Kolumne

Ups, vergessen!

Kolumnistin Jutta Koch hadert mit der Vergesslichkeit – und findet Trost bei anderen Verwirrten.

Neulich habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen wichtigen Termin vergessen. Und erst eine Woche nach der versäumten Verabredung mit dem Kieferorthopäden fiel mir auf, dass die Zähne meines Sohnes noch immer nicht fachkundig begutachtet worden waren. Seltsam. Eigentlich bin ich in Terminfragen sehr zuverlässig. Kurz darauf stand ich mit Sack und Pack und meinen Kindern vor dem Schwimmbad. Wir hatten den Ausflug routiniert vorbereitet und fast alles dabei. Nur das Portemonnaie mit dem Eintrittsgeld, das war leider zuhause liegen geblieben. Ups, vergessen!

Schlüsselbund im Kühlschrank

Plötzlich häuften sich Dinge, die mir einfach entfielen, und ich begann, mir Sorgen zu machen. Was passierte da in meinem Kopf? Folgte auf die sogenannte „Stilldemenz“ von vor neun Jahren nun eine Post-Covid-Gedächtnisschwäche? Oder waren das schon die Vorboten der Wechseljahre? Hilfe!

Ich tat, was ich immer tue, wenn mir etwas extrem peinlich ist: Ich erzählte umgehend anderen Menschen davon. Einer Freundin schilderte ich schonungslos meine neue Verwirrung. Meine Mitteilsamkeit war auch dieses Mal meine Rettung. Denn die Freundin offenbarte mir im Gegenzug, wie sie jüngst in morgendlicher Hektik fieberhaft nach ihrem Schlüsselbund gesucht hatte. Erst am Abend fand sie ihn: im Kühlschrank, auf einer Packung Käse, die sie am Vortag gekauft hatte. An der Arbeit goss sie sich außerdem – mitten im größten Stress, kurz vor einer höllisch wichtigen Deadline – anstelle der H-Milch gedankenverloren einen großen Schluck Orangensaft aus einem Tetrapack in ihren Kaffee. Der Kommentar eines Kollegen dazu lautete: „Wir haben noch Sekt im Kühlschrank. Möchtest du davon auch noch was dazukippen?“

Immerhin eine Kolumne wert

„Immerhin“, sagte ich zu ihr, als wir mit dem Kopfschütteln fertig waren: „Das ist doch eine Kolumne wert. Übers Vergessen und Verschusseln.“ Prompt las ich kurz darauf einen Artikel zu diesem Thema. Darin hieß es: Namen, Termine und Schlüssel zu vergessen sei harmlos – und sogar gesund, weil im Kopf Platz für Neues entsteht. Bedenklich würde es erst, wenn man Kinder oder Ehepartner unterwegs an Raststätten vergisst.

Ha! Meine gestresste Freundin und ich, wir fühlten uns gleich viel besser. Wir machen uns jetzt mal locker. Immerhin sind unsere Familienmitglieder auch nach der Sommerreise noch vollzählig vorhanden. Wir sollten großzügiger sein mit uns selbst – und den neuen Freiraum im Hirn sinnvoll nutzen. „Alles, was bis hierhin schiefging, kannste sowieso vergessen“, sagte ich zu ihr. Oder so ähnlich. Da bin ich mir jetzt nicht sicher. Hab’s wohl vergessen. Ups!

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Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

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