Für die Schönheit?Jedes Jahr sterben in der EU etwa 38.000 Ratten, Mäuse und Kaninchen bei Kosmetik-Tests. Schuld daran sind lückenhafte Gesetze und bürokratische Hindernisse für alternative Methoden. Sie können auch Naturkosmetik-Herstellern Probleme bereiten, die Tierversuche aus Prinzip ablehnen.
Mit einer Magensonde wird den 30 Ratten die Test-Substanz eingegeben. Je nach Art und Menge des verabreichten Stoffes winden sich die Tiere manchmal stundenlang in Krämpfen, sie leiden an Durchfall, Fieber, Schüttelfrost oder Lähmungen. Ein aufrüttelndes Bild. Mit Tierversuchen testet man standardmäßig die akute Giftigkeit einer neu entwickelten Chemikalie. Solche Tests schreibt das Chemikalienrecht auch vor, wenn der neue Stoff später als Zutat in einer Creme eingesetzt wird.
Lückenhafte Gesetze
Dabei steht in Paragraf 7 des deutschen Tierschutzgesetzes seit 1998: „Tierversuche zur Entwicklung von Tabakerzeugnissen, Waschmitteln und Kosmetika sind grundsätzlich verboten.“ In Ländern außerhalb der EU sind Tierversuche für Kosmetika noch erlaubt. Daher sind Rohstoffe und fertige Produkte, die aus dem Ausland importiert werden, nicht garantiert tierversuchsfrei.
1993 wurde eine EU-Richtlinie verabschiedet, die den Verkauf von an Tieren getesteten Kosmetika verbieten und auch für Importware gelten sollte. Doch das endgültige Aus für Kosmetik-Tierversuche wird seit Jahren wieder und wieder hinausgeschoben. Die EU-Kommission begründet dies damit, dass nicht genügend alternative Testmethoden zur Verfügung stehen würden. Zudem widerspräche ein solches Verbot den Regeln des Welthandels. Im Juni 2002 stimmte nun das Europäische Parlament zwar einem generellen Tierversuchsverbot für Kosmetika innerhalb der EU ab 2005 zu, lehnte aber ein konsequentes Vermarktungsverbot für tierexperimentell getestete Kosmetika ab. Noch zehn Jahre sollen Ausnahmen zugelassen werden. Tierschutzorganisationen werten eine solche Regelung als Rückschritt, da damit nur Tierversuche in Länder außerhalb der EU verschoben würden. „Wir wollen ein sofortiges Verkaufsverbot für alle Kosmetika und Rohstoffe, die an Tieren getestet wurden, obwohl es Alternativmethoden gibt“, erläutert Tessy Lödermann, Campaignerin für den Deutschen Tierschutzbund. „Und wir wollen einen festen Termin, ab dem kein Kosmetikprodukt mehr in den Handel darf, für das ein Tier leiden musste.“ ‹ Die Suche nach Neuem
Neben neuen Wirkstoffen gibt es auch Stoffe, die schon länger für Kosmetika verwendet werden, aber jetzt erst ausgiebig auf mögliche Schadwirkungen hin untersucht werden. Der zuständige wissenschaftliche Ausschuss der EU befasste sich in letzter Zeit vor allem mit allergieauslösenden Duftstoffen wie das in Nelken vorkommende Eugenol. Jetzt will man sich verstärkt möglicherweise krebserregenden synthetischen Haarfärbemitteln widmen. Im Rahmen solcher Prüfungen werden ebenfalls Tierversuche zur Bewertung herangezogen. Die EU will die Überprüfung solcher Altchemikalien, zu denen auch viele Kosmetikzutaten gehören, in den nächsten Jahren stark vorantreiben. Tierschützer befürchten, dass dadurch die Zahl der Tierversuche rapide ansteigt.
Alternativen
Tests für verschiedene Wirkungen
Weltweit anerkannt sind derzeit tierversuchsfreie Tests für die ätzende Wirkung von Stoffen auf der Haut sowie für Phototoxizität, also eine schädliche Wirkung durch Sonneneinstrahlung auf aufgetragene Substanzen. Dazu kommt noch eine Methode, mit der festgestellt werden kann, wie stark eine Substanz in die Haut eindringt. Verfahren, mit denen die Irritation der Haut, des Auges sowie die Giftigkeit für Embryonen getestet werden können, sind bekannt, werden zum Teil auch angewandt, sind aber noch nicht endgültig von der EU oder der OECD anerkannt.
Naturkosmetik und Tierschutz
Hersteller müssen also zwischen Kundenwünschen, gut verträglichen Inhaltsstoffen und dem Wohl der Tiere abwägen. Der Bundesverband Deutscher Industrie und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflege e.V. (BDIH) entwickelte 2001 sein Logo für „kontrollierte Naturkosmetik“. Dabei fand er folgende Lösung: Stichtag für den Ausschluss von Tierversuchen bei zugekauften Rohstoffen ist der 1. Januar 1998. Im Gegensatz zu konventionellen Kosmetik-Produkten ist damit sicher gestellt, dass seither keine Tiere mehr für die Einführung neuer Wirkstoffe gequält werden.
Leo Frühschütz
Leiden ohne Ende
In Deutschland wurden 1995 bis 1999 jährlich 1,5 bis 1,6 Millionen Mäuse Ratten, Fische und andere Versuchstiere getötet. Im Jahr 2000 ist die Zahl auf 1,8 Millionen gestiegen, weil erstmals auch die Tiere gemeldet werden mussten, die zur Organentnahme, in Universitätskursen oder zur Gewinnung von Stoffen getötet wurden. 680.000 Tiere starben 2000 in der Grundlagenforschung, 490.000 wurden bei der Entwicklung von Arzneimitteln getötet. Die Prüfung von Pestiziden und anderen Chemikalien kostete 220.000 Tieren das Leben. 70.000 Fische wurden für die Tests von giftigem Abwasser verbraucht. Im Internet ist der Tierschutzbericht unter www.verbraucherministerium.de/tierschutz/tierschutz.htm abrufbar.
Zwei Logos stehen für Produkte ohne Tierversuche.
Aktiv gegen Tierversuche:
Deutscher Tierschutzbund, Baumschulallee 15, 53115 Bonn, Telefon 02 28 / 60 49 60, E-Mail: bg@tierschutzbund.de, www.tierschutzbund.de. (Dort kann auch mit einem mit 0,56 Euro frankierten Rückumschlag die aktuelle Positivliste bestellt werden.)
Bundesverband der Tierversuchsgegner - Menschen für Tierrechte, Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen, Telefon 0241/ 157214, E-Mail: info@tierrechte.de, www.tierrechte.de.
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