Die Nudeln – in einer Plastiktüte. Der Tofu – eingeschweißt in Plastik. Das Müsli – doppelt verpackt, Plastiktüte und Karton. Peinlich, da definiert man sich als umweltbewusster Mensch und bringt einen Korb voll in Plastik verpackter Bio-Produkte nach Hause. Warum eigentlich?
Weil Verpackung praktisch ist, klar. Sie schützt das Produkt, hält es frisch und macht es transportabel. Niemand trägt Nudeln oder Cornflakes offen in der Hand nach Hause. Dafür braucht es ein Behältnis. Aber muss es aus Kunststoff sein? Eigentlich nicht. Es gibt Papiertüten, Blechdosen, Gläser. Das Zeitalter der Plastiktüten und -folien begann erst vor 50 Jahren. Ihr Erfolg hat mehrere Gründe: Der Rohstoff Erdöl war jahrzehntelang billig. Vor allem aber ist Plastik praktisch. Es ist leicht, lässt sich zu Folien beliebiger Dicke ebenso verarbeiten wie zu Bechern und Flaschen. Es kann transparent oder undurchsichtig sein, luftdicht oder atmungsaktiv.
Plastik – ein Kompromiss
Im Bio-Laden war Plastik als Symbol einer Ex-und-Hopp-Kultur lange verpönt. Immer noch ist der Anteil an Glas- und Kartonverpackungen sichtbar höher als in einem konventionellen Supermarkt. Joghurt- und andere Becher sind oft aus beschichtetem Karton statt aus reinem Polystyrol.
Doch haben über die Jahre auch Kunststoffverpackungen zugenommen. Nicht weil es sich die Unternehmen leicht machen und mit der Plastik-Mode gehen. Aus der Sicht eines Herstellers ist die Wahl der Verpackung immer ein Kompromiss. Er muss die technischen Anforderungen für den Schutz seiner Produkte ebenso berücksichtigen wie die Wünsche der Kunden. Er wägt auch die ökologischen Vor- und Nachteile der jeweiligen Verpackungsstoffe ab. Glas ist schwer, zerbrechlich und das Einschmelzen alter Scherben braucht viel Energie. In Kartons und Tüten aus Recyclingpapier tummeln sich Mineralölreste. Für frische Papierfasern fallen ganze Wälder.
Firmen versuchen Plastik zu sparen
Auch Plastik hat negative Seiten. Oft genannt werden Weichmacher, obwohl sie kaum noch eingesetzt werden. Notwendig waren sie nur für den Kunststoff PVC, der als Folie für Lebensmittel längst ausgemustert ist und sich nur noch in Deckeldichtungen etwa von Schraubgläsern findet. Verpackungskunststoffe wie PE (Polyethylen) und PET (Polyethylenterephtalat) brauchen keine Weichmacher. Sie können allerdings Additive, Produktionsreste und andere Bestandteile enthalten, die aus der Verpackung in das Produkt übergehen können. Dieses Problem haben aber auch andere Materialien – außer Glas. Viel schwerer wiegt bei Plastik: Es besteht aus Erdöl, einem fossilen Rohstoff, und es zersetzt sich nicht.
Deshalb überlegen viele Bio-Hersteller, wie sie fossile Kunststoffe ersetzen oder zumindest reduzieren können. Recyclingkunststoff wäre eine Möglichkeit, zumindest den Bedarf an Erdöl zu verringern. Technisch lässt sich das mit PET-Flaschen und Folien machen. Dabei liegt das Recycling-PET wie bei einem Sandwich zwischen zwei Lagen aus neuem PET. Dadurch kommt es nicht in Kontakt mit dem Lebensmittel. Ansonsten wäre ein aufwändiges EU-Zulassungsverfahren notwendig.
Eine andere Möglichkeit, Kunststoff zu sparen hat die Lobetaler Bio-Molkerei entwickelt. Sie benutzt einen Joghurtbecher, bei dem die Hälfte des Kunststoffs durch Kreide als Füllstoff ersetzt wurde.
Ganz auf eine andere Verpackung umstellen, geht nicht so einfach. Dafür müssen teure neue Maschinen angeschafft und die ganze Logistik geändert werden. Die Molkerei Berchtesgadener Land hat sich das vorgenommen und will in einigen Jahren Joghurt im Mehrwegglas anbieten.
Eine Alternative zu Erdöl-Plastik sind Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, die womöglich auch noch biologisch abbaubar sind. Bio-Plastik. Doch auch das hat seine Tücken.
Bio-Plastik hat Tücken
Das bekannteste Bio-Plastik ist über 100 Jahre alt: Cellophan. Die durchsichtige, etwas starre, knisternde Folie besteht aus Cellulosefasern. Sie werden aus Holz gewonnen. Ein nachwachsender Rohstoff also und biologisch abbaubar. „Die Herstellung ist längst ausgereift, die nachhaltige Holzgewinnung kann belegt werden, etwa mit FSC-Zertifikaten“, sagt Renate Dylla. Sie koordiniert für die Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller ein Projekt. Es unterstützt Unternehmen, die Bio-Kunststoffe als Verpackungen einsetzen wollen. Viele nutzen Cellulosefolien bereits, etwa für Tee.
Der Kunde merkt den Unterschied zu einer Polyethylen-Verpackung kaum. Der Hersteller schon: „Technisch gibt es hin und wieder Probleme; weil Cellulosefolie nicht so reißfest ist. Auch müssen die Abpack-Maschinen nachgeregelt werden, weil sich Folien je nach Feuchtegrad und Temperatur verändern“, erklärt Dylla. Ein neuer biologisch abbaubarer Kunststoff ist PLA (Polymilchsäure). Er wird nicht aus Milch hergestellt, sondern aus Maisstärke oder Zuckerrohr. Der Nachteil: Der größte PLA-Hersteller sitzt in den USA und verarbeitet auch Gentech-Mais. PLA aus nachweislich gentech-freiem Mais wäre sieben Mal teurer. „Es gibt deshalb kaum Bio-Hersteller, die PLA einsetzen“, so Dylla. Die meisten abbaubaren Bio-Plastik-Tüten im Bio-Fachhandel sind nicht aus PLA. Sie bestehen aus chemisch veränderter Maisstärke von gentech-freiem europäischen Mais.
Das Umweltbundesamt (UBA) ließ 2012 die Umweltwirkungen von Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen untersuchen. Sie schnitten nicht besser ab als Verpackungen aus Erdöl-Plastik. „Der CO2-Ausstoß fällt zwar geringer aus, ebenso der Verbrauch von Erdöl. In anderen Umweltbereichen kommt es aber zu größeren Belastungen – vor allem durch Düngemittel“, steht in der Studie. Ein weiterer Nachteil ist, dass zahlreiche Kompostanlagen biologisch abbaubare Kunststoffe aussortieren. Sie zersetzen sich zu langsam und sind im fertigen Kompost noch als kleine Fitzelchen sichtbar. Für eigene Recyclingsysteme sind die Mengen zu klein. So bleibt nur die Verbrennung.
Kunststoff aus Ethanol
Es ist auch möglich, PE oder PET aus pflanzlichen Rohstoffen herzustellen. Diese Bio-Kunststoffe sind allerdings ebenso wenig abbaubar wie die aus Erdöl, lassen sich dafür aber problemlos wie diese verarbeiten und recyceln. Deshalb sieht ihre Umweltbilanz etwas besser aus. Vorreiter ist der brasilianische Chemiekonzern Braskem. Er gewinnt Ethanol aus Zuckerrohr und stellt daraus sein „grünes Polyethylen“ her.
Die Öko-Waschmittelfirmen Sodasan und Ecover verwenden Green-PE-Flaschen. Werde die Herstellung von Bio-PE und -PET optimiert, „könnten solche Kunststoffe Vorteile gegenüber herkömmlichen Kunststoffen aufweisen“, schreibt das Umweltbundesamt.
„Bio-Kunststoffe sollten ökologisch, sozial und fair sein, dann sind sie vorteilhaft“, mahnt Dylla. Beim Zuckerrohr für Green-PE interessiert sie, ob für die Plantagen Regenwälder abgeholzt wurden und welchen Lohn die Arbeiter erhalten. Sodasan bedauert, dass das Zuckerrohr nicht aus Bio-Anbau stammt: „Selbstverständlich ist dies für uns ein wichtiges Thema für die Zukunft.“ Ecover entgegnet, das Zuckerrohr wachse an der Küste und nicht im Regenwald. Der Anbau sei bis ins Detail geprüft und vorbildlich.
Wenn all das Bio-Plastik künftig auf Äckern wachsen soll, konkurriert es, wie schon Bio-Diesel, mit dem Anbau von Nahrung. Deshalb hilft nur das Vermeiden. Das fängt bei den Hemdchentüten an, in die wir Obst und Gemüse einfüllen. Papiertüten, die viele Bio-Läden anbieten, sind eine Alternative. Aber nur, wenn sie mehr als einmal benutzt werden. Und der Einkauf gehört in den Korb oder die Mehrwegtasche. Die helfen am wirkungsvollsten gegen Plastikmüll.
Mit der Box in den Laden
Früher war es normal, Lebensmittel in Gefäße abfüllen zu lassen. „Das ist jetzt verboten“, hieß es dann. Stimmt aber nicht. Es ist viel komplizierter.
„Es gibt keine Rechtsvorschrift, die es untersagt, mit der eigenen Verpackung einkaufen zu gehen. Es ist also nicht verboten“, erklärt Andreas Tief, Pressesprecher des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Die Lebensmittelhygieneverordnung schreibt lediglich vor, dass die Lebensmittel „der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt“ sein dürfen. Das muss der Händler sicherstellen und die Lebensmittelüberwachung kontrolliert ihn dabei. Weil es zu mitgebrachten Gefäßen keine Regelungen gibt, handeln die örtlich zuständigen Beamten der Lebensmittelüberwachung selbstständig – und unterschiedlich. Entsprechend verunsichert sind oft die Händler.
Die übergeordnete EU-Hygieneverordnung sieht vor, dass die Lebensmittelwirtschaft in Absprache mit den staatlichen Behörden Hygiene-Leitlinien erarbeiten kann. In Deutschland gibt es nur eine Leitlinie, die auch mitgebrachte Gefäße abhandelt. Sie stammt vom Fleischer-Verband. Darin heißt es: „Das Mitbringen von gespülten, optisch reinen Gefäßen und Behältnissen ist aus lebensmittelhygienischer Sicht vertretbar.“ Sie sollen „auf dem Thekenaufsatz verbleiben oder auf eine Papierunterlage gestellt werden.“ Sogar an der hygienisch besonders sensiblen Fleischtheke dürfte also mit eigenen Gefäßen eingekauft werden.
Früher war es auch üblich, offen angebotene Eier in mitgebrachte Eierkartons abzupacken. Auch hier sprachen lokale Behörden oft Verbote aus. Deshalb bieten manche Bio-Märkte als Alternative die Mei-Box an, eine spülmaschinenfeste Mehrweg-Box für den Eiereinkauf. Allerdings ist die Box aus Plastik.
200 Sorten Käse vertreiben die Ökologischen Molkereien Allgäu. Einige davon sind seit einem Jahr in Bio-Kunststoff verpackt. „Wir hoffen, dass wir damit auch bei anderen Unternehmen etwas anstoßen“, sagt Marketingleiter Philipp Thiel.
„Wir verpacken unsere Produkte nicht in Gentechnik.“
Als der Käsegroßhändler ÖMA sich entschloss, Scheibenkäse für die Selbstbedienung anzubieten, suchte er mit Hilfe einer Diplomandin eine möglichst nachhaltige Lösung. „Die Verpackung muss so viel Feuchtigkeit durchlassen, dass der Käse nicht austrocknet, sich aber auch keine Staunässe bildet oder Schimmel“, beschreibt Marketingleiter Philipp Thiel die technischen Anforderungen. Die Wahl fiel auf den australischen Hersteller Plantic, dessen Folie zu 80 Prozent aus gentechnikfreier Maisstärke besteht. Der Rest sind erdölbasierte Kunststoffe. Abbaubar ist sie dadurch nicht. „Sie verbraucht 50 Prozent weniger Energie und es entstehen deutlich weniger schädliche Treibhausgase“, erklärt Philipp Thiel die Vorteile.
Als nächstes will ÖMA die Verpackung der 200-Gramm-Käseblöcke umstellen. „Dabei haben wir noch Schwierigkeiten mit den Abpack-Maschinen und dem Bedrucken der Folie.“ Beim Käsepapier für die Bedientheke stellt der Käsegroßhändler den Läden einen Verbund aus Papier und Kunststoff zur Verfügung. Dessen Vorteil: Die beiden Lagen lassen sich einfach trennen und dadurch zumindest sortenrein recyceln.
Der österreichische Kräuterspezialist liefert rund 700 Produkte in die Bio-Läden. „Wir konnten bereits rund 80 Prozent unserer Verpackungsmaterialien auf nachwachsende Rohstoffe umstellen“, berichtet Qualitätsmanager Günter Prinz.
„Wichtig ist, dass sich die Verpackung später abbaut.“
„Das Holz für unsere Cellulosefolien stammt aus zertifizierter nachhaltiger Forstwirtschaft“, sagt Günter Prinz und lobt die guten Barriere-Eigenschaften der Folie. Weniger glücklich ist er mit anderen Verhaltensweisen. „Sie ist brüchiger als Polyethylen und reißt beim Falten und Knicken an den Ecken leicht ein. Wir haben zwei Jahre daran gearbeitet, unsere Teebeutelschachteln darin einzuwickeln.“
Noch schwieriger ist es, die üblichen Teebeutel in Cellulose zu verpacken. Deshalb verwendet Sonnentor als Aromaschutzhüllen noch ein Verbundmaterial, das 80 Prozent Papier und 20 Prozent Erdöl-Kunststoff enthält. „Diesen wollen wir innerhalb der nächsten zwei Jahre ebenfalls durch Cellulosefolie ersetzen.“ Einfach den Aromaschutz weglassen geht nicht. „Sonst würden die leicht flüchtigen ätherischen Öle der Tees mit der Zeit entweichen.“ Die Teebeutel selbst bestehen aus den Fasern der Textilbanane, weil sie das heiße Wasser besser verträgt als eine Papierfaser. „Die Staude wächst nicht in Plantagen, sondern im Wald. Die Blätter werden von Kleinbauern nachhaltig abgeerntet“, erklärt Günter Prinz.
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