Leben

Aloe vera: Wundermittel aus der Wüste

Auf vielen Cremetiegeln und Body- lotions prangt verheißungsvoll der Aufdruck 'mit Aloe vera'. Der Saft der exotischen Pflanze steht bei der Kosmetikindustrie derzeit hoch im Kurs, denn er soll die Haut verjüngen und die Faltenbildung verzögern.

Bei der Naturkosmetik-Branche ist er wegen seiner hautpflegenden Eigenschaften schon lange geschätzt. Und manche Heilpraktiker empfehlen Aloe vera sogar zur inneren Anwendung.

Die Verwendung in Kosmetik und Naturheilkunde ist nicht neu. So berichten davon schon 6000 Jahre alte ägyptische Aufzeichnungen. Für die Sumerer war die Wüstenpflanze, die zur Gattung der Liliengewächse gehört, vor rund 4000 Jahren eine der wichtigsten Heilpflanzen überhaupt. Und zur sagenumwobenen Schönheit der ägyptischen Schönheiten Kleopatra und Nofretete soll sie ebenfalls ihren Beitrag geleistet haben. Christoph Kolumbus reiste mit den Frischpflanzen an Bord, um Verletzungen seiner Männer mit dem Blattgel heilen zu können, und Alexander der Große ließ seine verwundeten Soldaten mit Aloe vera behandeln. Besonders vielseitig setzten die Mayas die Pflanze ein. Von diesem Indianervolk sind zahlreiche Rezepturen überliefert.

Heute wird Aloe vera in großem Stil in Texas, Kalifornien, Mexiko und Florida sowie Australien, Kuba, Haiti und Venezuela gezüchtet. Sie wächst dort überwiegend in Monokulturen und wird gegen Unkraut und Schädlinge regelmäßig mit Pestiziden behandelt. Unter der sengenden Sonne sorgen künstliche Bewässerungsanlagen für die Versorgung der Pflanzen mit dem wichtigen Naß.

Aloe vera aus Bioanbau ist kaum zu haben

Auch die meisten Naturkosmetikfirmen wie Logona, Lavera, Primavera life oder Sante verwenden noch mangels anderer Möglichkeiten Aloe aus konventionellem Anbau, und zwar als sprühgetrocknetes Pulver oder als durch Wasserentzug stark konzentrierte Flüssigkeit. Eine Ausnahme macht die Firma Pharmos, die sich ganz auf Aloe vera spezialisiert hat. Sie bietet von schnittfrischen Blättern über einen Trunk bis hin zu einer Kosmetikserie ein breites Programm. Dabei verwendet man frischen Saft aus kontrolliert biologischem Anbau.

Für die Pharmos-Produkte ziehen in Mexiko 35 Maya-Familien die Wüstenlilie in Mischkultur - das heißt in Symbiose mit Bäumen und anderen Pflanzen. Weder Dünger noch Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel werden eingesetzt. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit in der Region ist überdies eine künstliche Bewässerung nicht nötig.

Doch neben diesem Projekt gibt der Markt offenbar wenig her. Frischer Aloe- vera-Saft, noch dazu aus kbA, sei fast nicht zu haben und wenn, dann "ist er unerschwinglich teuer", so Bettina Bockhorst von Logona. Ein Pulvergel aus konventionellem Anbau verwendet Lavera für seine Rezepturen. "Der Hersteller bestätigt jedoch, daß für den Verarbeitungsprozeß keine chemischen Zusatzstoffe verwendet wurden", berichtet Pressesprecherin Viola Brandt. Bei Primavera life enthält ein Basisöl Aloe-vera-Auszüge. Auch hier kommt der Rohstoff aus konventionellem Anbau. "Aloe ist ein wilder Markt", erzählt Nina Jaksch von Primavera life. "Es gibt immer mehr Anbieter. Leider muß man sehr genau nachfragen bei Angeboten, ob Stabilisatoren oder Konservierungsstoffe zugesetzt worden sind". Bettina Bockhorst von Logona kritisiert den Umgang mit dem Rohstoff: "Der Pflanzensaft ist im konventionellen Bereich eine Modesubstanz geworden, die zum Teil in ganz geringen Mengen zugesetzt wird, nur um sie später auf der Packung ausloben zu können. Die Naturkosmetikbranche setzt Aloe vera dagegen bereits seit rund 20 Jahren in ihren Pflegeprodukten ein". Bettina Bockhorst beobachtet in letzter Zeit einen regelrechten Boom "Zulieferer konventioneller Aloe vera rennen uns mit Angeboten die Tür ein. Doch wir sind hier sehr kritisch und vorsichtig. Der Rohstoff wird grundsätzlich erst mal im Labor auf eventuelle Rückstände und Zusatzstoffe untersucht."

Der frische Saft aus Aloe vera ist leicht verderblich

Gegen die Verwendung von Frischpflanzensaft spricht, so die einhellige Meinung dieser Firmen, die unterschiedliche Qualität. Für die exakt ausgetüftelten Rezepturen müssen alle Rohstoffe von gleichbleibender, am besten genormter Qualität sein. Das ist bei der Verwendung von natürlichen Substanzen ohnehin nicht einfach. Faktoren wie Anbaugebiet, Sonneneinstrahlung, Luft- feuchtigkeit, Niederschlagshäufigkeit oder Erntezeit wirken sich auf den Naturstoff aus. Doch diese individuellen Schwankungen seien bei frischem Saft riskant - sie können die Produkte unvorhersehbar beeinflussen und zu hohen wirtschaftlichen Verlusten führen. Denn selbstverständlich erwarte man auch bei Naturkosmetik eine gleichbleibende Qualität.

Bei Pharmos, wo die Aloe vera zentrale Zutat aller Rezepturen ist, sieht man darin kein Problem. Hier wird ausschließlich frischer Pflanzensaft verarbeitet. Eine schwierige Aufgabe ist aber auch für Pharmos die begrenzte Haltbarkeit der Pflanzen. Die wöchentlich in Mexiko von Hand geernteten Blätter und das frisch ausgeschälte Gel werden unmittelbar nach der Ernte per Flugzeug nach Deutschland verfrachtet. Binnen 48 Stunden wird aus den Blättern das reine Gel von Hand ausgeschält, Blattrinde und - grün abgetrennt und der Saft unter weitgehend sterilen Bedingungen weiterverarbeitet. "Das Risiko der Verkeimung beim Transport ist groß und das hält die meisten Verarbeiter davon ab, das frische Blattgel zu importieren", erklärt Getraud Pamler von der Firma Pharmos.

"Mit Aloe-vera-Produkten" sagt Frau Pamler, "wird viel Unfug getrieben. Steht auf den Flaschen mit Pflanzensaft für die innere Einnahme beispielsweise "kaltgepreßt", dann kann man davon ausgehen, daß die Pflanze zusammen mit dem Blattgrün ausgepreßt wurde. Was die wenigsten wissen: Die Inhaltsstoffe des Blattgrüns wie zum Beispiel das Harz Aloin stehen auf der Drogenliste. Aloin wirkt stark abführend und ist in Deutschland in Lebensmitteln verboten. Es muß also anschließend mit Kohlefiltern scharf herausgefischt werden - daß dabei wertvolle Inhaltsstoffe verloren gehen, liegt auf der Hand". Hingegen wird der Pharmos-Ursaft "für die Regeneration von Innen" ohne maschinelle Bearbeitung gewonnen. Nur der auf natürliche Weise austropfende Pflanzensaft - etwa 10 Prozent eines Blattes - kommt unter sterilen Bedingungen in eine Glasflasche. Er ist so unkonserviert etwa ein halbes Jahr haltbar. (Das Verfallsdatum ist auf der Flasche vermerkt.)

Bei seinen Kosmetikprodukten kommt das Unternehmen allerdings nicht gänzlich ohne Konservierungsmittel aus. Ein Anteil von 0,1 Prozent sorgt dafür, daß die Cremes nicht verkeimen.

Aloe heilt und stärkt die Immunabwehr

Die Wissenschaft beschäftigt sich schon seit längerem mit der Zusammensetzung des Aloe-vera-Pflanzensaftes. Neben Vitaminen, Mineralstoffen, Enzymen und essentiellen Aminosäuren spielt ein Stoff namens Acemannan eine besondere Rolle. Die Substanz wird bis zur Pubertät vom menschlichen Organismus selbst gebildet, muß danach jedoch mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie ist in allen Zellhüllen des menschlichen Organismus zu finden und hat entscheidenden Einfluß auf die Immunabwehr der Körperzellen. Sie soll die Abwehrkräfte fördern, in dem sie Antikörper, Freß- und Killerzellen aktiviert. Eine vergleichbare Substanz findet man übrigens auch in Ginseng.

Die Liste der Anwendungsgebiete für die Gesundheit ist lang. So empfehlen überzeugte Naturheilmediziner den Pflanzensaft zum Beispiel bei Akne, Depressionen, Fußpilz und Grippe genauso wie bei Rheuma, Neurodermitis oder Zellulite. In der alternativen Krebstherapie wird Aloe zur Tumorbekämpfung, begleitend zur Strahlentherapie und allgemeinen Stärkung des Immunsystems empfohlen. Die Pflanze schützt nebenbei die Haut vor Feuchtigkeitsverlusten.

Als Wüstengewächs ist sie bestrebt, so wenig Wasser wie möglich abzugeben. Sie reagiert auf Blattverletzungen augenblicklich mit Reparaturmaßnahmen: Die Wunde heilt sofort zu. Diese Fähigkeit entwickelt sie auch auf der menschlichen Haut.

So haben sich die heilenden Kräfte der Aloe vera bei Brandwunden, Sonnenbrand und offenen Hautverletzungen besonders bewährt. Neben der Förderung der Wundheilung lindert Aloe vera auch die Schmerzen. Bei Brandwunden empfehlen Experten das Bestreichen der Verletzung mit frischem Blattgel. Dabei bildet es rasch einen Schutzfilm auf der Haut.

Gesunde Haut profitiert nach Überzeugung vieler Kosmetologen ebenfalls vom nährstoffreichen Blattsaft. So soll das Aloe-vera-Elixier in Cremes oder Salben tief in die Haut eindringen und diese dort mit Feuchtigkeit anreichern und regenerieren. Der Fältchenbildung und der Hautalterung soll bei regelmäßiger Anwendung auf diese Weise sicht- und spürbar vorgebeugt werden.


Der Alleskönner auf der Fensterbank?
So bekannt wie die Pflanze in den verschiedenen Teilen der Welt, so weit verbreitet ist sie. Sie gehört zur Familie der rund 600 verschiedenen Lilienarten. Ursprünglich heimisch war sie in den warmen, trockenen Gebieten Afrikas. Die anpassungsfähige, immergrüne Wüstenpflanze gelangte über Heilkundige, Händler, Weltentdecker und Eroberer in alle Welt. Am liebsten mag sie heiße Klimazonen mit hoher Luftfeuchtigkeit.

Die tropische Pflanze übersteht auch Minustemperaturen, solange der Boden nicht gefroren ist. Sie wächst in der Wüste ebenso wie im feuchten Dschungel und gedeiht auch in unseren Breitengraden. Während einige Experten die Kultivierung der "Wunderpflanze" für den Hausgebrauch auf der eigenen Fensterbank propagieren, raten andere davon ab: Die Inhaltsstoffe der Pflanze seien vom natürlichen Umfeld, von Klima und Vegetation abhängig.

Artgemäß seien für diese Pflanze nun mal die Tropen oder Wüstengebiete.

Die kleine Verwandte Aloe miloti fühlt sich auf jeden Fall auf deutschen Fensterbänken sehr wohl. Die weitverbreitete, anspruchslose Pflanze gedeiht mit einem Minimum an Pflege. Sie ist der Aloe vera äußerlich sehr ähnlich, hat aber nicht die gleichen gesundheitsfördernden Wirkungen und Kräfte wie ihre große Schwester.

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