Leben

Warum Gartenarbeit glücklich macht

Die Hände in der Erde, den Kopf frei: Gärtnern hilft gegen Stress, stärkt das Selbstwertgefühl – und ist für viele sogar Therapie.

Bernhard H. möchte mit den Händen fühlen, wenn er sät, umtopft oder Unkraut jätet. Jetzt aber hat er sich mit Handschuhen gewappnet, um die Kletterrosen zu stutzen. Sorgfältig schneidet der Mikrobiologe erfrorene, schwache und kranke Triebe ab. Gärtnern ist für den 43-Jährigen Ausgleich zur Laborarbeit. Sobald er sich mit seinen Pflanzen beschäftigt, taucht er in eine andere Welt.
Forscher an der englischen University of Essex fanden heraus, dass schon fünf Minuten körperliche Aktivität im Grünen Stimmung und Selbstwertgefühl deutlich verbessern – beide gelten als Indikatoren für psychische Gesundheit. Besonders gut wirke dieser Stimmungskick durchs Gärtnern bei psychisch angegriffenen Menschen. Außerdem: Eine systematische Übersichtsarbeit, die 2023 im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht wurde, untersuchte 94 Studien weltweit zu „nature-based interventions“ – darunter Gartenarbeit. Ergebnis: Gärtnern kann Depressionen lindern, Stress senken und das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Gärten senken den Blutdruck und normalisieren den Herzschlag, sie reduzieren Stress und entspannen die Muskeln.

Roger S. Ulrich

Gartenarbeit als Therapie

Tatsächlich gibt es längst Untersuchungen, die belegen, dass sich Gartenarbeit therapeutisch einsetzen lässt. Der amerikanische Wissenschaftler Roger S. Ulrich etwa fand heraus, dass Patienten sich deutlich schneller von einer Operation erholten, wenn sie in einem Krankenbett mit Blick ins Grüne lagen. Diese Patienten beklagten sich zudem seltener über Schmerzen als die Kontrollgruppe, die sich mit dem Anblick einer Ziegelmauer begnügen musste. Ulrich, der an der A&M Texas University lehrte, fasste weitere 15 Studien über die Wirkung von Gärten so zusammen: „Gärten senken den Blutdruck und normalisieren den Herzschlag, sie reduzieren Stress und entspannen die Muskeln.“

Auch interessant:

Essen für die Psyche

Wie beeinflusst unsere Ernährung die Psyche – und kann sie uns vielleicht sogar aus dem Winterblues holen? Darüber sprechen wir in dieser Folge von "Weltretter Bio?" mit Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl.

 Ärzte im Stockholmer Karolinska-Krankenhaus verfolgten diese Erkenntnis weiter. Sie befragten und untersuchten 4232 Patienten und belegten, dass regelmäßige Gartenarbeit helfen kann Herzinfarkt vorzubeugen. Blutdruck, Herzschlag und Muskelanspannung sind messbare Parameter. Wie jedoch Gärten auf die Seele wirken, das lässt sich nicht so einfach in Zahlen übersetzen.

2024 gab es in Deutschland mehr als 300 Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die therapeutisches Gärtnern in ihr Konzept integriert haben – Tendenz steigend.

Gartenzeit statt Ausbrennen

Studien zeigen: Therapeutisches Gärtnern wird zunehmend als Burnout-Prävention eingesetzt. Erste Firmen bieten Gartenzeit als Achtsamkeitstraining an – mit erstaunlichem Effekt auf Motivation und Leistungsfähigkeit.

Gärtnern = Sinnvolles Tun

Anna R. recht Laub zusammen. Sie macht die Erde unter Salbei und Rosmarin frei, damit sich’s die Schnecken dort nicht gemütlich machen können. Später wird sie nach der Hacke greifen. Denn unter dem Laub zeigen sich schon erste grüne Spitzen von Giersch. Wenn dem nicht rechtzeitig Grenzen gesetzt werden, breitet er sich im ganzen Senioren-Garten aus. Zwei Meter entfernt steht der Rollator. Anna R. ist über 80. Aber auf die Gartenarbeit würde sie um nichts in der Welt verzichten. Als noch die Kälte den Gang nach Draußen verhinderte, erschien Anna R. apathisch, fast depressiv. Jetzt wirkt sie ruhig und konzentriert. Hier weiß sie: Sie wird gebraucht, macht etwas Sinnvolles und kann anschließend das Ergebnis ihrer Arbeit bewundern. Der Garten ist ihr Lebenselixier. Um das zu glauben, braucht es weder Statistiken noch Zahlen. Das sieht, wer Augen hat.

Therapeutische Gartenarbeit hat schon in einigen deutschen Kliniken, Reha-Einrichtungen und Heimen Einzug gehalten. Senioren bekommen eigene Gärten zugewiesen, mit Hochbeeten manchmal, sodass sie sich nicht bücken müssen. Schlaganfallpatienten lernen beim Zerkrümeln von Erde und im Umgang mit Blumentöpfen ihre Hände wieder einzusetzen – eine sinnvolle Form der Krankengymnastik. Psychisch Kranke säen, zupfen Unkraut, füttern Vögel oder helfen bei der Ernte. Nebenbei, im Gespräch mit dem Therapeuten, entschlüpfen Erkenntnisse über Wurzeln der eigenen Erkrankung. Im Garten scheint das leichter zu fallen als im Behandlungsraum, mögen die Stühle dort noch so bequem sein.

Gärtnern auf Rezept

In Großbritannien wird „Gärtnern auf Rezept“ bereits von Ärzt:innen verschrieben. Auch deutsche Krankenkassen diskutieren die Integration grüner Therapieformen in Präventionsprogramme.

Gartenarbeit mit Kindern – spielerisch lernen

Jule H. ist weder alt noch psychisch krank. Im Garten zu sein, ist für die Siebenjährige Spiel, aus Sicht der Erwachsenen auch spielerisches Lernen. „Guck mal, hier hab ich Salat für meine Puppe geerntet“, sagt sie und hält Bernhard H. eine Handvoll Gänseblümchen unter die Nase. „Die kannst du sogar selber essen“, sagt ihr Vater und macht sich mit der Kleinen auf die Suche nach blauen Blümchen, die das Puppenmenü ergänzen sollen. Gundermann beispielsweise. Neben dem Gartenzaun finden sie das Kraut mit den rundlichen gezackten Blättern. Gundermann ist essbar, aber Jule findet ihn doch zu herb und bringt eine Handvoll davon lieber den Meerschweinchen.

Warum Gärtnern in uns steckt

Laut dem Statista Freizeitmonitor 2023 arbeiten rund 37 % der Deutschen mindestens mehrmals pro Monat im Garten – das sind ca. 31 Millionen Menschen. Besonders im Alter 60+ gehört Gartenarbeit zu den Top-3-Freizeitaktivitäten. Sich draußen im Freien bewegen, den modrigen Duft von Erde atmen, kompostieren, Sonne tanken, ein Kräuterbeet anlegen, Sommerblumen säen – Beschäftigungen dieser Art scheinen ein Urbedürfnis des Menschen zu befriedigen. Man schafft etwas, sieht, was die eigenen Hände bewirken, spürt sich, taucht ein in den geruhsamen Rhythmus der Natur. Neuere Studien der University of Washington (2024), zeigen außerdem, dass regelmäßiger Aufenthalt im Garten das Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.

Bernhard H. gehört übrigens zu der Gruppe, die mehrmals wöchentlich nach ihren Pflanzen schauen. Mit den fünf Minuten, die schon ausreichen sollen, um Stimmung und Selbstwertgefühl zu verbessern, könnte er sich nicht zufrieden geben.

Judith Rakers mit Gemüsebox im Garten

Judith Rakers

Judith Rakers: „Natur macht mich glücklich"

Gemüsebeet statt Tagesschau: Die Moderatorin Judith Rakers über ihr zweites Leben auf dem Land und die Lust auf Erdbeerspinat.

Urban Gardening boomt

Besonders bei jungen Erwachsenen nimmt das Gärtnern auf dem Balkon, im Hochbeet oder in Gemeinschaftsgärten zu. Mehr als 6.000 Urban-Gardening-Projekte beleben heute deutsche Städte – Tendenz steigend.

Mehr über Balkon-Gärten

FAQ – Häufig gestellte Fragen zum Thema Gärtnern und Psyche

Ist Gartenarbeit gut für die Psyche?

Ja, gärtnern kann sich positiv auf die Psyche auswirken. Studien zeigen, dass Gartenarbeit Angst lindern, depressive Symptome mildern und das Selbstwertgefühl stärken kann.

Warum macht Gärtnern glücklich?

Gärtnern verbindet Bewegung, Naturkontakt und sichtbare Erfolge – das reduziert Stress und hebt die Stimmung nachweislich.

Was ist therapeutisches Gärtnern?

Beim therapeutischen Gärtnern handelt es sich um gezielte Gartenarbeit als Teil medizinischer oder psychologischer Therapie, z. B. in Reha- oder Pflegeeinrichtungen.

Kann Gärtnern Burnout vorbeugen?

Regelmäßige Gartenzeit reduziert nachweislich Stresshormone. Firmen setzen Gärtnern inzwischen als Präventionsmaßnahme gegen Burnout ein.

Gibt es Studien über Gärtnern und Gesundheit?

Ja, es gibt Studien zum Thema Gärtnern und Gesundheit. Z. B. eine BMJ-Studie von 2023, die über 90 Projekte weltweit auswertete: Gartenarbeit fördert psychische Gesundheit und reduziert chronische Leiden.

Dieser Artikel wurde von der Redaktion aktualisiert.

Veröffentlicht am - aktualisiert am 08.05.2025

Kommentare

Registrieren oder einloggen, um zu kommentieren.

Das könnte interessant sein

Unsere Empfehlung

Ähnliche Beiträge

vgwort pixel bild