Leben

So geht ökologisch bauen

Einige Bio-Firmen haben neu gebaut. So schön kann nachhaltig sein. 

Wenn Karl-Heinz Türk über sein „Baby“ spricht, klingt Stolz mit. Er ist Projektleiter für ein Bauwerk, das als Leuchtturm der Nachhaltigkeit auf der Weleda-Homepage angekündigt wird. Tatsächlich spielt der neue Logistik-Campus des Naturkosmetik-Herstellers in Schwäbisch Gmünd ganz vorne mit, wenn es um ökologisches Bauen geht.

Mit welchen natürlichen Werkstoffen Weleda ökologisch baut

Gebaut wurde mit natürlichen Werkstoffen wie Glas, Holz und Stampflehm. Eine Streuobstwiese und ein weitläufiger Campus mit regionalen Pflanzen und Kräutern bieten für die Arbeitspausen Naherholung. Das Bürohaus hat eine Dachterrasse, es gibt ein Gebäude für Warenein- und -ausgang, daneben ragt das 18 Meter hohe Regallager aus Holz empor. Projektleiter Türk erklärt: „Normalerweise werden Hallen möglichst billig mit Plastikbausteinen hochgezogen, wir wollten Holz verwenden, das in den Kreislauf zurück gehen kann. Das ist extrem aufwendig wegen der Statik, der Zertifizierung des Holzes und weil man Faktoren wie Temperaturschwankungen berücksichtigen muss.“ Geothermie und Solaranlagen machen unabhängig vom Gas. Zusatz-Joker ist, dass die Solarpaneele nicht nur Energie gewinnen, sondern auch die Glasfronten beschatten.

Regional bauen mit Stroh, Lehm und alten Türen

Dass man günstig nachhaltig bauen kann, beweist der Hofladen der Biotal Hofgemeinschaft in Herbrechtingen. Nach vier Jahren Bauzeit wurde er 2019 eröffnet. Christoph Bosch von der Hofgemeinschaft hatte selbst mit angepackt. Das Ziel war: „Möglichst regional zu bauen.“ Mit dem begrünten Dach und den geschwungenen Formen fügt sich der Hofladen wie eine XXL-Hobbit-Hütte in die Landschaft ein. Die Wände wurden innen und außen mit Lehm verputzt. Stroh und Lehm dämmen extrem gut. Dicke Baumstämme aus den Wäldern im Landkreis stützen die Konstruktion. Es wurden gebrauchte Fenster und Türen eingebaut. Dieser Materialmix machte das Bauen sehr günstig. Bosch erläutert: „Strohballen und selbst gemischter Lehm kosten minimal. Die Hauptkosten entstehen durch die Arbeitszeit.“

Wie gute Planung beim nachhaltigen Bauen Kosten spart

Felix Jansen von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) sagt, wie man beim nachhaltigen Bauen sparen kann: „Wichtig ist, ausführlich zu planen, denn alles, was später spontan dazu kommt, macht das Projekt unnötig teuer.“ Seine Tipps sind: früh die CO2-Bilanz ausrechnen lassen; überlegen, welche Materialien man verbaut, um damit möglichst lange gut zu fahren; auf regionale, schadstoffarme Stoffe setzen; und möglichst vorhandene Gebäude mit einbeziehen. Das spart Ressourcen.

Wie ein tiefgezogenes Dach die Klimaanlage überflüssig macht

Lebensmittelhersteller Rapunzel hat sich beim Bau seines neuen Besucherzentrums viele dieser Punkte zu Herzen genommen. „Wir setzen auf Bau-Firmen aus der Gegend, mit den meisten arbeiten wir schon seit Jahren zusammen“, berichtet Projektleiterin Seraphine Wilhelm. „Für den Terrazzo-Boden haben wir sichergestellt, dass der Kies aus der Region kommt und nicht von weit her zugekauft wurde. Unsere Dämmstoffe enthalten Naturmaterialien wie Hanf.“

Der Architekturentwurf ist ein echter Eyecatcher. Von oben sieht das Besucherzentrum aus wie ein dreiflügeliger Bumerang. Das angeschrägte Dach läuft einmal rundherum. An seinem höchsten Punkt ragt der Rapunzel-Turm, in dem künftig Yogakurse und Kochseminare stattfinden sollen. Das tiefgezogene Dach mit den glasierten Tonziegeln hält die Innenräume, das Museum und Bistro im Sommer schön kühl, Klimaanlage ist überflüssig. Die Abwärme der Kaffeerösterei – das sind immerhin 600 Grad Celsius – heizt mit Hilfe von intelligenten Pumpen und zwei Wasserspeichern fast das komplette Gebäude. Gebaut wird seit November 2019, 2022 soll das Besucherzentrum eröffnet werden.

So geht recyceln und retten bei Bauprojekten

Bei ökologischen Bauprojekten können auch Recycling-Materialien eine Rolle spielen. Der Teppich etwa im neuen Produktions- und Laborgebäude des Naturarznei-Herstellers Salus wurde aus alten Fischernetzen gemacht. Und dem Wasch- und Reinigungsmittelhersteller Sonett war es beim Bau eines weiteren Gebäudekomplexes im Deggenhausertal wichtig, einen alten Fliederbusch zu retten. Architekt Andreas Pook erzählt: „Der alte Flieder stand der Erweiterung der Parkplätze im Weg. Wir haben ihn auf der begrünten Dachterrasse integriert.“

Die Stärken ökologischer Bauentwürfe

Nachhaltig bauen bietet Vorteile, nicht zuletzt für Unternehmen. Felix Jansen von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen sagt, dass dank gesünderer Baumaterialien, besserer Luft und einem angenehmeren Arbeitsklima Mitarbeitende deutlich weniger krank würden. „Vor 15 Jahren wurden wir noch belächelt für unsere Ideen, heute erleben wir einen Mitglieder-Boom. Das Thema ist in vielen Unternehmen auf der Vorstandsebene angekommen.“ Außerdem dürfte gerade in Zeiten von Gasengpässen und Öl-Embargos Energieunabhängigkeit eine der größten Stärken ökologischer Bauentwürfe sein.

Mehr über nachhaltiges Bauen

  • Blick in andere Länder: In der EU sollen bis 2050 alle Gebäude klimaneutral sein, Neubauten schon ab 2030. In den Niederlanden müssen alle Bürogebäude ab 2023 die Energieeffizienzklasse C haben, sonst dürfen sie nicht mehr genutzt werden. Ähnliches gilt für Wohnungen. Auch Großbritannien, Belgien und Frankreich haben bessere Energiebilanzen von Gebäuden per Gesetz verankert.
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Kommentare

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Dirk A. Hiller

Leuchttürme oder größenwahnsinnige Lagerhallen und gelandete Ufos?
Während sich eine Hobbit-Hütte noch in die Landschaft einfügt, sieht die abgebildet Lagerhalle von Weleda aus wie ein gelandetes UFO! Leider gibt es gerade in der "Öko-Gesellschaft" die gleichen Auswüchse wie in der "Chemie-Industrie-Gesellschaft"! Größer, mehr, mehr, stärker, besser, ähnlich wie z.B. bei unseren E-Autos, denn der Leistungs-Durchschnitt liegt dort ca. 40 PS höher, so über 190 PS je Fahrzeug, als bei den Verbrennern-Kisten. Die gigantische Beton-Besucherhüte von Rapunzel mag ein Leuchtturm für das Ego einiger Menschen sein, hat jedoch nichts mit Ökohausbau oder dem ursprünglichen Lebenswerten von Rapunzel zu tun, klar die nächste Generation will immer mehr!
Auch bei den Biolebensmittel / Bio-Produkten ist ein Wettrennen zu "größer, besser, stärker" an der Tagesordnung. Immer mehr Produkte, die eigentlich keiner braucht, immer mehr Waren werden aus der ganzen Welt nach Deutschland / EU gekarrt!
Vielleicht alles etwas bescheidener?

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