Aus der cosmia

Solo-Spiele im Trend

Solo-Brettspiele und -Kartenspiele sind angesagt. Kein Wunder, denn sie sind mehr als eine Freizeitbeschäftigung für eine Person. Das Spielen hilft beim Stressabbau, bündelt die Aufmerksamkeit und fördert Kreativität.

Eine Tasse Gewürzchai dampft auf dem Tisch vor sich hin. Ich drehe das erste, sechseckige Plättchen um. Eine Bahnlinie, ein Wald, ein Getreidefeld. Die Bahnlinie soll fünf Plättchen lang werden, dann bekomme ich Punkte. Mal sehen, ob das klappt. Ich spiele Dorfromantik, das Spiel des Jahres 2023. Es ist Abend, und ich spiele alleine, nur für mich. Das macht den Kopf frei, hilft, nach einem Arbeitstag wieder runterzukommen.

107 Solospiele, 580 mit Solovariante

Solospiele und Spiele mit Solovariante sind schon seit einiger Zeit angesagt. „Alleine zu spielen ist heute absolut normal“, weiß Carol Rapp, Geschäftsführerin beim Merz Verlag. Der Verlag ist Veranstalter der „Spiel Essen“, der größten Publikumsmesse für Brettspiele. Im Jahr 2023 zeigten Aussteller dort 107 Neuheiten für genau eine Person sowie 580 weitere, denen eine Solo-Regel beilag. Bei Letzteren werden die gegnerischen Züge vom Spiel gesteuert. Mycelia verwendet diese Technik. Eigentlich für bis zu vier Personen konzipiert, geben Karten vor, wie Gegner Gwidyon agiert, wenn nur eine spielt. Ziel ist, Tautropfen aus dem eigenen Waldstück zu einem Schrein zu bringen. Und das erfordert Nachdenken.

Heute habe ich mich aber für Dorfromantik entschieden. Meine Landschaft ist gewachsen, für die Bahnlinie habe ich längst Punkte kassiert. Ich drehe ein weiteres Plättchen um. Soll ich damit mein Getreidefeld erweitern oder meine Siedlung?

"Alleine zu spielen, ist heute absolut normal."

Carol Rapp, Geschäftsführerin Merz Verlag

Wann genau Solospiele in der Weltgeschichte aufgetaucht sind, ist nicht klar. Sicher ist, dass der Klassiker Solitaire bereits im 17. Jahrhundert gespielt wurde. Mittlerweile hat sich für die Hersteller von Solospielen eine breite Zielgruppe gebildet. „Das können schon Kinder sein, aber genauso gut Erwachsene“, sagt der Vorsitzende des Branchenverbandes Spieleverlage Hermann Hutter. Manchmal würden diese Spiele auch gemeinsam gespielt, kooperativ. Andersrum funktionieren die meisten kooperativen Spiele auch für Einzelspieler:innen. Wie Dorfromantik: Das ist für bis zu vier Spieler:innen ausgelegt. Gerade versuche ich, meinen Fluss nicht in ein totes Ende fließen zu lassen.

Kooperative Spiele, Brainteaser, Strategiespiele

Andere Spiele werden gezielt als Soloprodukt entwickelt. Palm Island ist so eins. Es geht darum, ein Inseldorf zu planen und auszubauen – mit Karten in der Hand, ohne Ablagefläche. Daher funktioniert es auch unterwegs im Zug, wenn kein Tisch vorhanden ist. „Es gibt aber auch viele Logikspiele, die entweder abstrakt oder mit populären Themen eine knifflige Herausforderung bieten“, nennt Hutter eine weitere Kategorie. Der Einstieg fällt bei diesen Spielen leicht, es gibt nur wenige Regeln. So geht es bei Roll on! darum, ein Labyrinth mit vorgegebenen Teilen so zu ergänzen, dass Kugeln an ihre Ziele rollen. Wie bei vielen dieser sogenannten Brainteaser gibt es unterschiedliche Aufgaben mit steigender Komplexität.

Das Solospielen hat je nach Typ verschiedene positive Effekte. „Alleine spielen kann die Kreativität fördern, das logische Denken oder die Aufmerksamkeit trainieren“, erklärt Katharina Schiller, Psychologin an der McGill-Universität in Montreal. Spiele könnten aber auch einfach ablenken und damit helfen, den Kopf freizubekommen. Wie bei mir. Dorfromantik plätschert inzwischen so vor sich hin. Selbst wenn ich hin und wieder überlegen muss, entspannt es mich. Ist mir das zu wenig, greife ich zu anspruchsvollen Strategiespielen wie Anno 1800. Es basiert auf dem gleichnamigen Computerspiel. Ich erfülle dabei Aufträge, Produktionsketten greifen ineinander, die Inselwelt wächst. Vor dem mehrstündigen Spieleabend muss ich mich beim ersten Mal allerdings durch die fast 20 Seiten umfassende Spielanleitung kämpfen. 

Diese Solospiele hat unser Autor für euch getestet

Spielen als schönes Ritual

Schneller geht es dagegen bei Hidden Stones mit einem simplen, aber reizvollen taktischen Ansatz. Es gilt hier, farbige Plättchen so zu verschieben und zu drehen, dass vorgegebene Muster entstehen, die Punkte bringen.
Ich nehme einen Schluck von meinem Chai, genieße die Ruhe und den Blick auf die Spielfläche meiner Dorfromantik. „Eine gemütliche Atmosphäre beim Spielen kann die Situation mit einer positiven Emotion in Verbindung bringen und auch helfen, ein schönes Ritual für sich selbst zu etablieren“, sagt Psychologin Schiller. Dies könne sich auch langfristig positiv auf das eigene Wohlbefinden auswirken.

Ich lege mein letztes Plättchen. Jetzt nur noch die Punkte zählen. Denn von der Punktzahl hängt es ab, ob ich für die nächste Partie neue Funktionen freischalten darf. Ich darf! Künftig habe ich eine Lokomotive. Mal sehen, wie sich das auf mein Spiel auswirken wird. Morgen geht es vielleicht weiter.

"Alleine zu spielen, ist sehr Zen."

Shadi Torbey

Shadi Torbey im Interview

Opernsänger Shadi Torbey hat Romanistik, Kulturmanagement und Gesang studiert. Darüber hinaus gründete er den Solospiele-Verlag inPatience. Unser Autor Jochen Bettzieche sprach mit Shadi Torbey über seine zwei Leidenschaften.

Herr Torbey, warum entwickeln Sie Solospiele?
Am Anfang habe ich das für mich gemacht. Ich habe schon immer viel mit Freunden gespielt. Aber als Opernsänger bin ich häufig alleine auf Reisen. Die Idee war, ein tolles Spiel für unterwegs zu haben, das ich auch alleine spielen kann.

Warum entwickeln Sie nicht Gruppenspiele mit Soloregeln dazu?
Das ist wie bei einer Oper. Man kann sie auf dem Klavier spielen, das ist dann immer noch schöne Musik. Aber erst mit Orchester und Sängern ist sie das echte, wahre Ding. Bei Spielen ist das ähnlich. Manche sind für Gruppen gedacht und funktionieren folglich in der Gruppe besser als alleine. Ich mache strukturelle Solospiele, die von Anfang an für eine Person gedacht sind.

Sie haben einen eigenen Spieleverlag und sind Opernsänger. Zeitprobleme?
Beide Jobs sind recht frei, ohne Big Boss. Ich probe meine Arien zu Hause und entwickle dort auch meine Spiele. Es braucht aber schon eine gute Disziplin, um beispielsweise am Abend eine Spielmechanik zu testen und nicht einfach fernzusehen. Dafür ergänzen sich die Tätigkeiten auch ziemlich gut.

Inwiefern?
Nach der Schminke oder zwischen zwei Auftritten habe ich oft lange Wartezeiten, bis ich auf die Bühne muss. Dann spiele ich. Das lenkt ab und entspannt, denn das Spielen findet überwiegend im Kopf statt, das Singen eher im Körper. Alleine zu spielen, ist sehr Zen.

Wie lange dauert es von der Idee bis zum fertigen Spiel?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal sind es nur ein paar Tage, manchmal dauert es Jahre.

Bei Stellarion geht es darum, gut mit Kartenstapeln hauszuhalten. Funktionieren Ihre anderen Spiele ähnlich?
Keinesfalls. Jedes Spiel hat seine eigene Mechanik. Bei Onirim muss man Karten auf der Hand verwalten, bei Castillion Plättchen legen, Numtillion ist ein Roll & Move-Spiel und so weiter. Die Serie hat aber ihre Grenzen. Es wird neun Spiele geben. Der Abschluss Ultimion soll 2026 erscheinen.

Und dann ist Schluss?
Nur mit dieser Reihe. Ich habe noch viele Ideen für Solospiele.

Veröffentlicht am

Ein Artikel aus dem Naturkosmetik-Magazin

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