Nein, ich werde euch jetzt nicht sagen, dass das ganz außergewöhnliche Zeiten sind, und ihr kriegt auch keine Fotos von uns aus dem Homeoffice. Ich erzähle euch, wie wir gerade lernen, uns virtuell an den Händen zu halten und kreative Funken durch Datenleitungen zu feuern. Ein Magazin machen, Journalismus, Redaktion ist ein ideenreicher, sprudelnder Prozess. Es ist das gemeinsame Spinnen eines Fadens, bis die Spule irgendwann voll ist.
Die Artikel unseres Print-Magazins sind in der Regel längere Lesestücke, die Hintergründe erklären und Geschichten erzählen, die auch mal etwas mehr Platz brauchen. Von einem ersten Ideen-Fussel bis ihr die Buchstaben im Magazin lest, vergehen nicht selten drei Monate. Davon braucht allein die Druckerei und Logistik fast vier Wochen. Meistens arbeiten wir mit freien Autoren zusammen. Diesen übergeben wir die Spule, ein Briefing zum Thema, dann legen sie los und brauchen normalerweise ebenfalls vier Wochen. Und das alles in diesen Zeiten, wo unklar ist, wie die Welt in fünf Tagen aussieht. Aber deswegen hören wir nicht auf – auch wenn unsere Schwerfälligkeit nicht in diese Zeit zu passen scheint. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Geschichten und Informationen auch neben Corona Bestand haben. Vielleicht auch gerade deshalb.
Wir lernen gerade, uns virtuell an den Händen zu halten und kreative Funken durch Datenleitungen zu feuern.
Ich habe letzte Woche einen bösen Leserbrief zu unserer April-Ausgabe bekommen, in der Corona mit keinem Wort erwähnt wird. Wir sollten schließlich auch bemerkt haben, dass Corona in der Welt sei und dass dieses Ignorieren ein Armutszeugnis sei und so weiter. Der Brief hat uns in der Redaktion sehr betroffen gemacht – und ehrlicherweise auch verärgert. Wir erwarten nicht, dass unsere Leser unsere Arbeitsabläufe kennen und wissen, was es heißt, ein Monatsmagazin zu produzieren. Aber man kann doch erstmal nachfragen oder? Warum Corona im April nicht auftaucht (die Inhalte mussten Ende Februar für die Druckerei fertig sein und wir konnten damals nicht absehen, was passieren wird). Und warum dieser Ton? In Zeiten wie diesen, wo die meisten von uns versuchen, auf unterschiedlichsten – privaten, beruflichen, emotionalen, sozialen – Ebenen mit dieser Ausnahme-Situation umzugehen, fanden wir diesen nicht angemessen. Aktuell sorgen wir uns neben anderem um unsere erste Kollegin, die mit COVID-19 im Krankenhaus liegt.
Und wir mussten und müssen immer noch unseren Arbeitsalltag und unsere Abläufe neu organisieren. Auch wenn die meisten von uns gewohnt sind, im Homeoffice zu arbeiten, ist es etwas ganz anderes, wenn das plötzlich alle immer machen. In einer schnöden, distanzierten Telefonkonferenz fällt das gemeinsame Spinnen der Ideen-Spule so schwer. Die spontane, gegenseitige Befeuerung der Ideen-Funken zwischen Flur, Schreibtisch und Raucher-Ecke fallen weg.
Es gibt noch einen weiteren Punkt: Uns zeichnet aus, dass wir viel lachen. Stress hin oder her. Das trägt eine Leichtigkeit herein, die herrlich ansteckend ist – aber jetzt so schwer geteilt werden kann.
Aber wie das oft so ist, gibt es die Sache mit dem Zufall. Oder anders gesagt, zwei Ereignisse, die irgendwie passend gleichzeitig passieren. Neun Monate haben wir an einer neuen Website gebastelt. Jede langweilige Analogie erspare ich uns jetzt hier. Das ist unser Schnellboot. Unsere Ergänzung zum Tanker Print-Magazin ist just letzte Woche fertig geworden. Hier bekommt ihr natürlich nicht die neusten Corona-Meldungen. Aber viele Infos, Rezepte und kleine Geschichten, die zu euch und uns in diesen Zeiten passen. Wir freuen uns auf euch!
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