Umwelt

Bio aus Afrika: Warum es wichtig ist

Der ökologische Anbau von Gewürzen, Kaffee, Tee und Mangos ist für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern eine Chance. Wenn sie für ihre Produkte Absatzmärkte finden, zum Beispiel in Deutschland. Ein Blick nach Afrika.

Für Mussa Bakari hat der Bio-Anbau drei große Vorteile: „Ich werde geschult, kann meine Produkte gut verkaufen und bekomme pünktlich mein Geld“, erzählt der Bauer aus Kwamhosi, einem kleinen Dorf in den Usambara-Bergen in Tansania in Ostafrika. Er baut Zitronengras für den österreichischen Tee- und Kräuterspezialisten Sonnentor an, auf dessen Webseite ein Video mit ihm zu sehen ist.

Zitronengras, Mango, Wildkaffee: Bio-Projekte in Afrika

Das Verbindungsglied zwischen Mussa Bakari und Sonnentor heißt Cleopa Ayo, ist Sozialunternehmer und Chef der Firma GFP Organics Limited. Der Tansanier war Hotelmanager, bevor er sich entschloss, ins Bio-Gewürz-Geschäft einzusteigen – um den Menschen in seiner Heimat Arbeit und Perspektive zu geben. Inzwischen sind es über 600 Bauern, die er mit seiner Firma betreut und deren Ernte an Pfeffer, Nelken, Zitronengras und anderen Gewürzen er verarbeitet und verkauft. Der Kontakt zu Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann kam 2011 auf der BioFach-Messe zustande. „Mir hat gefallen, dass er sich nicht nur für die Qualität unserer Produkte interessierte“, erzählt Cleopa Ayo in einem weiteren Sonnentor-Video. „Er wollte unsere Bauern kennenlernen und wissen, wie wir mit ihnen umgehen.“

Partnerschaften wie diese gibt es einige zwischen afrikanischen Bauern und Bio-Herstellern. Die Firma Egesun bezieht ihre Morgenland-Mangos seit über zehn Jahren aus dem westafrikanischen Burkina Faso. Auch hier war es ein engagierter Einheimischer, Fogué Kouduahodie, der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern überzeugte, Mangos biologisch anzubauen und einen deutschen Partner als Abnehmer für die getrockneten Früchte fand. Seit einigen Jahren baut Morgenland ein zweites Mangoprojekt mit einem Unternehmen aus Mali auf. Die ersten Früchte daraus kamen letztes Jahr in die Bio-Läden. Original Food arbeitet mit 18.000 Kleinbauern in Äthiopien zusammen, die im Regenwald Wildkaffee sammeln. Die Kosten für die Bio-Zertifizierung hat das Unternehmen übernommen; der Wald steht dank des Projekts inzwischen unter Schutz.

Wie Bio ist Afrika?

Trotz solcher erfolgreichen Beispiele ist der Bio-Anteil in Afrika gering. 2020 gab es auf dem ganzen Kontinent 834.000 Bio-Bauern und -Bäuerinnen, die insgesamt 2,1 Millionen Hektar Land bewirtschafteten, so das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL). Das entspricht 0,2 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche. Im Schnitt verfügt ein Bio-Landwirt über 2,5 Hektar Land. Es sind also fast immer Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die bio anbauen. Überhaupt sind 90 Prozent aller Landwirte in Afrika Kleinbauern. Auf ihren kleinen Feldern stellen sie jedoch 70 bis 80 Prozent der lokalen Lebensmittel her. Gleichzeitig sind sie besonders stark von Armut und Hunger betroffen. Durch den Verkauf ihrer geringen Überschüsse verdienen sie nur wenig Geld und wenn Dürre, Überschwemmungen oder Schädlinge ihre Ernte vernichten, haben sie nichts zu essen.

Diese Vorteile bringt der Bio-Landbau

Bessere Preise

„Der Bio-Anbau kann die Produktivität und die Einkommen der Bauern deutlich erhöhen und damit substanziell zu einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika beitragen“, schreibt das FiBL. Dessen Wissenschaftler sind seit 20 Jahren in Afrika engagiert, sie vergleichen in Kenia seit 2007 biologische Landwirtschaft und konventionellen Anbau und haben in den letzten Jahren große Feldstudien mit Tausenden von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Ganz einfach ist das mit dem Bio-Landbau in Afrika, insbesondere südlich der Sahara, nicht.

Bessere Böden

„Was eindeutig ist. Die Bodenverhältnisse in den Bio-Betrieben haben sich verbessert, sie sind besser gewappnet für trockene Jahre“, fasst Gian Nicolay, der beim FiBL die Afrika-Aktivitäten koordiniert, die Ergebnisse der Langzeitversuche in Kenia und anderer Forschungsprojekte außerhalb Kenias zusammen. Durch die fruchtbareren Böden konnten die beteiligten Bauern mehr produzieren und damit auch bessere Einkommen erzielen. Das große Aber: „Dies gilt für Betriebe, die aktiv Techniken der biologischen Landwirtschaft wie Kompostieren oder Mulchen einsetzen und ihren Boden dauerhaft bedeckt halten.“ Doch die Feldstudien zeigen, dass dies selbst bei Bio-Bäuerinnen und -Bauern trotz Beratung nur eine Minderheit macht. „Sehr oft reduzieren die Bauern Bio auf das Weglassen von synthetischen Pestiziden und Mineraldüngern“, erklärt Nicolay.

Die Forschungen des FiBL und seiner afrikanischen Partnerorganisationen zeigen auch, was hilft: etwa eine langfristig angelegte Betreuung, bei der Bauern und Bäuerinnen in Gruppen geschult werden und die Techniken auf ihren Betrieben ausprobieren und in ihren Produktionsalltag einbauen können. Mindestens ebenso wichtig: ein guter Preis. Denn der bessere Erlös ist das wichtigste Motiv, auf zertifiziertes Bio umzustellen und die damit verbundene Mehrarbeit – etwa beim Unkraut jäten – auf sich zu nehmen.

Auch das Engagement der Firmen und ihrer Partner vor Ort für die Bäuerinnen und Bauern kostet Geld und schlägt sich schließlich auf den Preis im Laden nieder. Entscheidend für den Erfolg ist also auch, ob Kundinnen und Kunden bereit sind, den höheren Preis zu zahlen.

Bessere Lebensbedingungen

Oft geht das Engagement der Bio-Firmen über den Anbau hinaus und verbessert die Lebensbedingungen der Gemeinschaften vor Ort. Sonnentors Partner Cleopa Ayo etwa baut Brunnen in den Dörfern, andere Unternehmen investieren in Straßen oder wie Original Food in Schulen.

Wie funktioniert Agrarökologie?

Ein solches Engagement ist auch ganz im Sinne der Agrarökologie. Dieser Entwicklungsansatz ist gerade in Afrika von großer Bedeutung. Er will Kleinbäuerinnen und Kleinbauern stärken und sie aus Armut und Hunger führen. Die ökologische Landwirtschaft ist dabei ein wichtiger Baustein. Doch es geht bei der Agrarökologie um viel mehr: Ihre Verfechter wollen lokale und regionale Märkte ausbauen, den Landbesitz der Bäuerinnen und Bauern sichern, sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen und ganz generell ein sozial gerechtes und ökologisches Agrar- und Ernährungssystem verwirklichen.

Warum internationale Agrarkonzerne nach Afrika drängen

Dabei geht es gerade in Afrika derzeit um sehr viel. Denn die großen multinationalen Agrarkonzerne wollen sich diesen noch weitgehend unerschlossenen Markt sichern, um Saatgut – oft gentechnisch verändertes –, Kunstdünger und Pestizide zu verkaufen.

Bio effektiv kontrollieren

  • Für die Bio-Zertifizierung in Ländern des Südens schließen sich Kleinbäuerinnen und Kleinbauern zu festen Gruppen zusammen und bauen ein internes Kontrollsystem (ICS) auf. Dieses ICS erfasst alle Mitglieder und dokumentiert alle angelieferten und verkauften Mengen. Es stellt sicher, dass die Mitglieder die Anbauregeln einhalten und einmal im Jahr von einem internen Kontrolleur besucht werden.
  • Bei der Bio-Zertifizierung überprüft die Öko-Kontrollstelle, ob das ICS ordentlich arbeitet und alles nachvollziehbar dokumentiert ist. Zusätzlich überprüfen die Zertifizierer noch fünf Prozent der Landwirte. Nach diesem System werden in 58 Ländern des Südens rund 5900 Gruppen mit 2,6 Millionen Bio-Kleinbauern kontrolliert, hat das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) ermittelt.

Wer steht hinter der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika?

Ein Instrument dafür ist AGRA, die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika. Gegründet haben sie 2006 die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und die Rockefeller-Stiftung. Finanziell unterstützt wird sie von mehreren Staaten, darunter auch Deutschland. Ziel der AGRA war es, mit Hilfe von Hybridsaaten, Kunstdünger und Pestiziden das Einkommen von 30 Millionen bäuerlichen Haushalten zu verdoppeln. Zahlreiche afrikanische Staaten unterstützen das Programm, indem sie diese Inputs subventionieren. Geld, das ökologischen Projekten fehlt.

„Unsere Zusammenarbeit mit AGRA steht aktuell auf dem Prüfstand.“

Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Eine Studie der Tufts Universität in Boston fand 2020 keine Hinweise, dass in den 13 Schwerpunktländern von AGRA die landwirtschaftliche Produktivität oder die Einkommen gestiegen wären. Auch die Ernährungssicherheit hatte sich nicht verbessert. „Angesichts der Ergebnisse der Studie muss die Bundesregierung konsequent umsteuern und jede politische und finanzielle Unterstützung für AGRA unterlassen“, kommentierte Lena Bassermann, Agrarexpertin der Entwicklungsorganisation Inkota, die Studie.

„Unsere Zusammenarbeit mit AGRA steht aktuell auf dem Prüfstand“, erklärte dazu ein Sprecher des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Derzeit würden die mit deutschen Beiträgen geförderten AGRA-Projekte in Ghana und Burkina Faso evaluiert und danach entschieden. Das BMZ fördert auch Bio in Afrika. Bis 2024 investiert es über die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) 23 Millionen Euro, damit deutsche und afrikanische Organisationen fünf Kompetenzzentren für Bio-Landbau aufbauen. Die GIZ unterstützt auch Bio-Firmen dabei, sich stärker in Afrika zu engagieren.

Fördert Export den Hunger vor Ort?

Bei allen Vorteilen von Bio für Afrika stellt sich aber auch die Frage, ob auf den Flächen, auf denen Kaffee, Kakao, Gewürze und andere Exportprodukte wachsen, nicht besser Lebensmittel für die Menschen vor Ort angebaut werden sollten. Eine Studie der Hilfsorganisation Misereor hat gezeigt, dass dies für großflächige Agrarunternehmen, die in den letzten 15 Jahren in Afrika entstanden, durchaus zutrifft. Die Unternehmen bauten auf Land, das oft Kleinbauern weggenommen wurde, zumeist Exportgüter an. Die regionale Lebensmittelversorgung ging zurück. Die Studie ergab auch, dass Kleinbäuerinnen und Kleinbauern pro Hektar mehr Lebensmittel erzeugten als die Großbetriebe.

Welche Rolle spielen Cash Crops?

Aus Sicht von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen stellt sich die Frage anders: Sie bauen ihre Lebensmittel selbst an und verkaufen Überschüsse auf dem heimischen Markt. Daneben müssen sie reine Marktfrüchte erzeugen – auf englisch Cash Crops – um Geld fürs Überleben zu verdienen. „Was ein Bauer anbaut, hängt von dem Preis ab, den er erzielen kann“, erklärt Gian Nicolay vom FiBL. Deshalb haben die meisten von ihnen Kaffee, Kakao oder Gewürze angebaut, lange bevor sie sich bio-zertifizieren ließen – in der Hoffnung auf einen besseren Verdienst. Der hilft nicht nur den Bäuerinnen und Bauern selbst: „Ertragssteigerungen erhöhen die Einkommen kleinbäuerlicher Haushalte, die sie dann für Kleidung, Möbel, Haushaltsgeräte und Hausbau ausgeben, was außerlandwirtschaftliche Beschäftigung schafft“, erläutert die Agrarwissenschaftlerin Regina Birner von der Universität Hohenheim. Mussa Bakari, der Kleinbauer aus Tansania, ist das beste Beispiel dafür. In dem Video erzählt er auch, dass er mit den Einnahmen begonnen hat, ein Haus zu bauen.

Mehr zum Thema

Weltagrarbericht: Fakten zum Zustand unseres Ernährungssystems

Die Afrika-Seite des Instituts Südwind

Das Forum für internationale Agrarpolitik

Entwicklungspolitische Organisationen: Bündnis Entwicklung Hilft, Fian, Forum Umwelt und Entwicklung, Inkota, Oxfam

Buchtipp:
Siegfried Grillmeyer; Michael Kleiner (Hrsg): Gebt ihr ihnen zu essen! Bedeutung und Potenzial kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Verlag Echter, 2019, 168 Seiten, 5,00 €

Interview: „Wir bringen Unternehmen und Bauern zusammen“

Claude Blaschette arbeitet als Business-Scoutin für die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) speziell für Bio-Unternehmen und hat ihr Büro beim Bio-Dachverband BÖLW.

Wie können Sie als Business-Scoutin Unternehmen helfen?

Wir vermitteln Kontakte, führen potenzielle Partner auf Messen oder eigenen Findungsfahrten vor Ort zusammen. So entstanden zum Beispiel schon Zusammenarbeiten bei Kaffee und Tee in Ruanda. Neben dem Kontakt zu Kleinbauerngruppen vermitteln wir auch Kontakte zu Unternehmen, die sich um die Logistik und Aufbereitung vor Ort kümmern sowie um die Zertifizierung und Beratung.

Was ist bei der Beratung wichtig?

Es reicht nicht, wenn ein Berater aus Europa kommt, etwas vormacht und wieder heimfliegt. Die Kleinbauern müssen langfristig begleitet werden. Dafür bieten wir Kontakte zu lokalen Organisationen, die beraten können, oder helfen mit Beratungskapazitäten aufzubauen. Wir unterstützen auch Unternehmen, die schon in Afrika aktiv sind. Etwa bei der Beantragung von Fördermitteln, wenn sie vor Ort mit ihren Partnern in Verarbeitung, Anbauberatung oder Produktqualität investieren wollen.

Wie groß ist das Interesse von Bio-Verarbeitern an Kooperationen in Afrika?

Es ist eher gering, verglichen mit Anfragen zu Lateinamerika oder Südostasien, für die ich auch zuständig bin. Afrika ist ein Kontinent, in den viele deutsche Unternehmen wenig oder keine Kontakte haben. Firmen aus Frankreich oder den Niederlanden sind da risikobereiter.

Ist die Zurückhaltung berechtigt?

Die Logistik zu organisieren, ist oft herausfordernder und aufwendiger als etwa in Lateinamerika. Der Schiffsverkehr etwa ist weniger zuverlässig, die Infrastruktur nicht so ausgebaut. Ein großer Vorteil ist, dass Kleinbauern in Afrika nicht so inputorientiert sind wie etwa in Südostasien, weil sie sich Kunstdünger und Pestizide kaum leisten können oder wollen. Sie sind deshalb offener für Bio.

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