Pro
Natürlich hat es vor allem ökonomische Gründe, warum der Verband Bioland jetzt eine Kooperation mit dem Discounter Lidl eingeht. Wir wissen natürlich, dass Bio-Läden in ihrer Ursprungsidee eine ganz andere Leidenschaft und Überzeugung haben. Mit ihr sind viele von uns vor 20, 30, 40 Jahren ganz klein gestartet. Heute bewegt sich der Bio-Markt in anderen Dimensionen. Längst ist der Öko-Landbau raus aus der Nische. Wir müssen größer denken, wenn wir Bio für alle wollen. Die Bio-Anbauflächen wachsen und das ist gut so. Es sollen ja möglichst viele Flächen in Deutschland und weltweit ökologisch angebaut werden. Der Bioland-Verband konnte Bauern und Anbauflächen hinzugewinnen. Und deren Produkte müssen verkauft werden. Wenn der Verband nicht verkauft, stellen die neu hinzugewonnenen Bauern wieder zurück um auf konventionell. Das können wir nicht wollen. Es musste eine Öffnung des Marktes stattfinden.
Ich sehe das nicht blind, aber Wir müssen größer denken.
Überraschend dabei war höchstens, dass Lidl der Partner werden würde. Natürlich sehe ich das nicht blind. Und ob es gut gehen wird, wissen wir erst in fünf Jahren. Ich wette allerdings, Lidl hat noch nie so einen Vertrag unterschrieben, wie jetzt mit Bioland. Was Preisbindung angeht, Sozialstandards und so weiter, macht Lidl jetzt auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung. Und ob sie das aus Leidenschaft oder aus Marketing-Gründen machen, ist für mich erst mal zweitrangig. Für Bioland geht es jetzt darum, diese hohen Standards durchzuziehen.
Thomas Wolff
...ist Geschäftsführer von Querbeet, dem größten Bio-Direktvermarkter im Rhein-Main-Gebiet. Er beschäftigt circa 90 Mitarbeiter im Anbau, an Marktständen und im Lieferservice.
Contra
Wenn ein Discounter 98 Prozent seines Umsatzes mit konventionellen Produkten macht und zwei Prozent mit Bioland-Lebensmitteln, stellt sich mir schon die Frage nach der Glaubwürdigkeit. Will Lidl etwas für die ökologische Landwirtschaft tun, für Bio-Bauern und Verarbeiter? Oder will Lidl sich nur sein Image polieren? Die Zukunft wird zeigen, ob der Deal mit Bioland ein Schritt in Richtung ökologische Zukunft ist oder eine simple Marketing-Strategie des Konzerns. Bei vielen Verbrauchern entsteht durch die Nachricht ja der positive Eindruck: Bei Lidl gibt es Bioland-Produkte jetzt „Hamma günstig“. Aber diese Geiz-ist-geil-Mentalität geht in die falsche Richtung. Das riecht nach Preisdruck auf Bauern und Erzeuger und hat mit dem Bio-Gedanken nichts mehr zu tun. Preisdruck und Tierschutz gehen einfach nicht zusammen. Eine anständige Tierhaltung kostet. Und die „Bio-für-alle-und-alles-weiter-wie-bisher-Strategie“ ist eine Illusion.
Preisdruck und Tierschutz gehen nicht zusammen.
Wir können nicht wie wild immer weiter konsumieren, Unmengen tierischer Produkte essen, die von degenerierten Hochleistungsrassen stammen – leider auch bei Bio. Tierschutz etwa funktioniert nur, wenn wir die Bauern anständig bezahlen. Ich unterstelle mal, dass einem Konzern regionale, kleinbäuerliche Strukturen egal sind. Mir sind faire Handelsbeziehungen wichtig. Ich kenne meine Lieferanten persönlich, mit dem Eierlieferanten etwa trinke ich fast jede Woche Cappuccino, wenn er mir die Eier bringt. Diese Transparenz schafft Vertrauen und bringt Ethik in den Handel.
Mario Blandamura
ist Gründer und Geschäftsführer vom Paradieschen, einem Bio-Laden mit über 100 Mitarbeitern in Linsengericht.
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