicol Gärtner und Biovegan

Nicol Gärtner ist Geschäfts­führerin von Biovegan.

Nicol Gärtner ist Geschäftsführerin von Biovegan. Der Name ist Programm: Die Firma stellt nur vegane Bio-Produkte her. Ihre Mutter, Käthe Henneke, hat die Firma 1986 gegründet als „Vollwertkost Service Käthe Henneke“. Die ersten Produkte waren Backpulver, Trockenhefe und Sauerteig-Extrakt. Zunächst hatte die Firma sechs Mitarbeiter, jetzt – 34 Jahre später – sind es 70. Biovegan stellt heute mehr als 100 Produkte für den Bio-Fachhandel her und ist nach eigenen Angaben führender Anbieter von Bio-Backhilfsmitteln und -zutaten dort. Seit zehn Jahren sind Nicol Gärtner und ihr Mann Matthias Geschäftsführer von Biovegan.

Zur Website von Biovegan

„Bei den Pulvern war das schnell gemacht“, sagt Nicol Gärtner. „Wir konnten dasselbe Verpackungsmaterial verwenden wie beim Backpulver.“ Nämlich eine Kombination aus Papier und kompostierbarer Folie. Ebenfalls unproblematisch war es, eine neue Verpackung für die flüssigen Produkte im Sortiment von Biovegan zu finden. Künftig werden die Karamell-, Erdbeer- und Schokoladensaucen in Glas abgefüllt.

„Plastikvermeiderin“ eingestellt


Aber nicht immer gestaltet sich die Umstellung so einfach. Deswegen hat Biovegan extra eine Mitarbeiterin eingestellt: Elena Krämer ist gelernte Journalistin, hat sich jetzt aber voll und ganz dem Auftrag verschrieben, bei Biovegan jeden Kunststoff aus Produktion, Lager und Verwaltung zu verbannen. Sie ist die „Plastikvermeiderin“ des Betriebs.

Beispiel Vanilleschote: Der erste Versuch, diese in einem Glasröhrchen mit einem kleinen Korken zu verpacken, sei gescheitert, sagt sie. Die Vanilleschote sei ausgetrocknet. Also werde weiter experimentiert.Qualität der Produkte darf nicht leidenEin Problem ergibt sich auch beim Sauerteig. Wegen seiner Säure muss hier ein stabileres Verpackungsmaterial gefunden werden. Daran wird aktuell gearbeitet. Ebenfalls problematisch: In der Backmischung für Schokokuchen ist Fett enthalten. Fett würde Papier aber total durchweichen. Deshalb kann diese Masse nicht nur in Papier verpackt werden. Denn klar ist auch: Die Qualität darf und soll natürlich nicht leiden.

„Wir denken sehr viel über die Optimierung unserer Verpackungen nach“, erzählt Elena Krämer. Allerdings wirft die Firma – aus Nachhaltigkeitsgründen – keine Verpackungen weg, die noch auf Lager sind. Elena Krämer nimmt eine leere Dose für Agar-Agar in die Hand und sagt: „Von diesen Dosen zum Beispiel, die aus Pappe, Alu und Plastik bestehen, haben wir noch sehr viele. Die werden wir natürlich aufbrauchen.“

Wenn mir jemand sagt, eine Jutetasche sei für die Umwelt vielleicht auch nicht unbedingt besser, dann antworte ich: ,An Jutetaschen ist aber noch kein Fisch verendet!‘

Nicol Gärtner, Geschäftsführerin Biovegan

Elena Krämer spürt nicht nur Kunststoff in den Verpackungen auf, sondern im ganzen Unternehmen. Das zeigt sich, als wir uns zur Betriebsführung durch die Lebensmittelproduktion aufmachen: Aus Hygienegründen müssen Besucher Hauben für die Haare aufsetzen. Sie bestehen noch aus dünnem Plastik und werden bald durch Hauben aus reiner Bio-Baumwolle ersetzt. Diese können dann nach jeder Benutzung bei 60 Grad Celsius gewaschen werden. Bereits abgeschafft wurden die Einweg-Kittel. Jetzt bekommt jeder Gast einen weißen Baumwollkittel, der danach gewaschen und wiederverwendet wird.

Mit Baumwollkittel und Plastikhaube dürfen wir in die Produktion von Biovegan. Mitarbeiter, die auch alle hygienische Kleidung tragen, stehen an Tischen, auf denen noch einige Eimer aus Plastik, aber auch schon solche aus Metall stehen. Darin messen die Mitarbeiter bestimmte Mengen der Rohstoffe ab, die dann maschinell gemischt werden. Die blinkenden Metallgefäße sollen nach und nach die Plastikeimer ersetzen.Die Abpackmaschinen für Pulver mussten wegen der Umstellung auf neue, plastikfreie Materialien nicht ausgewechselt werden, sagt Elena Krämer. Sie füllen weiter in rasendem Tempo Backpulver und andere Produkte in kleine, jetzt umweltfreundliche Tütchen, die dann genauso schnell zu dritt mit kompostierbarer Folie zu dem Produkt gemacht werden, das man im Bio-Laden kaufen kann.

Wir gehen weiter in eine Küche, in der immer wieder – zum Beispiel für Instagram – Filme gedreht werden. Darin wird gezeigt, was man mit Biovegan-­Produkten alles backen kann. Dabei kommen die Zuaten nicht, wie früher, aus Plastikgefäßen: Überall stehen kleine und große bauchige Gläser mit Mehl, Zucker, Salz, Gewürzen. Weiter in die Büros: Auch hier, in der Verwaltung, wird der Verzicht auf Kunststoff strikt umgesetzt. Auf den Schreibtischen geht’s plastikfrei zu: von den Linealen über die Ablagekörbchen bis hin zu den Kugelschreibern besteht alles aus Holz, und sogar bei deren Minen achtet man auf Plastikfreiheit: Sie sind aus Metall.

Biovegan hat schon 35 Tonnen Plastik eingespart

Wieder unten in der Küche, in der vorhin die Schokokekse gebacken wurden, schauen wir in den Kühlschrank, in dem die Biovegan-Mitarbeiter ihre von zu Hause mitgebrachten Lebensmittel unterbringen können – kaum Plastikdosen. Wer sich von zu Hause ein Butterbrot mit zur Arbeit nimmt, wird gebeten, das nicht in einem Plastikgefäß mitzubringen, sondern in einer Metalldose. Nicol Gärtner findet das nur logisch: „Wir wollen bei unserem Feldzug gegen Plastik niemandem etwas aufzwingen. Wir wollen alle Mitarbeiter mitnehmen, alle sollen davon überzeugt sein, dass wir zusammen das Richtige tun“, sagt sie. Die meisten seien sehr motiviert, beim Plastik-Verzicht mitzumachen. Das habe man durch regelmäßige Betriebsversammlungen erreicht, in denen erklärt worden sei, warum Plastik vermieden werden solle, und wie man es schaffe, ohne Plastik zu leben. Einweg-Trinkflaschen sind bei Biovegan genauso tabu wie Joghurtbecher aus Kunststoff. Milch für Kaffee gibt es – natürlich – nicht im Tetrapack, in dem auch Plastik steckt, sondern aus der Glasflasche vom Bio-Bauern.

Auf großen Plakaten aktualisiert Biovegan den Erfolg des Plastik-Sparens Woche für Woche. Da steht die aktuelle Zahl, wie viele Tonnen Kunststoff durch das Umsetzen der Maßnahmen schon eingespart wurden. Als wir zu Besuch waren, standen fast 35 Tonnen zu Buche. 24 Tonnen davon wurden allein durch die neuen, plastikfreien Verpackungsmaterialien erreicht. Zahlen, die jeden bei Biovegan Tag für Tag stolz machen.

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