Umwelt

„1000 Mühlen braucht das Land“

Mit dem Bio-Unternehmen Bohlsener Mühle zeigt Volker Krause, wie nachhaltiges und soziales Wirtschaften eine Region voranbringt. Er will, dass die Bio-Branche mithilft, das Land zu verändern.

Herr Krause, was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit?

Eine nachhaltige Wirtschaftsweise sichert nicht nur das langfristige Überleben des Unternehmens und seines wirtschaftlichen und sozialen Umfeldes. Sie schont und sichert auch die globalen ökologischen Ressourcen und Parameter und fördert eine friedliche und gerechte Gesellschaft. Ökologisch handeln ist der Weg, Nachhaltigkeit ist das Ziel – ein dauerhafter anstrengender Prozess. Ob und wann wir den Zustand der Nachhaltigkeit erreichen, bleibt offen.

Was sind für Sie die wichtigsten Aufgaben bei diesem Prozess?

Eine ist sicher die Energiefrage. Wir wollen als Bohlsener Mühle in absehbarer Zeit ein CO2-neutraler Betrieb werden. Derzeit nutzen wir bereits die Wasserkraft der alten Wassermühle zum Mahlen. Den Strombedarf decken wir durch Öko-Strom von NaturWatt. In diesem Frühjahr haben wir eine Anlage in Betrieb genommen, mit der wir Reinigungsabfälle und Dinkelspelzen, die beim Schälen anfallen, zu Pellets pressen und als regenerativen Brennstoff verwenden können. Im Jahr fallen 1 000 bis 1 500 Tonnen davon an, die wir bisher als Abfall entsorgen mussten. Das entspricht 500 bis 700 Tonnen Heizöl.

Und mit den Pellets wollen Sie jetzt die Backöfen anfeuern?

Wir werden ungefähr ein Drittel der Pellets für unsere Öfen brauchen. Mit dem Rest könnte man das ganze Dorf beheizen. Erste konzeptionelle Überlegungen sind bereits gemacht. Das wäre ein idealer geschlossener Kreislauf. Bis wir so weit sind, liefern wir die Pellets an ein Biomassekraftwerk.

Wie sieht es mit der sozialen Verantwortung aus? Spendet die Bohlsener Mühle fleißig?

Wir unterstützen mehrere Organisationen, etwa das Museumsdorf in Hösseringen, das Projekt Klasse 2000, die Bio-Brotbox-Aktion oder Sportvereine. Doch das Wichtigste für uns ist es, regionale Wirtschaftskreisläufe und Sozialstrukturen zu stärken. Dies ist ein Grundpfeiler nachhaltigen Wirtschaftens.

Aber was ist daran sozial?

Es geht um unser Land, unsere Leute. Um Menschen, die hier arbeiten oder eine Ausbildung machen wollen. Wenn ich das ermögliche, stabilisiere ich soziale Strukturen. Unsere Getreidelieferanten sind 200 Bauernhöfe aus der Region, 200 Familien, die auf ihren Höfen eine Zukunft haben. Bei aller Freundschaft zu globalem und freiem Handel. Entscheidend ist: Untergrabe ich die Stabilität der lokalen oder regionalen Gesellschaft, auf die ich unmittelbar einwirke, oder stärke ich sie?

Die Bohlsener Mühle verkauft Kekse und Cracker auch bundesweit und ins Ausland.

Das ist auch gut so, schließlich müssen wir das Getreide der Bauern auch wirtschaftlich erfolgreich unter die Leute bringen.

Und wenn Sie irgendwann mehr Kekse verkaufen, als Niedersachsen Bio-Getreidebauern hat?

Das wollen wir gar nicht und wird wohl auch nicht passieren können. Bei uns an der Autobahn bei Soltau steht die riesige Backfabrik von Harry-Brot. Von dort aus werden große Handelsketten bundesweit beliefert. Eine Standardproduktion, die für das ganze Land gilt. Überall das Gleiche. Wenn ich in solchen Strukturen ökologische Rohstoffe verarbeite, ändere ich wenig. Wir brauchen neue Strukturen, mit denen eine regionale wirtschaftliche und soziale Entwicklung möglich ist.

Volker Krause …
… übernahm 1979 die elterliche Mühle im Heidedorf Bohlsen, kurz vor der Pleite. Er stellte den Betrieb komplett auf Bio um und warb bei den Landwirten der Umgebung für den Öko-Landbau. 1983 baute er mit dem Bio-Bäcker Helmut Vollmer die Bäckerei auf. Heute mahlt die Mühle rund 7 000 Tonnen Getreide im Jahr.

Ein Teil wird an Bio-Bäcker verkauft, ein Teil selbst verarbeitet – zu rund 200 Sorten Frisch- und Dauergebäck (www.bohlsener-muehle.de). Acht Jahre lang – bis 2009 – war Volker Krause Vorstand des Bundesverbandes Naturkost Naturwaren (BNN) Herstellung und Handel. In dieser Zeit setzte er sich vor allem für den Branchenkodex und das Nachhaltigkeitsmonitoring des BNN ein.

Wie sollen diese Strukturen aussehen?

Von den 2 000 Mühlen, die es vor 50 Jahren in Deutschland gab, vermahlen noch 270 Getreide. Die größten 27 Mühlen haben einen Marktanteil von fast zwei Drittel und gehören wenigen Firmen. Die Großen haben den Markt in den letzten Jahren wie ein Kartell beherrscht, das hat das Kartellamt herausgefunden. So etwas ist nicht nachhaltig. Ich bin ein Anhänger dessen, was der Philosoph Ernst Friedrich Schumacher als Mittlere Technologien bezeichnet hat: Mittelständische Unternehmen mit überschaubarer, aber moderner Technologie, energieeffizient und flexibel, dezentral, aber so groß, dass sie wirtschaftlich arbeiten können. Tausend solcher Mühlen bräuchte das Land. Uns genügt es, eine davon zu sein.

Es gibt in der Bio-Branche Firmen, die nicht so genügsam sind.

Jedes Unternehmen muss für sich bestimmen, wie groß es werden will und wie nachhaltig das dann noch ist. Es gibt im Bio-Fachhandel zahlreiche Erzeuger, Verarbeiter, Händler, die Nachhaltigkeit ähnlich begreifen wie ich. Die auf 100 Prozent Bio setzen, Verbandsware bevorzugen und nicht aus Preisgründen an der Qualität sparen. Wichtig ist, dass Verbraucher mit ihren Kaufentscheidungen solche Firmen unterstützen.

Sie haben sich als Vorstand des Bundesverbandes Naturkost und Naturwaren (BNN) für ein Nachhaltigkeitsmonitoring in der Bio-Branche eingesetzt. Waren Ihnen die Betriebe nicht nachhaltig genug?

Öko-Landbau und Bio-Lebensmittel sind wesentlich nachhaltiger als die konventionelle Ernährungswirtschaft. Aber man darf sich nicht darauf beschränken. Mit Hilfe des Monitorings können die Unternehmen erkennen, wo sie stehen, wie gut sie sind und was noch zu tun ist. Wenn sie erzählen wollen, wie gut sie sind, dann können sie das damit auch belegen.

Jetzt liegt der erste Zwischenbericht vor. Sind Sie zufrieden?

Es sollten sich noch mehr Unternehmen der Branche beteiligen. Aus unserer Erfahrung kann ich das nur empfehlen. Die 122 Indikatoren zu beantworten, macht zwar Arbeit, aber es schärft das Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit im ganzen Betrieb. Da die Indikatoren jedes Jahr erhoben werden, sind sie ein Ansporn für alle Mitarbeiter. Festzustellen, dass man wieder besser geworden ist, das motiviert.

Viele Bio-Unternehmen tun sich schwer, ihre Nachhaltigkeitsleistungen darzustellen. Warum?

Öko-Betriebe haben oft die Scheu, etwas ins Rampenlicht zu stellen, was nicht zu 100 Prozent perfekt ist. Dabei ist es doch toll, wenn man verkünden kann, ich habe 80 Prozent erreicht, aber ich habe noch meine Baustellen.

Was ist die größte Baustelle der Bio-Branche?

Es gibt viele Bio-Marken, die wenig über die Verarbeiter oder Erzeuger der Produkte aussagen. Diese zunehmende Anonymität sehe ich als eine Achillesferse. Deswegen wünsche ich mir Kunden, die fragen: Wo kommt das her? Wie wurde es gemacht? Kann ich mir das anschauen? Bei uns können Sie es!

Auf der BioFach trafen sich Volker Krause und unser Autor Leo Frühschütz (l.), um über Nachhaltigkeit zu reden – vom Material der Barhocker bis zur ökologisch-optimalen Größe eines Unternehmens.

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