Interview

Annette Krop-Benesch: „Wir brauchen den Wechsel zwischen Hell und Dunkel“

Lichtverschmutzung ist immer noch ein viel zu wenig beachtetes Problem. Wir haben mit der Chronobiologin und Buchautorin Annette Krop-Benesch über die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gesprochen.

Warum kann nächtliches Licht uns eigentlich aus dem Takt bringen?

Licht ist für unseren Körper nicht gleich Licht. Unsere innere Uhr reagiert vor allem auf den Blauanteil in hellem Licht, das in fast allen modernen LED-Leuchten sowie Displays von Handys und Monitoren von PCs und Fernsehern im Einsatz ist. Auch in der Straßenbeleuchtung wächst die Menge an blauhaltigem Licht mit der Umstellung auf energieeffiziente LEDs. Das Problematische dabei ist, es gaukelt uns vor, es sei Tag. Normalerweise produziert unser Gehirn das Hormon Melatonin sobald es dunkel ist. Es bringt unseren Körper zur Ruhe, wir können schlafen und unser Körper kann sich regenerieren. Morgens sinkt der Melatoninspiegel dann wieder und wir werden sanft in die Aktivitätsphase zurückgeholt. Wenn wir aber unseren Tag künstlich verlängern, verlagert sich auch dieser Tag-Nacht-Rhythmus, der durch das Licht gesteuert wird.

Welche Auswirkung hat das?

Viele werden dann durch ihren Wecker mitten aus der Tiefschlafphase geholt und zwingen sich zur Aktivität. So fehlen uns jede Nacht ein paar Stunden Schlaf, für mindestens ein Drittel der Deutschen ein alltägliches Problem. Durch das künstliche Licht befinden wir uns ständig in einer Art Jetlag. Das ist eine enorme Belastung für die Psyche, das Herz-Kreislauf- und das Verdauungssystem ist. Bei Schichtarbeit geschieht dasselbe: Die innere Uhr und die Melatonin-Ausschüttung geraten aus dem Rhythmus.

Was kann man denn konkret tun, um im passenden Takt zu bleiben?

Für den Einzelnen ist ein guter Tipp, abends nicht direkt vom Fernseher oder Computer ins Bett gehen, sondern erst bei warmem Licht ein bisschen runterfahren, das kurbelt die Melatoninproduktion sanft an. Wir brauchen den Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit. Sonst kommen wir nicht zu hohen Melatonin-Werten und können nicht so entspannt schlafen. Wer dennoch abends nicht auf Elektronik verzichten will oder kann, der sollte einen Blaufilter verwenden, wie in den meisten Smartphones und Computern bereits vorhanden. Hilfreich ist auch, die Helligkeit zu reduzieren. Das Schlafzimmer selbst sollte möglichst dunkel sein. Die Gemeinden sollten darauf achten, dass Wohnräume gegen helles Licht von außen geschützt werden.

Wenn man nun aber einfach nicht früher schlafen kann? Gibt es dann einen Ausweg?

Prinzipiell denken viele Chronobiologen, dass die Gesellschaft ihre zeitlichen Abläufe überdenken muss. Es gibt Frühaufsteher und Spätaufsteher, das ist genetisch festgelegt und lässt sich nicht verschieben. Auf der einen Seite wollen wir eine 24-Stunden-Gesellschaft, auf der anderen Seite sind wir nicht bereit, die Folgen zu tragen. Wir sollten akzeptieren, dass manche frühmorgens hellwach sind – andere dagegen noch nach Mitternacht aktiv sind und dafür später anfangen zu arbeiten und trotzdem genauso leistungsfähig sind. In vielen Bereichen ist es gar nicht notwendig, um acht Uhr morgens mit der Arbeit zu beginnen. Wir müssen viel flexibler werden.

Gibt es denn konkrete Beispiele von Städten und Gemeinden, die nachhaltige Lichtkonzepte bereits umsetzen?

Unsere Gesellschaft hält noch sehr an dem Ideal des Frühaufstehers fest. Dabei hat sich während des Lockdowns gezeigt, dass viele Menschen später aufstanden und sich dabei gesünder fühlten. Wichtig wäre auch ein späterer Schulanfang, denn gerade Teenager sind vom Biorhythmus her eher Spättypen, ihr Gehirn ist am frühen Morgen einfach nicht leistungsfähig. Problematisch ist zudem die allgemein steigende Außenbeleuchtung, die es vielen Menschen erschwert, abends bei gesundem Licht zur Ruhe zu kommen und die sogar in die Schlafzimmer eindringt. Die Straßenbeleuchtung wird im Allgemeinen anhand einer Industrienorm geplant, die nur Mindestwerte empfiehlt. Oft wird dann recht hell beleuchtet. Hinweise für eine nacht- und umweltfreundliche Beleuchtung finden sich im Leitfaden für Außenbeleuchtung des Bundesamts für Naturschutz. Wie so etwas dann aussieht, kann man im Sternenpark Rhön und der Stadt Fulda erleben, wo die Gesundheit der Bewohnern durch eine maßvoll beleuchtete Nacht unterstützt wird.

Zur Person

Annette Krop-Benesch ist Chronobiologin und Autorin des Buchs Licht aus!? Lichtverschmutzung – Die unterschätzte Gefahr“. Viele Jahre lang hat sie untersucht, wie sich Licht und andere Einflüsse auf die Aktivitätsmuster von Tieren auswirken. Seit 2012 setzt sich die Wissenschaftlerin für den Schutz der Nacht ein und arbeitet seit 2016 als freie Autorin, Dozentin und Beraterin. Ihre Lieblingsthemen sind die Nacht, nachtaktive Tiere, die innere Uhr und die Sterne.

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