Umwelt

Alternativen zu Agrosprit

Benzin und Diesel wird Getreide beigemischt – fürs Klima. Ist das noch zeitgemäß? An diesen Alternativen wird geforscht.

In zahlreichen Projekten versuchen Wissenschaftler und Produzenten gerade, Treibstoffe aus organischen Reststoffen wie Gülle, Klärschlamm oder Stroh herzustellen. Andere wollen aus erneuerbarem Strom synthetische Kraftstoffe produzieren. Dieser Forschungsdrang hat einen konkreten Grund: Der Bundestag hat die Kraftstoffanbieter dazu verpflichtet, den CO2-Ausstoß ihrer Produkte bis 2030 stufenweise um 25 Prozent zu verringern. Denn um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten, müssen die Emissionen im Verkehr drastisch sinken.

Bis zum Jahr 2030 möglichst viele Elektroautos auf die Straße zu bringen, ist ein Teil der Lösung. Doch das wird nicht reichen. Auch der Sprit für Verbrennungsmotoren muss klimaverträglicher werden. Und der Gesetzgeber will nicht, dass dafür noch mehr Essen im Tank landet. Der Anteil von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermitteln soll auf dem derzeitigen Stand eingefroren und ab 2023 schrittweise verringert werden. Der drohende Ernteausfall durch den Krieg in der Ukraine hat die Dringlichkeit dieser Maßnahmen noch einmal verschärft.

Das steckt im Sprit

Zurzeit stammt ein kleiner Teil unseres Treibstoffes bereits aus Energiepflanzen. Wer Super E10 tankt, bekommt ein Benzin, dem 10 Prozent Ethanol beigemischt sind. Hergestellt wird dieser zugefügte Alkohol meist aus Getreide oder Zuckerrüben. 2,5 Kilogramm Weizen ergeben einen Liter Ethanol. Wer Diesel tankt, bekommt B7, eine Mischung, die sieben Prozent Biodiesel enthält. Als Rohstoffe dafür dienen Rapsöl, Palmöl und Altfett. In Deutschland wuchsen 2020 auf 782.000 Hektar Raps, Weizen und Zuckerrüben für diese Beimischungen. Hinzu kamen 600.000 Tonnen Palmöl für Biodiesel. Letzteres soll laut EU erst bis 2030 langsam ausgemustert werden.

Das Essen kommt in den Tank, weil es das Klima schützt. Denn das CO2, das bei der Verbrennung freigesetzt wird, haben die Pflanzen vorher der Atmosphäre entzogen. Energetisch zu Buche schlagen dabei allerdings Anbau und Verarbeitung der Pflanzen. 2020 wurden dem deutschen Sprit vier Milliarden Liter Biodiesel und 1,4 Milliarden Liter Ethanol beigemischt. Laut Hauptzollamt konnten so 12,7 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. „Klar ist: Die deutschen Klimaziele für 2030 können nur mit Biokraftstoffen erreicht werden“, sagt Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie.

Abfall statt Essen tanken

Weil die Bundesregierung Sprit aus Weizen oder Palmöl aber reduzieren will, müssen Benzin und Diesel andere nachwachsende Treibstoffe zugefügt werden. Die Universitäten Hohenheim und Aarhus entwickelten im EU-Projekt HyFlexFuel eine Pilotanlage, mit der sich aus verschiedensten organischen Abfällen Biokraftstoff herstellen lässt. Größenordnung: einige Hundert Kilogramm. Das Karlsruher Institut für Technologie hat zusammen mit Partnern eine Bioliq genannte Pilotanlage entwickelt, um organische Reststoffe in Biotreibstoff umzuwandeln. Das Fraunhofer-Institut Umsicht in Sulzbach in der Oberpfalz stellt Kraftstoffe aus Klärschlamm her, 30 Liter pro Stunde. Eine größere Anlage geht demnächst in Betrieb. Der Schweizer Chemiekonzern Clariant hat vor Jahren ein Verfahren entwickelt, um Ethanol aus Stroh herzustellen. Die erste industrielle Anlage ging dieses Jahr in Rumänien in Betrieb.

Doch diese Reststoffe stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung: Stroh wird zum Beispiel als Einstreu für tiergerechte Ställe gebraucht. Um Gülle oder Lebensmittelabfälle konkurrieren Biogasanlagen, mit Klärschlämmen produzieren Kläranlagen Strom.

E-Fuel: Treibstoff aus Ökostrom

E-Fuels werden im künftigen Mix der Energieträger bei der Mobilität eine wichtige Rolle spielen“, sagte Fraunhofer-Experte Christopher Hebling in einer Anhörung des Bundestages. Denn es werde noch auf Jahrzehnte hinaus Verbrennungsmotoren geben. Hebling sieht sonnenreiche Wüstenländer als ideale Standorte für eine kostengünstige E-Fuel-Produktion. Jekaterina Boening von der Umweltorganisation Transport&Environment sieht in E-Fuels für Autos eine „Scheinlösung“. Für einen Anteil von fünf Prozent E-Fuel bräuchte es 60 Terawattstunden an erneuerbarem Strom, zusätzlich zu den 2020 produzierten 246 Terawattstunden, erklärte sie den Abgeordneten. Denn der Herstellungsprozess verschlinge zu viel Energie. Nur für Luft- und Schifffahrt seien E-Fuels eine Option, weil sich diese nicht so leicht elektrifizieren lassen. Bei den Autos habe sich der Markt längst für E-Autos entschieden, sagte Jekaterina Boening. Allerdings sei die Verkehrswende nicht dadurch zu schaffen, „dass wir 48 Millionen Fahrzeuge, die wir heute auf der Straße haben, einfach elektrifizieren“.

Ohne organische Rohstoffe kommen Verfahren aus, die synthetische Kraftstoffe mit erneuerbarem Strom herstellen, sogenannte E-Fuels. Mit dem Strom wird Wasserstoff erzeugt und zusammen mit CO2 zu Kohlenwasserstoffen verbunden, die sich dann zu Treibstoff raffinieren lassen. Das Unternehmen Atmosfair hat zusammen mit Partnern Anfang Oktober in Ostfriesland „die erste Anlage weltweit, die industriell E-Kerosin produziert“, in Betrieb genommen. In Stade bauen Airbus, BP und die TU Hamburg eine Demonstrationsanlage, die Airbus mit 5000 Tonnen klimaneutralem Kerosin im Jahr versorgen soll. Zum Vergleich: Ein Airbus A380 verbraucht für den Flug von Europa nach New York durchschnittlich 115.000 Liter (~ 92 Tonnen) Kerosin. Lufthansa plant Ähnliches mit der Uni Bremen und einer Biodiesel-Raffinerie in Schleswig-Holstein.

Bietet Flüssiggas eine Alternative?

Viele dieser Projekte zielen weniger auf Beimischungen für Benzin und Diesel, sondern auf Kerosin für Flugzeugtriebwerke. Denn ab 2026 müssen mindestens 0,5 Prozent des Flugkraftstoffes aus erneuerbaren Energien bestehen, ab 2030 sind es zwei Prozent. Nicht auf Biosprit, sondern auf Biogas als Treibstoff setzt das Unternehmen Verbio. Die Technik ist ausgereift, zahlreiche Biogasanlagen speisen ihre Produktion in das Erdgasnetz ein. Damit ließen sich auch Autos antreiben, die derzeit Flüssiggas tanken. Vier große Ballen Stroh ergäben genug Kraftstoff, um einen Mittelklasse-Wagen ein Jahr lang zu fahren, sagt Verbio. Doch einen Haken hat die Sache: Nur 0,2 Prozent aller zugelassenen Pkw fahren mit Gas.

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