InterviewWonach sehnen Sie sich, Roger Hackstock?

Mit Optimismus raus aus der Klimawandel-Ohnmacht: Roger Hackstock arbeitet am Wandel für eine klimaneutrale Welt. In seinem neuen Buch setzt er auf Ironie, Humor und Zuversicht und macht damit tatsächlich Mut.

Herr Hackstock, darf man Witze über die Klimakrise machen? 
Aber sicher!

Bitte erzählen Sie uns einen! 
Treffen sich zwei Gletscher. Sagt der eine zum anderen: Was hältst du vom Klimawandel? Ob der uns schaden wird? Schüttelt der andere den Kopf: Ich weiß nicht, wir werden Seen.

Autsch, das tut aber weh!
Ja, das Thema ist sehr ernst. Genau deshalb ist es so notwendig, sich lustig zu machen. Denn wenn wir unseren Humor verlieren, haben wir verloren. Noch haben wir die Möglichkeit umzusteuern. Und Lachen befreit, es öffnet den Blick für neue Strategien. 

»Wenn wir unseren Humor verlieren, haben wir verloren. Lachen befreit.«

Roger Hackstock

Haben Sie deshalb das Buch geschrieben: „Wie wir die Welt retten, ohne uns dauernd Sorgen zu machen“?
Ich bin so vielen Menschen begegnet, die den Klimaschutz als Pflichtübung verstehen, die von einer historischen Schuld der Industrieländer sprechen und davon, dass wir auf Sachen verzichten und ganz anders leben müssen. Aber mit dieser Haltung wird doch die klimaneutrale Zukunft zu einem Ort der Angst, wo keiner hin will, weil man ja verzichten muss. So wird das nichts!

Warum läuft es so nicht? Wie geht es besser? 
Vernunftsbeschreibungen der Zukunft sacken einfach nicht ins Herz. Sie bleiben im Kopf stecken. Der Sozialforscher Christoph Hofinger zitiert in seinen Vorträgen den Bibelspruch, dass Gott den Israeliten ein Land versprochen hat, in dem Milch und Honig fließen. Er hat nichts gesagt von hohen Ernteerträgen, großen Ziegenherden und kurzen Arbeitstagen, nur das blumige, unkonkrete Bild in die Herzen der Menschen gepflanzt. Das hat gereicht, dass sich ein ganzes Volk auf den Weg gemacht hat. Wäre er mit Sachargumenten und Vernunftgründen des Wandels gekommen, wäre kein einziger Israelit vor die Tür gegangen. 

Wie lässt sich das auf unsere Situation heute übertragen? 
Die größte Kraft ist die Sehnsucht. Antoine de Saint-Exupéry sagte, wenn du ein Schiff bauen willst, trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen. Sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer. Wir müssen uns sehnen nach der klimaneutralen Welt. 

Zur Person

Roger Hackstock mit Buch

Roger Hackstock beschäftigt sich seit fast drei Jahrzehnten mit der Energiewende. Als Geschäftsführer von Austria Solar sorgte er im Jahr 2012 mit einem solaren Jahresbericht für Aufsehen, dessen Inhalt nur bei Sonnenlicht sichtbar war. Er ist Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Wien. 

Wie stellen Sie sich die klimaneutrale Welt vor?
Ich stelle mir friedliche Städte vor mit viel Platz zum Flanieren und Fahrradfahren. Wenn wir ehrlich sind, haben wir uns ohnehin im fossilen Zeitalter vieles angewöhnt, was uns nicht guttut. Der ständige Stau auf der Straße, der Lärm, die übervollen Schränke ... Ich stelle mir ein unaufgeregtes, klimaneutrales Leben vor. Den Stress mit den fossilen Energien wären wir los. Es gäbe keine Kriege mehr um Öl und Gas und keine Zeitungsmeldungen, dass irgendwer den Gashahn zudreht und wir mit Preissprüngen zu kämpfen haben. Das Damoklesschwert der Zwei- oder Drei-Grad-Grenze wäre verschwunden. Alltagssorgen werden natürlich bleiben, aber diese Megasorgen, die aufs Gemüt drücken, sind weg. 

Ist so ein Sehnsuchtsbild nicht ein wenig blauäugig?
Ich habe prinzipiell ein eher sonniges Gemüt – was meinem Job entgegenkommt, weil ich ja für die Solarenergie arbeite (lacht) – und freue mich am Leben. Das lasse ich mir nicht nehmen. Wenn die Bremser sagen: „Herr Hackstock, nehmen Sie doch bitte mal Ihre rosarote Brille ab!“ Dann sage ich: Die rosarote Brille müssen wir unbedingt abnehmen! Wer sich gegen die nötigen Veränderungen sträubt, der trägt eine rosarote Brille. Es ist eine Illusion zu denken, wir könnten einfach so weitermachen wie bisher. Wir sind schon mitten drin im Wandel, dürfen uns nur von den Bremsern nicht irre machen lassen. 

Was macht Ihnen Hoffnung, dass der Wandel gelingt? 
Als Paris und Kopenhagen für Fahrräder sicherer gemacht wurden, sind die Leute nicht stur beim Auto geblieben und haben gesagt: „Fahrrad fahren? – Kannst du vergessen!“ Sie sind umgestiegen aufs Fahrrad. Menschen wählen immer die bessere Alternative, wenn es sie gibt. 

Wie kann der Wandel gesellschaftlich Fahrt aufnehmen?
Wir Menschen sind bequeme Wesen, wir schwimmen nicht so gerne gegen den Strom. Wenn es einen Mehraufwand bedeutet und teurer ist, klimaschädlich zu leben, dann schauen wir uns das an. Wir können es als Gesellschaft schaffen, die Richtung des Stroms zu ändern. Natürlich wird es immer ein paar wenige Hartnäckige geben, die sagen: „Nein, ich bleib beim Alten. Mir ist das wichtig.“ Die schwimmen dann gegen den Strom, weil sie eben noch mit ihren Oldtimern herumfahren wollen. Das dürfen sie dann. Denn wenn wir die Richtung des Stroms verändern, wenn klimaneutrales Leben der Mainstream ist, das Normale, dann haben wir es geschafft, dann ruinieren nur noch die paar Leute die Welt, die gegen den Strom schwimmen. Das verkraften wir. 

Wie können wir die Stromrichtung ändern?
Wenn unsere Politikerinnen und Politiker selbstbewusst, gelassen und zuversichtlich an den Klimaschutz herangehen und vermitteln, was der uns bringt, dann kommt das auch bei den Menschen an. Dann werden viele mit Freude im neuen Strom mitschwimmen, bin ich überzeugt.

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