Gesundheit

So wirkt Stretching

Regelmäßiges Dehnen macht den Körper beweglicher und lindert Beschwerden, heißt es. Stimmt das? Ein Selbstversuch.

Es ist Dienstagmorgen. Ich rolle meine Fitnessmatte im Wohnzimmer aus. Draußen dämmert es bereits. Etwas verspätet starte ich heute mit meinem morgendlichen Yoga- und Stretching-Programm. Ich fühle mich schlapp und bin unmotiviert. Dabei hatte ich so gute Neujahrsvorsätze: Täglich wollte ich eine Trainingseinheit absolvieren.

Ich kombiniere verschiedene Work­outs, welche die Muskulatur im gesamten Körper stärken und dehnen sollen. Das Ganze habe ich mir für einen Monat vorgenommen. Studien zufolge verankern sich Gewohnheiten erst ab diesem Zeitraum als fester Bestandteil im Alltag. Heute ist Tag zwei. Auf dem Programm steht ein 15-minütiger „Full Body Stretch“. Erstmal verdrehe ich aber die Augen, weil ich bereits ahne, was auf mich zukommt.

Stretching – muss das wirklich sein?

Ich bin eher der sportlich-dynamische Typ, gehe gerne schwimmen, jogge und fahre Rad. Stretching dagegen gehörte noch nie zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Nach dem Laufen kurz die Waden- und Beinmuskulatur dehnen, das war für mich bereits das Höchste der Gefühle. Alles was länger als ein paar Minuten dauerte, kam für mich nicht in Frage. Da ich schnell zur Arbeit musste, war die Zeit vor allem in den Morgenstunden knapp bemessen. Stretching bedeutete für mich reine Zeitverschwendung.

„Menschen sind für Bewegung gemacht.“

Jessica Matthews, Sport- und Fitnesstrainerin

Allerdings nahmen meine Rückenprobleme – je älter ich wurde – immer mehr zu. Das lange Sitzen am Schreibtisch forderte seinen Tribut. „Menschen sind für Bewegung gemacht“, sagt die amerikanische Sport- und Fitnesstrainerin Jessica Matthews. „Doch aufgrund des technischen Fortschritts bewegen wir uns im Alltag weniger als früher und sitzen, Stunde um Stunde.“

Laut Matthews sei es zwar wichtig, regelmäßig Sport zu treiben, jedoch würden bei den meisten Workouts immer nur einzelne Muskelgruppen trainiert, während andere unbeansprucht bleiben. „Sich ständig wiederholende, einseitige Bewegungen und langes Sitzen führen häufig zu verspannten Muskeln“, so Matthews.

In ihrem aktuellen Buch „Bleib jung mit Stretching“ erklärt die Sportexpertin, warum Stretching so wichtig für den Körper ist und was einen guten Stretch ausmacht. Während der Lektüre begreife ich, was der Unterschied zwischen statischem und dynamischem Stretching ist: Bei statischem Stretching werden die Übungen 15 bis 30 Sekunden lang gehalten, die dynamische Variante besteht meist aus kombinierten Bewegungen und wird als Vorbereitung auf eine darauffolgende intensivere Anstrengung wie etwa Joggen durchgeführt. Auf meine Nachfrage beim Verlag und der Autorin erfahre ich noch mehr. So ist Yoga beispielsweise eine Kombination aus dynamischen Dehnelementen wie Katze-Kuh und statischen Übungen wie die tiefe Vorbeuge. Yin-Yoga, das meist im Sitzen und Liegen praktiziert wird, besteht dagegen in der Regel ausschließlich aus statischen Dehnhaltungen.

Nützliche Hilfsmittel

Bei einigen Dehnübungen kann man den Körper mit Hilfsmitteln unterstützen. In ihrem Buch empfiehlt Autorin und Bewegungsexpertin Jessica Matthews, sich erhöht auf eine Decke oder einen Klotz zu setzen.

Für die Schienbeindehnung kann ein Stuhl helfen, sich abzustützen. Mithilfe von Bändern, Gurten, Schlaufen oder eines Handtuchs kann man sich gefahrlos dehnen, indem man die angewendete Kraft mäßigt, um den Körper nicht zu überfordern, beispielsweise bei der Schenkeldehnung im Liegen.

Um die Faszien zu dehnen, sind zudem Hartschaumrollen (Faszienrollen) eine kostengünstige und lohnende Anschaffung, um mittels Massage Verspannungen zu lösen und die Flexibilität der Muskeln zu verbessern.

Wann zeigen sich die ersten Erfolge?

Ein ausgiebiges, statisches Dehnen sollte, nach Meinung der Sporttrainerin, jedoch nie vor einer Trainingseinheit durchgeführt werden. Denn: Der kurzfristige Effekt von statischem Dehnen ist ein verringerter Muskeltonus.

Da ich selbst nicht der flexibelste Typ bin und weit davon entfernt, in der Vorbeuge mit den Händen meine Füße berühren zu können, will ich noch wissen, nach welcher Zeit ich mit den ersten Trainingserfolgen rechnen könnte? Leider sei das unmöglich vorauszusagen, weil jeder Mensch unterschiedlich ist, lautet die ernüchternde Antwort von Jessica Matthews. Eines sei jedoch sicher: Regelmäßiges Stretching verbessere die Flexibilität nach und nach, sodass Alltagstätigkeiten mit mehr Freude und Leichtigkeit ausgeführt werden könnten.

Der Effekt: weniger Nackenschmerzen

Motiviert von dieser Aussicht beschließe ich, es einfach mal weiter mit meiner 30-Tages-Challenge zu versuchen, den Kopf auszuschalten, bei jeder Bewegung genau auf meinen Körper zu achten und in die Dehnhaltungen bewusst hinein zu atmen. An Tag zehn bemerke ich den ersten Unterschied. Nun gelingt es mir doch, morgens früher aufzustehen und nach den Workouts starte ich fit und motiviert in den Tag. Und noch etwas wird mir bewusst: Effektives Dehnen muss nicht lange dauern. Schon 15 Minuten genügen, um den Körper einmal in alle Richtungen zu dehnen.

Als ich nach 30 Tagen am Ende meiner Challenge ankomme, bin ich fast ein bisschen traurig. Das regelmäßige Dehnen hat meinem Körper gutgetan. Auch wenn ich in der Vorbeuge immer noch nicht meine Zehen erreichen kann, habe ich doch weniger Schmerzen im Nacken und Schulterbereich. Mein Rücken fühlt sich beweglicher an. Ich entscheide mich, einzelne Dehnübungen in meinen Alltag zu integrieren. Schließlich kann man viele Workouts in wenigen Minuten durchführen und sie beispielsweise auch vorm Fernseher oder auf dem Stuhl sitzend absolvieren.

Als ich mich im Büro nach einem längeren Telefonat dabei erwische, meinen Kopf mit der Hand vorsichtig nach rechts unten zu dehnen und dabei bis 30 zu zählen, muss ich schmunzeln. Die Challenge hat ihren Zweck erfüllt: Stretching ist als neue Gewohnheit in meinem Alltag angekommen.

Buchtipp

Autorin Jessica Matthews zeigt in ihrem Buch Übungen für mehr Beweglichkeit. m-vg.de, 16,99 Euro

Veröffentlicht am

Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

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