Umwelt

Die Macht der Konzerne

Immer weniger Konzerne teilen sich die Märkte für Saatgut, Dünger und Lebensmittel. Das hat Folgen für die Bauern, die Umwelt und für uns.

Konzerne, Oligopole, Marktmacht: Das klingt ziemlich abstrakt, kennen wir aber alle: Wenn an jeder Tankstelle gleichzeitig der Sprit acht Cent teurer wird. Wenn sich bestimmte Apps nicht vom Handy löschen lassen. Oder wenn Autokonzerne Motoren manipulieren, erwischt werden und trotzdem keine Filter einbauen müssen. In all diese Fällen teilen sich wenige internationale Konzerne einen Markt auf, nutzen ihre wirtschaftliche Macht aus. Und das alles für ein Ziel: Profit.

Welche Konzerne teilen sich die Märkte?

Das gilt fürs Erdöl, fürs Internet, für Autos – und auch für unser Essen. Vom Saatgut bis zur Tomatenpizza sind es wenige internationale Konzerne, die den Großteil der einzelnen Märkte unter sich aufteilen. Sie bestimmen letztendlich, was wir essen und wie unsere Lebensmittel erzeugt werden. Einige dieser multinationalen Unternehmen sind den meisten bekannt: die Discountriesen Aldi und Lidl etwa oder der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé. Doch wer hat schon einmal etwas von Bunge, Yara oder der EW-Gruppe gehört? Auch sie bestimmen mit, was bei uns als Essen auf den Tisch kommt – ebenso der Chemiekonzern Bayer.

Die Macht der Saatgutfirmen

Am Anfang des Weges – vom Acker auf den Teller – steht Bayer. Seit dem Kauf des US-Unternehmens Monsanto hält der Konzern 23 Prozent des weltweiten Marktes an Saatgut. Das hat die kanadische Umweltorganisation ETC Group in ihrem Bericht Foodbarons anhand der Umsätze von 2020 berechnet. Dicht dahinter folgt der US-Konzern Corteva mit 17 Prozent Marktanteil, mit etwas Abstand dann ChemChina/Syngenta und BASF. Diese vier Unternehmen verkaufen nicht nur die Hälfte allen Saatgutes auf der Welt. Sie teilen sich laut ETC Group auch 62 Prozent der weltweiten Umsätze mit Pestiziden. Die Folgen der Konzentration auf dem Saatgutmarkt zeigen sich am deutlichsten, wo die Konzerne den Markt am stärksten beherrschen, etwa in den USA. Dort hat sich nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums der Preis für Maissaatgut seit der Jahrtausendwende inflationsbereinigt mehr als verdoppelt.

Warum Gentechniksaatgut so attraktiv ist

Besonders attraktiv für die Konzerne ist Gentechniksaatgut, denn das können sie sich durch Patente schützen lassen. Damit ist es anderen Züchtenden verboten, aus diesen Pflanzen neue, bessere Sorten zu züchten – außer sie zahlen Lizenzgebühren. Zunehmend versuchen die Konzerne jedoch, sich auch herkömmliche Züchtungen patentieren zu lassen. So hat sich der deutsche Saatgutkonzern KWS einen Mais mit einer zufälligen genetischen Mutation patentieren lassen, der besser verdaulich sein soll. Alle Maissorten, in denen diese Gen-Variante vorkommt, gehören damit KWS. Der Konzern habe über 100 ähnliche Patentanträge laufen, warnte das Bündnis Keine Patente auf Saatgut! und forderte KWS auf, diese Anträge zurückzuziehen. „Diese Patente können den Zugang zur biologischen Vielfalt blockieren, die von allen Züchter:innen benötigt wird“, sagte Dagmar Urban vom Verein Arche Noah, der alte Sorten erhält. KWS entgegnete, solche Patente seien wichtig für den Fortschritt in der Agrar- und Ernährungswirtschaft.

Konzerne setzen auch auf Bio-Saatgut

Die Saatgutkonzerne machen auch vor Bio nicht halt: KWS züchtet seit 20 Jahren Getreidesorten für Bio-Bauern und ist Naturland-Partner. BASF ist schon jetzt mit der Marke Nunhems im konventionellen Gemüsebau stark vertreten und baut nun ein „europäisches Kompetenzzentrum für Biosaatgut“ auf. Zu Bayer gehören die Gemüsezüchter Semenis und DeRuyter. Sie kündigten für 2022 erstes Bio-Saatgut an: Tomaten, Gurken und Paprika, vorerst für die „wachstumsstarken Bio-Märkte in Kanada, den USA, Mexiko, Spanien und Italien“. Aus Spanien und Italien kommt dieses Gemüse dann auf den deutschen Markt.

Die Folgen der Machtkonzentration

Durch die Machtkonzentration bestimmen wenige Konzerne über die Gemüseauswahl im Laden. Gezüchtet wird mit Arten, die wie Tomaten und Paprika viel Absatz versprechen. Um Pastinake oder Rote Bete kümmern sich die Konzerne nicht so gerne. Auf den Markt kommen auch überwiegend Sorten, die mit Kunstdünger und Pestiziden gute Erträge liefern, aber nicht für den ökologischen Landbau taugen. Die Landwirtschaft wird dadurch zunehmend einheitlicher. „Die ehemalige Sorten- und Geschmacksvielfalt geht mehr und mehr verloren“, schreibt die Initiative Open Source Seeds und stellt ihre Lösung dagegen. Open-Source-Saatgut, das allen zur Züchtung zur Verfügung steht. Zwei Dutzend Sorten gibt es inzwischen, darunter viele Tomaten und etwas Getreide. Märkisches Landbrot und einige andere Bio-Bäckereien haben daraus schon erste Open-Source- Brote gebacken.

Die Macht der Düngemittelindustrie

Einmal ausgesät haben Bio-Pflanzen auf dem Acker einen großen Vorteil. Sie brauchen keinen Kunstdünger und hängen dadurch nicht von Nutrien, Yara, Mosaic oder einem anderen großen Düngerhersteller ab, die ihre Marktmacht auszunutzen scheinen. In den USA haben Ende 2021 mehrere Tausend Bauern das Justizministerium aufgefordert, die drastischen Preissteigerungen bei mineralischen Düngern zu untersuchen. Die Hersteller begründeten diese mit höheren Gaspreisen. Doch die Bäuerinnen und Bauern glauben, dass die Konzerne sich bei ihrer Preisgestaltung auch daran orientieren, was die Landwirte für ihre Erzeugnisse bekommen. Erzielen sie bessere Preise für ihre Ernte, werde der Dünger teurer. Für diese Theorie spricht, dass die marktbeherrschenden Konzerne in den USA 2021 hervorragende Bilanzen vorgelegt haben.

Die Macht der Logistikunternehmen

Das meiste Geld in der Lebensmittelkette setzen die Konzerne um, die Getreide, Zucker, Soja, Kakao und andere Massenerzeugnisse um die Welt schippern und verarbeiten. Spitzenreiter ist mit 130 Milliarden US-Dollar Umsatz in 2020 das US-Unternehmen Cargill, gefolgt vom chinesischen Staatskonzern COFCO und ADM aus den USA. Wilmar aus Singapur liegt auf Platz vier. Bunge, Louis Dreyfus und Viterra sind weitere Namen aus den Top Ten der Händler. Diese Zehn erledigen laut ETC Group 40 Prozent des gesamten Welthandels mit Agrarprodukten.

Die Folgen der Machtkonzentration

Gleichzeitig verarbeiten sie immer mehr Produkte, etwa in eigenen Mühlen, oder kaufen riesige Plantagen in Ländern des Südens auf. „Entlang globaler Wertschöpfungsketten bestimmen die Handelskonzerne, was unter welchen Bedingungen angebaut und wie viel dafür bezahlt wird“, schreibt die Schweizer Organisation PublicEye über diese Konzerne. Die Bauern hätten ihnen gegenüber keine Macht, faire Vertrags- oder Arbeitsbedingungen durchzusetzen. „Diese Asymmetrie hat gravierende Folgen, die von Zwangs- und Kinderarbeit über Gesundheitsgefahren durch Pestizide und die Zerstörung von Lebensgrundlagen durch Abholzung oder Landaneignungen bis hin zu Steuervergehen und Korruption reichen“, heißt es in einem Bericht von PublicEye, der zahlreiche Beispiele auflistet.

Cargill & Co. handeln und verarbeiten auch Bio-Rohstoffe. Interessant sind diese vor allem für Abnehmer, die bereits konventionelle Erzeugnisse von diesen Handelsriesen beziehen. Denn die großen Lebensmittelkonzerne wie Nestlé oder Unilever kaufen sich nicht nur einzelne Bio-Marken wie Wagner-Pizza. Auch ihre eingeführten konventionellen Marken bekommen ein paar Bio-Produkte zur Seite gestellt: Bio-Suppen von Maggi oder Bio-Snacks von Cheerios und Bio-Nesquick zum Frühstück. Doch die Branchenriesen stellen nicht ernsthaft auf Bio um. Stattdessen versprechen sie eine „regenerative Landwirtschaft“, ohne genau zu definieren, was sie damit meinen. Der Begriff werde von einigen Unternehmen so wahllos verwendet, „dass er sich sogar auf den Einsatz von Pestiziden und Gentechpflanzen in Monokulturen beziehen könnte“, schreibt die ETC-Gruppe.

Konzernmacht im Stall


Drei Konzerne züchten weltweit Hochleistungsgeflügel für Mast und Eier: die deutsche EW-Gruppe, die niederländische Hendrix Genetics und (bei Masthühnern) der US-Fleischkonzern Tyson mit seiner Tochter Cobb. Auch die meisten Bio-Bauern greifen auf deren Tiere zurück – obwohl diese für ökologische Haltungsbedingungen nur bedingt geeignet sind. Doch sie produzieren mehr Fleisch und Eier als ökologisch gezüchtete Zweinutzungshühner.

Bei Schweinen versorgt eine Handvoll Züchter den weltweiten Markt mit Hochleistungssauen. Zwei Drittel der von den Sauen geworfenen Mastschweine schlachten und verarbeiten in Deutschland fünf große Konzerne. „Mit einer derartigen Marktmacht sind diese Unternehmen in der Lage, niedrige Erzeugerpreise durchzusetzen“, schreibt die Böllstiftung in ihrem Fleisch-Atlas 2021.

Die Macht des Lebensmittelhandels

Ein ähnliches Ungleichgewicht lässt sich im deutschen Lebensmittelhandel beobachten. Weil die Verbraucher:innen Wert auf Nachhaltigkeit legen, erwecken die Handelsketten gerne den Anschein, als würden sie vor allem Bio verkaufen, auch wenn der Bio-Umsatz bei den meisten weniger als zehn Prozent ausmacht. „Diese Unternehmen machen nicht das, was die Verbraucher:innen wollen, sondern was ihnen Gewinn bringt“, sagt dazu Thomas Dürmeier, der mit dem Verein Goliathwatch gegen Konzerne kämpft.

Natürlich ist es gut, dass die vier großen deutschen Handelskonzerne Aldi, Edeka, Rewe und die Schwarzgruppe mit Lidl und Kaufland auch Bio-Lebensmittel verkaufen. Schließlich beherrschen sie 85 Prozent des Marktes. Doch die Gefahr ist groß, dass sie Bio-Landwirte und -Hersteller ebenso behandeln wie die Produzentinnen und Produzenten in ihren konventionellen Lebensmittelketten. Am grundsätzlichen Geschäftsmodell der Supermärkte habe sich nichts geändert, sagt Tim Zahn, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte bei der Hilfsorganisation Oxfam: „Sie machen weiterhin Profite auf Kosten von Menschenrechten.“ Diese Profite machen sie, weil die meisten Menschen bei ihnen einkaufen. Das müssten sie aber nicht. Denn es gibt Alternativen, zum Beispiel Bio-Märkte. Die sind entstanden, weil Menschen für sich entschieden haben, es anders zu machen. Sie wollten mit ihrem Geld bewusst keine Konzerne füttern, sondern 100 Prozent Bio.

Interview: „Die Politik wollte große Konzerne“

Thomas Dürmeier ist Volkswirt und hat über Konzernmacht promoviert. Er leitet den Verein Goliathwatch, der die Macht von Konzernen sichtbar macht und dagegenhält.

Welche Chancen haben kleine Unternehmen gegen Konzern-Goliaths?
Alleine keine! Wir müssen uns solidarisch und gemeinsam einsetzen für eine andere Monopolpolitik auf Bundes- und EU-Ebene – und für eine schärfere Kontrolle der Konzerne.

Kontrollieren die Kartellbehörden nicht ausreichend?
Ihre Eingriffsrechte wurden jahrzehntelang zurückgeschraubt. Die Politik wollte große Konzerne, die gegen ausländische Konkurrenz bestehen können. Deshalb wurden Megafusionen wie Bayer/Monsanto genehmigt. Dazu kommt, dass die Kartellbehörden zu wenig Personal haben.

Wie können die Konzerne dazu gebracht werden, nachhaltiger zu handeln?
Wir brauchen Lieferketten, in denen ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden. Etwa ein existenzsicherndes Einkommen für Bauern. Das muss mit einem strengen Gesetz inklusive Klagerecht durchgesetzt werden. Sonst wird weiterhin Kinderarbeit im konventionellen Schokoriegel stecken.

Das macht die Konzerne aber nicht kleiner.
Deshalb müssen wir die regionale, konzernfreie Wirtschaft stärken, von den Solawis über Regionalinitiativen bis zum Verband nachhaltiger Unternehmen. Dazu braucht es eine Förderung, die die regionale Wirtschaft unterstützt. Es geht um konkrete Fragen, etwa: Woher kommt das Essen für Kitas und Ganztagsschulen?

Was kann ich als Verbraucher bewirken?
Die Verantwortung auf Verbraucher:innen abzuschieben, ist ein Scheinargument der Konzerne. Dadurch verbringen die Menschen viel Zeit damit herauszufinden, was der sozial-ökologisch beste Softdrink ist – anstatt sich gegen Konzernmacht zu engagieren. Machen Sie es sich einfach! Kaufen Sie im Bio-Laden ein.

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